Befragung der Bertelsmann Stiftung.

Deutsche fühlen sich über die Qualität von Arztpraxen schlecht informiert

pr/pm
Nach 15 Jahren Qualitätsberichterstattung im Gesundheitswesen fühlen sich noch immer zwei Drittel der Menschen schlecht über die Leistungen von Arztpraxen oder Krankenhäusern informiert. Das zeigt eine neue Befragung der Bertelsmann Stiftung.

Die im deutschen Gesundheitswesen seit 15 Jahren betriebene, zum Teil recht aufwendige Qualitätsberichterstattung scheint ihr Ziel weitgehend verfehlt zu haben: 64 Prozent der Deutschen fühlen sich bei der Suche nach einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung nicht ausreichend informiert.

Das Gefühl der Unsicherheit fällt der Befragung zufolge umso größer aus, je geringer der Bildungsabschluss ist. Zugleich gaben 87 Prozent der Befragten an, dass Einrichtungen der Gesundheitsversorgung gesetzlich dazu verpflichtet werden sollten, ihre Qualitätsdaten offenzulegen. Die Befragung durch Kantar Emnid erfolgte zwischen dem 25. bis 27. Januar 2022 unter 1.027 Teilnehmenden.

Laut dem Gesundheitsexperten der Bertelsmann Stiftung, Stefan Edgeton, klafft eine große Lücke zwischen dem Informationsbedarf der Bevölkerung und dem, was das Gesundheitssystem derzeit aus sich heraus an Transparenz bietet. Die offizielle Qualitätsberichterstattung bleibe deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Über die Qualität von Arztpraxen liegen keine  Daten vor

Dieses Fazit steht auch am Ende der Bilanz einer Qualitätstransparenzinitiative im Gesundheitswesen, die die Stiftung gemeinsam mit ihrem Projekt „Weisse Liste” durchgeführt hatte. Uwe Schwenk, Gesundheitsexperte der Stiftung und Geschäftsführer der Weisse Liste gGmbH, resümiert: „Die Ergebnisse der Qualitätssicherung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen scheinen die Menschen mit den bisherigen Mitteln und Wegen kaum zu erreichen. Über die Qualität von Arztpraxen liegen praktisch keine belastbaren Daten vor”, erklärt er. „Dabei wäre Vieles, was in anderen Ländern schon üblich ist, auch in Deutschland ohne großen Zusatzaufwand möglich.”

Als ein möglicher Weg dazu könnte die Nutzung von Routinedaten und Patientenerfahrungen dienen. Laut der Bertelsmann Stiftung lassen sich schon heute Abrechnungs- und andere Routinedaten heranziehen, um über medizinische Leistungen und deren Qualität zu informieren.

So könnten zum Beispiel Patienten, die eine Knochendichtemessung benötigen, gezielt nach Arztpraxen suchen, die diese Leistung auch anbieten. Dennoch würden solche Möglichkeiten in der Bundesrepublik, anders als in anderen Ländern, bisher nicht konsequent genutzt, so die Stiftung.

Das Gros hält  Erfahrungen anderer Patienten für wichtig

Als eine weitere Quelle für Informationen über das Versorgungsgeschehen sieht die Stiftung die Patienten selbst. 82 Prozent der Teilnehmenden halten laut der Befragung die Erfahrungen, die andere mit einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung gemacht haben, für wichtig, um deren Qualität zu beurteilen. Obwohl die Gesundheitsministerkonferenz schon 2018 eine systematische Erhebung von Patientenerfahrungen in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens gefordert hatte, sei davon bislang so gut wie nichts umgesetzt worden.

Wichtig ist für Patienten laut Befragung auch der Informationsbedarf im Versorgungsalltag. So erwarten 71 Prozent der befragten Teilnehmenden von ihrer Hausarztpraxis Orientierungshilfe, etwa bei der Suche nach einem Krankenhaus. Hierbei ließen sich für die Beurteilung der Versorgungsqualität die Fallzahlen heranziehen, die abbilden, wie oft eine Klinik bestimmte Operationen durchführt.

Orientierungshilfe sollten auch Krankenkassen geben

Auch digitale Hilfsmittel wie die Praxissoftware oder die elektronische Patientenakte könnten einen schnellen Zugriff auf relevante Informationen in der Sprechstunde ermöglichen. So wünschen sich 67 Prozent der Befragten, dass eine elektronische Patientenakte (ePA) neben der Dokumentation von Befunden und Therapien auch Qualitätsinformationen zu Gesundheitsanbietern vorhält. Neben der Hausarztpraxis erwarten 62 Prozent der Befragten Orientierungshilfe in Sachen Qualität auch von Krankenkassen oder einer unabhängigen Institution wie der Stiftung Warentest.

Von einer umfassenden Transparenzkultur könne in Deutschland keine Rede sein, in manchen Bereichen sei wenig passiert, in anderen steuerten die zum Teil hoch aufwendigen Prozesse zunehmend in eine Sackgasse. Es fehle der Qualitätsberichterstattung in Deutschland eine übergeordnete strategische Perspektive, aus der heraus die Transparenzbemühungen – innerhalb und jenseits der Sektoren – vom Ende her gedacht und zielgerichtet strukturiert werden. 

Fact Sheet Bertelsmann Stiftung,www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/befragungsergebnisse-zum-thema-qualitaetsberichterstattung _blank external-link-new-window, März 2022.

Weisse Liste und Bertelsmann Stiftung,https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/qualitaetstransparenz-braucht-einen-grossen-wurf _blank external-link-new-window, März 2022.

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