Umfrage der Bertelsmann Stiftung

Die Gesellschaft ist nach der Pandemie erschöpft

pr/pm
Gesellschaft
Nach 24 Monaten Corona hat der gesellschaftliche Zusammenhalt stark gelitten, ergab eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung. Von Werten wie Zusammenhalt und Vertrauen in Institutionen ist nur noch wenig übrig.

Im ersten Pandemiesommer 2020 hatten der Umfrage zufolge nur 72Prozent der Befragten – das sind 13 Prozent weniger als im Frühjahr des gleichen Jahres – die Meinung vertreten, der Zusammenhalt in Deutschland sei gefährdet. Inzwischen, im Jahr 2022, sind jedoch über 80 Prozent dieser Auffassung. Deutliche Einbrüche gab es laut Umfrage bei der allgemeinen Lebenszufriedenheit. In allen Erhebungen der Bertelsmann Stiftung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt seit 2017 hatten mehr als 80 Prozent der Befragten ihre Lebenszufriedenheit als hoch eingestuft.

Anfang 2022 sind es nur noch 67 Prozent. Auch die Zukunftssorgen haben der Umfrage zufolge zugenommen. Das gilt vor allem für die Befragten mit geringem Einkommen. Von ihnen sagen 64 Prozent, dass sie sich große Sorgen um ihre Zukunft machen.

Weniger Solidarität in der Gesellschaft

Einen Rückgang haben die Experten der Umfrage auch bei der wahrgenommenen Solidarität in der Gesellschaft ausgemacht. Am Anfang der Pandemie spielten Nachbarschaftshilfen und viele kreative Formen der Unterstützung eine Rolle. Dies habe sich auch in den Umfragedaten von 2020 widergespiegelt: Im Sommer 2020 waren gerade einmal 21 Prozent der Befragten der Meinung, die meisten Leute kümmerten sich nicht darum, was mit ihren Mitmenschen geschieht.

Im Jahr 2022 ist davon wenig übriggeblieben. Jetzt sind 59 Prozent der Meinung, die Menschen würden sich nicht umeinander kümmern, und 28 Prozent sagen, man könne sich auf niemanden verlassen. Beide Werte liegen erheblich höher als vor der Pandemie.

Politik hat an Vertrauen verloren

Deutlich hat der Umfrage zufolge das Vertrauen der Gesellschaft in die Politik gelitten. So sagten unmittelbar vor dem ersten Lockdown im Februar und März 2020 noch 24 Prozent der Befragten, dass sie großes oder sehr großes Vertrauen in die Bundesregierung haben. Im Sommer 2020 verzeichnete die Umfrage fast eine Verdoppelung auf 45 Prozent.

Jetzt, im Februar 2022, sind gerade einmal 18 Prozent noch dieser Auffassung. Besorgniserregend sei laut Experten der Umfrage insbesondere, dass Anfang dieses Jahres nur noch weniger als die Hälfte der Deutschen uneingeschränkt zufrieden mit der Demokratie sei. Und auch hierbei zeige sich ein sozioökonomisches Gefälle: Befragte mit höherem Einkommen und höherer Bildung seien zufriedener mit der Demokratie und hätten ein größeres Vertrauen in die Regierung.

Hohes Potenzial für Verschwörungstheorien

Gleichzeitig zeigt sich nach Ergebnissen der Umfrage ein hohes Potenzial für Verschwörungstheorien. Nur eine Minderheit von 15 Prozent sei demnach der Meinung, die Corona-Pandemie sei ein Schwindel und die Schutzmaßnahmen eine hysterische Überreaktion. Jedoch seien rund 40 Prozent der Auffassung, die Regierung würde bei vielen Ereignissen die Wahrheit verschleiern. Das lasse den Experten der Umfrage zufolge ein relativ großes Potential für Desinformation erkennen.

Anhänger von Verschwörungstheorien zeichneten sich gemäß den Umfrageergebnissen durch ein geringeres Vertrauen in politische Institutionen aus, seien unzufriedener mit der Demokratie, nähmen weniger Solidarität und mehr Zerstrittenheit in der Gesellschaft wahr, hätten häufiger den Eindruck, man könne sich auf niemanden verlassen, und seien deutlich seltener geimpft.

Zunehmende Grundgereiztheit ist nicht verwunderlich

Insgesamt, so bilanzieren die Experten der Umfrage, zeige sich das Bild einer von den langen Monaten der Pandemie erschöpften und ausgelaugten Gesellschaft. Nach inzwischen zweijährigem Sozialleben unter Vorgaben des Infektionsschutzes, zermürbenden Debatten um das Impfen und noch immer nicht erkennbarem Licht am Ende des Tunnels der Pandemie sei eine allseitige Erschöpfung und zunehmende Grundgereiztheit nicht verwunderlich. Eine dram atische Spaltung oder konfrontative Lagerbildung sei dennoch nicht auszumachen.

Die Bertelsmann Stiftung untersucht seit mehr als zehn Jahren regelmäßig den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Methodisch werden dabei mehrere Erhebungen der vergangenen Jahre zueinander ins Verhältnis gesetzt. Für die jetzt vorliegende neue Erhebung (https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/umfrage-februar-2022-erschoepfte-gesellschaft-all _blank external-link-new-window) wurden im Februar 2022 rund 1.000 Personen online befragt.

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