Umfrage zum Versorgungsalltag

Die Perspektive der Patienten

pr
Welche Rolle spielen Haus- und Facharzt? Wo sind die Unterschiede zwischen Bereitschaftsdienst und Notfallambulanz? Was halten Patienten von der Kommunikation mit ihrem Arzt und wie nutzen sie das Internet? Antworten dazu gibt eine neue Untersuchung im Auftrag der KBV, die die Sichtweisen und Erfahrungen von Patienten im Versorgungsalltag beleuchtet.

Die Untersuchung „Patientenperspektiven 2017“ fand ergänzend zur jährlichen repräsentativen Versichertenbefragung der KBV statt, die Ende August der Presse in Berlin vorgestellt wurde. Die qualitative Untersuchung wurde von der Patientenprojekte GmbH unter Leitung ihres Geschäftsführers Dr. Sebastian Schmidt-Kaehler durchgeführt. Sie skizziert die Sichtweisen von Patienten über versorgungsrelevante Themen – auf Basis von geführten Gruppendiskussionen.

Hier die Kernergebnisse:

  • Selbstbehandlung und Zuwartung:Eine Gruppe von Teilnehmern gab an, gerade bei leichteren Beschwerden nicht direkt zum Arzt zu gehen, sondern zunächst abzuwarten und gegebenenfalls auf Hausmittel zurückzugreifen. Diese Gruppe vertritt die Auffassung, dass nicht alle gesundheitlichen Probleme ärztlicher Hilfe bedürfen.Eine ebenso große Gruppe von Teilnehmern konsultiert auch bei leichten Beschwerden einen Arzt, um eine schwerwiegende Erkrankung auszuschließen. Ein häufig angeführter Grund war die Notwendigkeit, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorlegen zu müssen.

  • Hausarzt:In Bezug auf die Hausärzte gab es in den Diskussionen unterschiedliche Rollenzuschreibungen. Eine größere Gruppe betrachtet den Hausarzt als zentrale Anlaufstelle und Eingangstor in das Gesundheitssystem. Ein besonderer Stellenwert kommt dem ausgeprägten Vertrauensverhältnis zu.Eine kleinere Gruppe von Teilnehmern sucht dagegen Allgemeinmediziner nur bei bestimmten Indikationen oder Beschwerdebildern auf. Gleichzeitig nehmen diese fachärztliche Leistungen auch direkt, ohne Überweisung in Anspruch. In der Untersuchung wird dazu angemerkt, dass medizinische Befunde und Informationen bei diesen Personen an keiner zentralen Stelle zusammenlaufen oder gespeichert werden.Das Ausstellen von Attesten und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stellt aus Sicht der Teilnehmer sehr häufig den primären Anlass für den Besuch beim Hausarzt dar – ohne dass aus Patientensicht ein wirklicher Behandlungsbedarf vorlag. Besonders häufig war dies im Kontext grippaler Infekte.

  • Facharzt:Hier lassen sich zwei unterschiedliche Zugangsstrategien beschreiben. Eine hausärztlich orientierte Gruppe sucht einen Facharzt in der Regel nur dann auf, wenn eine entsprechende Überweisung des Hausarztes ausgestellt wurde.Die zweite Gruppe wendet sich direkt an den Facharzt, wenn sich die Beschwerden – nach eigenem Ermessen – einer medizinischen Fachrichtung zuordnen lassen. Dabei folgt diese Gruppe offenbar der Annahme, dass eine fachärztliche Behandlung grundsätzlich die hochwertigere Versorgungsvariante darstellt.

  • Bereitschaftsdienst der KV:Die Mehrheit der Teilnehmer gab an, den Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen und die Rufnummer 116117 nicht zu kennen. Auf Rückfrage waren die Notdienstpraxen in den einzelnen Regionen aber durchaus bekannt. Die Befragten konnten diese jedoch nicht den KVen zuordnen.Viele Teilnehmer hatten große Schwierigkeiten, einzuschätzen, wann sie den Bereitschaftsdienst und wann die Notfallambulanz eines Krankenhauses nutzen sollen. Einigen war überhaupt nicht bekannt, dass eine Notfallversorgung im ambulanten wie im stationären Sektor existiert. Verwirrung entstand auch dann, wenn der Bereitschaftsdienst räumlich im Gebäude eines Krankenhauses untergebracht war.Diejenigen, die schon einmal den Bereitschaftsdienst in Anspruch genommen haben, schilderten meist positive Erfahrungen. Das gilt vor allem für solche Regionen, in denen neben Notfallpraxen auch ein Fahrdienst angeboten wird.Kritiker thematisierten eine fehlende Spezialisierung der im Bereitschaftsdienst tätigen Ärzte sowie eine begrenzte Verfügbarkeit medizinischer Geräte.

  • Notfallambulanz im Krankenhaus:Viele Teilnehmer beschrieben ein eher düsteres Bild der Notfallambulanzen mit sehr langen Wartezeiten, mangelnder Hygiene und einer wenig patientenfreundlichen Kommunikation. Sie gaben an, die Notfallambulanz eines Krankenhauses nur im Ausnahmefall zu nutzen – etwa bei lebensbedrohlichen Zuständen.Andere wiederum lobten die diagnostischen Möglichkeiten wie auch die fachärztliche Versorgung rund um die Uhr. Sie gaben häufig an, die Notfallambulanz auch mit leichteren Beschwerden in Anspruch zu nehmen – zum Teil auch, um den Gang zu unterschiedlichen niedergelassenen Fachärzten zu ersparen oder keine zeitlichen Einschränkungen während der Arbeitszeit hinnehmen zu müssen.

###more### ###title### Was noch besser werden muss ###title### ###more###

Patientenperspektiven 2017 Wie tickt der Patient?

Bei der Umfrage im Auftrag der KBV ging es – im Gegensatz zur KBV-Versichertenbefragung – nicht darum, bevölkerungsrepräsentative Aussagen zu generieren. Vielmehr ging es darum, Einstellungen und Handlungsmuster von Patienten zu erschließen. Dazu wurden 32 Teilnehmer in vier Gruppen in Hamburg, Münster, Dresden und München befragt, und zwar auf Basis eines einheitlichen Gesprächsleitfadens mit Gruppendiskussion.

  • Notruf 112:Auch hier zeigte sich ein geteiltes Bild: Eine Gruppe wählt den Notruf nach eigenen Angaben nur im äußersten Notfall, etwa beim Verdacht auf einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall.Einzelne Teilnehmer schilderten hingegen Nutzungsmuster, die im Sinne einer Fehlnutzung interpretiert werden können, etwa zur Verkürzung der Wartezeiten oder als telefonische Beratung bei gesundheitlichen Problemen.

  • Gesundheitskompetenz und Kommunikation:Während sich die Teilnehmer insgesamt mit der Sprache und der Ausdrucksweise ihrer niedergelassenen Ärzte zufrieden zeigten, wünschte sich die Mehrheit dennoch ausführlichere Informationen und mehr Zeit für Kommunikation.Anders im Krankenhaus: Hier berichteten die Teilnehmer von einer unzulänglichen Kommunikationspraxis und wünschten sich einen respektvolleren Umgang. Verständnisschwierigkeiten beschrieben sie bei der Lektüre von Arztbriefen. Dabei gaben die meisten an, diese zu lesen, obwohl ihnen dies eigentlich nicht zusteht.Auch bei weiteren Feldern beschrieben die Teilnehmer Verständnisschwierigkeiten. Dies betraf insbesondere den Schriftverkehr der Krankenkasse oder Anträge und Formulare der Kostenträger. Weitere Bereiche betrafen die Interpretation von Laborwerten, die Deutung von Häufigkeitsangaben in Packungsbeilagen oder die Angabe von Gebührenziffern und Steigerungssätzen in privatärztlichen Rechnungen.

  • Nutzung des Internets:Für die meisten Teilnehmer war die Nutzung des Internets in Gesundheitsfragen eine Selbstverständlichkeit, für einen Großteil war Google dabei der zentrale Ausgangspunkt. Ein häufiger Nutzungsanlass war die Nachbereitung eines Arztbesuchs, aber auch bereits im Vorfeld eines Arztbesuchs suchen viele nach möglichen Diagnosen, fragen Zweitmeinungen nach, vergleichen Ärzte und Krankenhäuser und tauschen Erfahrungen mit anderen Betroffenen aus.Der größte Teil der Nutzung erfolgt nach Angaben der Teilnehmer „heimlich“, das heißt, die behandelnden Ärzte werden weder über die Nutzung informiert noch werden sie mit den Ergebnissen einer Recherche konfrontiert. Viele Teilnehmer beklagten die unüberschaubare Informationsflut und den hohen Anteil werblicher Informationen im Netz und wünschen sich mehr Möglichkeiten und Unterstützung bei der Suche nach seriösen Quellen.

KBV-Versichertenbefragung Was noch besser werden muss

Zentrale Ergebnisse der KBV-Versichertenbefragung von 6.000 Patienten:

  • 90 Prozent der Befragten haben das Vertrauensverhältnis zu ihren Ärzten mit „gut“ bis „sehr gut“ bewertet.

  • Sehr gute Noten erhielt auch die Kommunikation.

  • Die Zahl der Arztbesuche steigt, mehr Versicherte müssen auf Termine in Arztpraxen warten und es gibt weniger Unterschiede bei den Wartezeiten zwischen GKV- und PKV-Patienten.

  • Ein Großteil der Patienten informiert sich vor und nach dem Arztbesuch im Internet, wünscht sich aber zuverlässigere Informationsquellen.

  • Die bundesdeutsche Bereitschaftsdienstnummer 116117 muss bekannter gemacht werden. Zu viele Patienten gehen in die Notfallambulanz, obwohl sie keine Notfälle sind.

Mehr unter:https://www.zm-online.de/news/politik/vertragsaerzte-ziehen-pkv-versicherte-nicht-vor/ - external-link-new-window

 

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.