Deutsches Krebsforschungszentrum

„Die politische Einflussnahme der Tabakindustrie ist alarmierend“

mg
Deutschlands Maßnahmen gegen den Einfluss der Tabakindustrie auf gesundheitspolitische Entscheidungen sind unzureichend. Das zeigt ein aktueller Bericht des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

Deutschlands Werte haben sich im Vergleich zu den Vorjahren weiter verschlechtert – von 63 negativen Punkten im Jahr 2020 über 68 Punkte im Jahr 2021 auf 70 Punkte in diesem Jahr, teilt das DKFZ mit. Deutschland steht nun international auf Platz 67 von 90 untersuchten Staaten.

„Nach wir vor sterben in Deutschland jedes Jahr etwa 127.000 Menschen durch die abhängig und krankmachenden, oft tödlichen Produkte und Praktiken der Tabakindustrie“, schreibt das DKFZ. Entscheidende Bereiche wie Tabakbesteuerung, Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring sowie Verfügbarkeit der Tabakprodukte seien dabei „nach wie vor unzureichend reguliert.“

Mindestens 90 Lobbyistinnen und Lobbyisten arbeiten für die Tabakindustrie

„Die Regierung zeigt keine Bereitschaft, eine wirksame Firewall gegen den Einfluss der Tabakindustrie zu errichten und damit die Bevölkerung vor den gesundheitsschädlichen Produkten und Praktiken der Tabakindustrie zu schützen‟, kommentiert Laura Graen, federführende Autorin des Tabaklobby-Index und Mitarbeiterin der Stabsstelle Krebsprävention am DKFZ, die Ergebnisse. Das stehe internationalen Vereinbarungen entgegen, denn Deutschland habe bereits 2004 das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (WHO FCTC) ratifiziert, das dazu verpflichtet, gesundheitspolitische Entscheidungen vor dem Einfluss der Tabakindustrie zu schützen (Artikel 5.3 des Abkommens).

Auf 40 Seiten zeigt der aktuelle Tabaklobby-Index, in welcher Form und in welchem Ausmaß die Tabakindustrie Einfluss auf politische Entscheidungsträger in Deutschland nimmt. Die Zielgruppen für diese Einflussnahme reichen von der Referatsebene bis hin zum Bundespräsidenten. Mindestens 90 Lobbyistinnen und Lobbyisten und ein Budget von mehr als sechs Millionen Euro pro Jahr ermöglichen es der finanzstarken Tabakindustrie, sich in die Politikgestaltung einzumischen und ihre Interessen zu verfolgen, führt der Bericht aus.

Es gibt keinen Verhaltenskodex für Staatsbedienstete

Gleichzeitig gebe es keinen Verhaltenskodex, der Staatsbediensteten Standards für ihre Interaktionen mit der Tabakindustrie vorgibt. Kontakte mit der Tabakindustrie sind weitgehend intransparent, und das Sponsoring politischer Parteien und öffentlicher Einrichtungen durch die Tabakindustrie ist nach wie vor zulässig.

„Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung eine umfassende nationale Tabakkontrollstrategie mit dem Ziel eines tabakfreien Deutschlands im Jahr 2040 verabschiedet“, fordert das DKFZ. Ein Konzept für ein Maßnahmenpaket liege bereits vor. Im Jahr 2021 entwickelte eine Arbeitsgruppe von Fachleuten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040, die von mehr als 50 Gesundheits- und zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt wird.

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