Ein Plädoyer für gemeinsame Werte
"Europa braucht wieder mehr Bewegung für seine gemeinsamen Vorstellungen und Werte - ohne die geht es nicht", sagte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel in seinem Eingangsstatement. Auch Deutschland müsse seine Rolle in der EU neu gestalten, gerade in Zeiten nationaler Alleingänge anderer Staaten.
"Europa braucht wieder mehr Bewegung!"
Der Europapolitik komme auch im Koalitionsvertrag eine besondere Rolle zu. Engel verwies darauf, dass Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und gemeinsam mit Portugal und Slowenien eine sogenannte Triopräsidentschaft bilden werde.
Für die Veranstaltung hatte die BZÄK zwei Bereiche herausgegriffen, die dem Berufsstand auf europäischer Ebene besonders wichtig sind: die Binnenmarkts- und die Gesundheitspolitik.
Engel rief dazu auf, die Freien Berufe zu schützen. "Der Zahnarztberuf in Deutschland definiert sich nicht allein über das rein wirtschaftliche Eigeninteresse, sondern auch in der Verantwortung für die Zahngesundheit für unsere Gesellschaft.", sagte er.
Der Zahnarztberuf definiert sich auch in der Verantwortung
Als besonders wichtig erachtete er, dass die Arbeit des Zahnarztes nicht durch immer neue Deregulierungsdebatten von europäischer Ebene aus geschwächt werden dürfen: "Wir wehren uns dagegen, dass Berufsrecht in erster Line unter ökonomischen Aspekten bewertet werden soll. Wir als Bundeszahnärztekammer sehen den Ansatz, Wirtschaftswachstum durch den Abbau von Regulierung zu stimulieren, kritisch. Denn es besteht die Gefahr, dass am Ende nur einmalige Beschäftigungseffekte generiert werden, ohne die Folgekosten und negativen Auswirkungen für Verbraucher und Patienten zu kalkulieren."
Engel ging auch auf den EU-Richtlinienentwurf für einen Verhältnismäßigkeitstest ein: "Auch wenn es keine politische Mehrheit für die von uns Heilberuflern gemeinsam geforderte Ausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie gab, freut es uns doch, dass der europäische Gesetzgeber die Gesundheitsberufe und deren Bedeutung in der Richtlinie ausdrücklich herausgehoben und verankert hat."
Die große Herausforderung: der digitale Wandel
Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung, sprach sich für den Erhalt der Freien Berufe und für die Sicherung von Qualitätsstandards auf europäischer Ebene aus: "Bei all den Aufgaben und Herausforderungen gilt es, das Spannungsfeld zwischen stärkerer Harmonisierung und besserer Ressourcennutzung einerseits und den nationalen Kompetenzen und Interessen andererseits aktiv zu gestalten. Das wird die zentrale Aufgabe der Bundesregierung sein."
Als große Herausforderung sah er den digitalen Wandel an, dieser mache auch vor der Gesundheitsbranche nicht Halt. Als wichtigen Schritt hierzu verwies er auf das zu erwartende zweite E-Health-Gesetz.
Hirte griff eine Mitteilung der EU-Kommission zur Digitalisierung des Gesundheitswesens auf, die Ende April veröffentlicht wurde. Darin benennt die Kommission drei Schwerpunkte: den Zugang der Bürger zu elektronischen Patientenkaten und Rezepten, die Förderung grenzüberschreitender Dateninfrastrukturen für eine verbesserte Forschung und Prävention sowie eine bessere patientenorientierte und sektorenübergreifende Versorgung. Deutschland unterstütze grundsätzlich die europäischen Initiativen, auch wenn im Detail noch viele Fragen zu klären seien, unterstrich Hirte.
Welche Rolle übernimmt die neue Bundesregierung?
In zwei Paneldiskussionen wurden die Themen weiter vertieft. In welche Richtung könnte sich der gemeinsame Binnenmarkt in den kommenden Jahren entwickeln? Welche Rolle übernimmt die neue Bundesregierung dabei? Was sind die Probleme und Herausforderungen? Darum ging es in Panel 1. Es diskutierten - unter Moderation von Hendrick Kafsack, Brüssel-Korrespondent der FAZ - Prof. Dr. Winfried Kluth, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht der Universität Halle-Wittenberg und Vorsitzender des Instituts für Kammerrecht, Richard Kühnel, Leiter der EU-Kommission in Deutschland, und Dr. Björn Demuth, Vizepräsident des Bundesverbandes der Freien Berufe.
Trotz aller Unterschiede bestehen im Gesundheitsbereich eine Reihe von gemeinsamen Herausforderungen, die sich in allen EU-Mitgliedsstaaten ähnlich zeigen. Dazu gehört die Zunahme nicht übertragbarer Krankheiten, die Demografie, die Digitalisierung, die Mobilität von Angehörigen der Gesundheitsberufe oder der steigende Kostendruck innerhalb der Gesundheitssysteme. Die EU-Initiativen im Gesundheitsbereich treffen keineswegs auf homogene Gesundheitssysteme in den Mitgliedgliedstaaten.
28 höchst unterschiedlich ausgeprägte nationale Systeme
Die 28 nationalen Systeme sind vielmehr höchst unterschiedlich ausgeprägt. Vor diesem Hintergrund diskutierten in Panel 2 Annika Nowak, Mitglied des Kabinetts des EU-Gesundheitskommissars Vytenis Andriukaitis, EU-Kommission, Dr. Georg Kippels, MdB CDU, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages, Dr. Irene Keinhorst, Leiterin des Referats EU-Ratspräsidentschaft im Bundesministerium für Gesundheit, Dr. Matthias Wismar, European Observatory on Health Systems and Policies, und BZÄK-Präsident Engel.