Ein trauriger Tag für die Selbstverwaltung
Der Entwurf zum GKV-Selbstverwaltungstärkungsgesetz (GKV-SVSG) stieß bei der Anhörung im Bundestags-Gesundheitsausschuss auf breite Ablehnung. Die einhellige Meinung: Tritt das Gesetz in Kraft, führe dies zu einer Schwächung der Selbstverwaltung und enge deren Handlungsspielräume erheblich ein. Die KZBV hatte Gelegenheit, zu konkreten Fragen Stellung zu beziehen - allerdings nur sehr kurz.
Nur fünf Minuten für einen komplexen Sachverhalt
Eßer fasst zusammen: "Insgesamt nahmen sich die Parlamentarier nur 90 Minuten Zeit, um den geladenen 15 Sachverständigen der Selbstverwaltungskörperschaften und den drei Einzelsachverständigen Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf zu geben, mit dem die Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen bis an die Grenzen des Vertretbaren geschwächt werden wird. Lediglich 5 Minuten und 30 Sekunden wurden der KZBV zur Beantwortung konkreter Fragen zur Verfügung gestellt. Mein Eindruck hat sich heute verfestigt, dass die Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen zukünftig kaum noch auf Unterstützung der Politik rechnen darf. Ein insgesamt sehr trauriger Tag."
"Die namentliche Abstimmung ist hochproblematisch"
Der Vorsitzende der KZBV-Vertreterversammlung, Dr. Karl-Friedrich Rommel, wurde zu zwei Sachverhalten befragt. Zum einen, wie er die im Gesetzesentwurf geplante Regelung bewerte, dass bei haftungsrechtlicher Bedeutung des Abstimmungsverhaltens die Vertreterversammlung immer namentlich abstimmen soll. Rommel antwortete, er halte die verbindliche Anordnung der namentlichen Abstimmung für hochproblematisch. Sie verletze demokratische Grundsätze und sei verfassungsrechtlich bedenklich. Die gesetzliche Anordnung sei mit der Freiheit des Mandats nicht vereinbar. Aufgrund der Haftungsrisiken sei ein Defensivverhalten der VV-Mitglieder und damit eine Lähmung der Selbstverwaltungstätigkeit der VV zu befürchten. Die KZBV plädiere dafür, auf die Regelung ganz zu verzichten. Sollte daran festgehalten werden, sollte sie sich auf Verträge von wirtschaftlicher Bedeutung wie Grundstücks- oder Vorstandsdienstverträge beschränken.
Rommel wurde zum anderen gefragt, warum die KZBV die geplante Änderungen zur Verbesserung der Transparenz ablehnt. Hohe Standards in der Verwaltungsorganisation sowie von internen Transparenzpflichten und Kontrollmechanismen erachte die KZBV als Selbstverständlichkeit, erklärte Rommel dazu. Verantwortungsvolles Verwaltungshandeln sei für die KZBV immer höchstes Gut und Richtschnur für ihr Handeln. Die VV sei über Angelegenheiten der Körperschaft anlässlich der VV-Sitzungen bereits jetzt informiert, auch in schriftlicher Form.
Der KZBV-Vorsitzende Eßer nahm Stellung zu der Frage, wie die KZBV den Bundestagsbeschluss zur Einräumung von Prüfrechten für den Bundesrechnungshof bewerte. Eßer wies den Antrag entschieden zurück, KZVen und die KZBV unterlägen bereits jetzt einem engmaschigen Netz von Aufsichtsmaßnahmen. Eine unkoordinierte Prüfung identischer Sachverhalte von verschiedenen Prüfungseinrichtungen führe notwendigerweise zu divergierenden Ergebnissen, die mit keinem zusätzlichen Erkenntnisgewinn verbunden wären, führte er aus. Parallele Prüfverfahren führten überdies zu unwirtschaftlichen Aufwendungen, die es zu vermeiden gelte.
Von vornherein keine Absicht, unsere berechtigten Anliegen ernst zu nehmen
"Insgesamt", so Eßers Quintessenz, "soll die Anhörung bei den betroffenen Körperschaften lediglich den Anschein erwecken, es bestünde noch eine Möglichkeit zu einem echten Dialog mit der Politik. Allein der zeitlich vorgegebene Rahmen macht es angesichts des Umfangs und der Tragweite der vorgesehenen gesetzlichen Maßnahmen allerdings bereits unmöglich, eine inhaltlich differenzierte und auf alle relevanten Punkte abzielende Kritik vorzubringen. Stattdessen lässt diese Anhörung erkennen, dass der Gesetzgeber von vornherein nicht mehr beabsichtigt, unsere berechtigten Anliegen ernst zu nehmen und das geplante Gesetz noch einmal einer gründlichen Prüfung zu unterziehen."
Selbstverwaltung degradiert zum Feigenblatt von Staatsmedizin
Eßer weiter:"Unsere Position zu dem Vorhaben ist daher unverändert klar: Wir appellieren an den Gesetzgeber, den Gesetzentwurf vollständig zurückzuziehen, zumindest aber eine praxistauglichere Ausgestaltung der vorgesehenen Maßnahmen vorzunehmen. Das GKV-SVSG mit seinen kleinteilig ausgearbeiteten Regelungen fügt dem bislang erfolgreich funktionierenden System der Selbstverwaltung in Deutschland erheblichen Schaden zu und beeinträchtigt das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Körperschaften und Aufsicht. Wenn aber am Ende ein Gesetz von der Politik gewollt ist, dass die Selbstverwaltung zum Feigenblatt von Staatsmedizin degradiert, dann sollte sie konsequenter Weise auch Farbe bekennen und die Fachaufsicht einführen oder besser noch eine Regulierungsbehörde im Gesundheitswesen schaffen. Damit verbunden wäre dann endlich, dass die Politiker auch alle Entscheidungen zu verantworten haben, für die heute die Selbstverwaltung den Kopf hinhalten und als Prügelknabe herhalten muss.“