Endet hier die Schweigepflicht?
E. G., ein 35-jähriger Patient, ist zum ersten Mal in der Sprechstunde der Zahnärztin Dr. K. M. Er kommt auf Empfehlung seiner 31-jährigen Ehefrau D. G., die dort seit vielen Jahren Patientin ist. Die Zahnärztin nimmt die Erstuntersuchung vor und stellt rasch fest, dass der Mann unter einer massiven Parodontitis leidet. Zudem diagnostiziert sie eine leichte Candidiasis im Bereich des hinteren Gaumens und multiple - den Angaben des Patienten gemäß rezidivierend auftretende - Aphthen. Die Zahnärztin erstellt einen Behandlungsplan, der unter anderem eine systematische PAR-Behandlung mit einzelnen parodontalchirurgischen Maßnahmen vorsieht.
Der Anamnesebogen ist nur unvollständig ausgefüllt
Da der Patient den Anamnesebogen nur unvollständig ausgefüllt hat, geht die Zahnärztin den Bogen Punkt für Punkt durch, um die Angaben zu komplettieren. Bei der Frage nach einer möglichen HIV- oder Hepatitis-Infektion weicht er aus. Sie bohrt nach und verweist auf die Tatsache, dass derartige Angaben besonders wichtig sind, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine "blutige" Behandlung geplant sei.
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Daraufhin gibt E. G. an, HIV-positiv zu sein. Aus dem weiteren Gesprächsverlauf ergibt sich, dass seine Ehefrau von der Infektion nichts weiß und sie der Gefahr aussetzt, sich anzustecken. Auch glaubt sich die Zahnärztin zu erinnern, dass ihr die Ehefrau bei einem früheren Behandlungstermin berichtete, die "Familienplanung" sei noch nicht abgeschlossen.
Die sogenannte Garantenpflicht
In diesem Fall hat der Behandler gegenüber der Frau des Patienten eine sogenannte Garantenpflicht, weil sie auch von ihm behandelt wird. Hier muss er sogar seine Schweigepflicht gegenüber dem Mann brechen und der Frau von der HI-Infektionen ihres Gatten berichten, wenn er dies nicht selbst tut. Dafür sollte der Behandler dem Gatten zuvor eine zeitliche Frist gesetzt haben. Dieses Vorgehen stellt keine Einmischung in die private Angelegenheit des Ehepaars dar, da die Frau bisher ahnungslos einer Gefährdung ausgesetzt war, die für sie sogar lebensbedrohlich werden könnte.
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In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: VI ZR 179/04) heißt es dazu wörtlich: „Bei dieser Erkrankung trägt die Behandlungsseite in besonderem Maße Verantwortung dafür, eine Verbreitung der lebensgefährlichen Infektion möglichst zu verhindern.“
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Die Tatsache, dass viele Patienten nicht von ihren Infektionserkrankungen wissen oder dem behandelnden Zahnarzt nicht mitteilen, bedingt, dass alle Patienten so behandelt werden müssen als ob sie infektiös wären.