EU-Medizinprodukte: Alles Richtung Patientenschutz
Im Vorfeld hatten die Fraktionen 30 Kompromissanträge ausgearbeitet, um die Flut von über 900 Änderungsanträgen einzudämmen. Am Ende nahm der federführenden Ausschuss für Umwelt und Gesundheit des Europäischen Parlaments (ENVI) den Bericht von Dagmar Roth-Behrendt (SPD) mit großer Mehrheit an, allerdings konnte sie ihre Forderung nach einem zentralen europäischen Zulassungsverfahren für Medizinprodukte mit „höchsten potenziellen Risiken“ nicht durchsetzen. Vielmehr wird es, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, beim bisherigen Konformitätsverfahren bleiben.
Unangemeldete Kontrollen
Um die Patientensicherheit zu erhöhen, billigten die Abgeordneten jedoch eine Reihe von verschärfenden Maßnahmen. So soll es mehr Prüfungen der Medizinprodukte nach deren Markteinführung geben. Dazu gehören etwa unangemeldete Kontrollen in den produzierenden Betrieben. Außerdem sollen sich die Stellen, die besonders riskante Produkte prüfen, einer verschärften Kontrolle und Zertifizierung durch die europäische Arzneimittel-Agentur unterziehen.
Kein Ausweis für Zahnimplantate
Besonderes Augenmerk nahm das Thema Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten ein. Medizinprodukte sollen künftig mit Hilfe einer Medizinproduktenummer, kurz UDI (Unique Device Identification), unverkennbar zuzuordnen sein. Die Abgeordneten bestätigten damit die ursprünglichen Vorschläge der Europäischen Kommission.
Eine Medizinproduktenummer sollen die Artikel schrittweise erhalten, deren Risiko besonders groß ist. Außerdem soll es für bestimmte Produkte einen Implantatausweis geben. Ausdrücklich davon ausgeschlossen sind dabei zahnärztliche Implantate. Für sie ist kein Ausweis nötig.
Neue und detaillierte Regeln schlagen die Abgeordneten für die Wiederaufarbeitung von Medizinprodukten vor. So sollen grundsätzlich alle Medizinprodukte als wiederverwertbar angesehen werden, solange ein Hersteller nicht ausdrücklich auf der Verpackung vermerkt, dass das Produkt nicht wiederaufbereitbar ist.
Prüfmechanismus bei der Wiederaufbereitung
Um zu verhindern, dass Hersteller aus ökonomischen Erwägungen eine Wiederaufarbeitung ausschließen, soll es einen gemeinschaftsweiten Prüfmechanismus geben, bei dem die EU- Kommission nach Rücksprache mit Experten eine Liste mit den Medizinprodukten veröffentlicht, die wiederaufbereitet werden können. Die Einrichtung, die ein Medizinprodukt aufbereitet, soll dabei grundsätzlich als Hersteller des Medizinprodukts mit allen Rechten und Pflichten gelten.
Entgegen der Vorschläge der Kommission stimmten die Abgeordneten dafür, dass nicht alle Medizinprodukte, die Nanomaterialien absondern, unter die höchste Risikoklasse III fallen. Stattdessen soll jene nur für solche Medizinprodukte gelten, die die Freisetzung von Nanomaterialien ausdrücklich beabsichtigen.
Bisherige Regeln werden verschärft
Das Abstimmungsergebnis im ENVI folge in groben Zügen den Vorschlägen der EU-Kommission, die im Grunde die Beibehaltung des bisherigen Systems vorgesehen hatte - flankiert durch einige verschärfende Maßnahmen, analysierte das Brüsseler Büro der Bundeszahnärztekammer die Ergebnisse.
Im Vorfeld der Abstimmung hatte es ein zähes Ringen um die Kompromissanträge gegeben. Die sozialdemokratische Berichterstatterin musste dabei von ihren Maximalforderungen abrücken. Umgekehrt mussten Konservative und Liberale Zugeständnisse machen. Die Reaktionen der Fachöffentlichkeit waren entsprechend zurückhaltend. Die gesetzlichen Krankenversicherer kritisierten, dass es kein europaweites Zulassungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte gibt. Der deutsche Verband der Medizinproduktehersteller warf den Abgeordneten vor, die Kompromisse mit „heißer Nadel“ gestrickt zu haben.
Forderungen der Zahnärzteschaft wurden erfüllt
Aus Sicht der Zahnärzteschaft und der Dentalindustrie sei es sehr erfreulich, dass wichtige Forderungen von CED und BZÄK Eingang in die Position des Europäischen Parlaments gefunden haben, heißt es bei der BZÄK in Brüssel. Dies betreffe in erster Linie die Klarstellung im Zusammenhang mit den Nanomaterialien und die Feststellung, dass der Implantatausweis nicht für zahnärztliche Implantate gilt.
Die weitere Entwicklung liegt nun in den Händen des Rates. Dabei zeichnet es sich jedoch ab, dass das Gesetzgebungsverfahren nicht rechtzeitig vor der Neuwahl des Europäischen Parlaments im Mai 2014 abgeschlossen werden kann, weil die Arbeit nur wenig vorangeschritten ist.
Die litauische Ratspräsidentschaft hatte auch mehrfach erkennen lassen, dass sie ihren gesundheitspolitischen Schwerpunkt nicht bei den Medizinprodukten setzen möchte. Dies könnte dazu führen, dass das Europäische Parlament das Gesetzgebungsverfahren nach der Neuwahl neu aufrollen muss.