EU-Wahl: Neue Köpfe und vertraute Gesichter
Unmittelbar nach der Wahl haben in Brüssel die Beratungen der Parteien begonnen. Die Bildung der Fraktionen wird in den Wochen ab dem 17. Juni stattfinden. Die konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments mit der Wahl des neuen Parlamentspräsidenten ist für den Zeitraum vom 1. bis 3. Juli in Straßburg vorgesehen. Der Leiter des Brüsseler Büros der BZÄK, Dr. Alfred Büttner, hat die Wahlergebnisse in einer ersten Analyse aus zahnärztlicher standespolitischer Sicht untersucht. Er hält es für positiv, dass viele der bisherigen deutschen Ansprechpartner in den unterschiedlichen Parteien der BZÄK erhalten geblieben sind.
Die hohen Verluste von CDU/CSU und FDP an Mandatsträgern bedeuteten aber auch, dass diese Parteien weniger einflussreiche Posten im Europäischen Parlament (EP) sowie in den Ausschüssen besetzen könnten. Dadurch gingen wichtige Ansprechpartner verloren, die in der Vergangenheit zahnärztliche Positionen mitgetragen hätten.
Geplant sei, dass die BZÄK spätestens nach der Besetzung der Ausschüsse mit allen deutschen Abgeordneten, die demokratische Parteien vertreten, den Kontakt sucht. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die neu gewählten Europaparlamentarier gelegt werden.
Europakritiker auf dem Vormarsch
Die BZÄK-Analyse geht detailliert auf das Wahlergebnis ein: Danach hat die Wahl deutliche Zugewinne für die europakritischen Kräfte am rechten und linken Rand des Parteienspektrums gebracht. Die europafreundlichen Gruppierungen beziehungsweise die Parteien, die im Kern pro-europäisch sind, konnten mehr als 75 Prozent aller Mandate für sich erringen. Damit wird es laut BZÄK den Europakritikern nicht gelingen, die Parlamentsarbeit gänzlich zu blockieren. Das Alltagsgeschäft des EP könnte jedoch durch die Bildung neuer Fraktionen am rechten Rand erschwert werden.
Nach den Vorgaben der Geschäftsordnung des EP müssen Fraktionen aus mindestens 25 Abgeordneten bestehen, die aus einem Viertel der EU-Mitgliedstaaten - das heißt aus sieben Staaten - kommen. So ist für die BZÄK wahrscheinlich, dass der rechtsradikale Front National, der Gewinner der Wahlen in Frankreich, gemeinsam mit anderen Kräften eine neue Fraktion von Europagegnern gründen wird.
Eine informelle große Koalition ist zu erwarten
Zwar konnten sich die Volksparteien insgesamt als stärkste Kraft behaupten, die strategische Mehrheit, die sie im alten Parlament zusammen mit Konservativen und Liberalen besaßen, ist jedoch nicht mehr gegeben. Sozialdemokraten und Grüne können ebenfalls keine eigene Mehrheit aufweisen. Daher ist davon auszugehen, dass eine informelle große Koalition von EVP und Sozialdemokraten die Geschicke des Parlaments in den kommenden fünf Jahren weitgehend bestimmen wird.
Aus Sicht der BZÄK ist bemerkenswert, dass die CDU/CSU im Vergleich zur alten Legislaturperiode von 42 Abgeordneten auf 34 Abgeordnete zurückgefallen ist. Die Reduzierung der deutschen Sitze von 99 auf 96 sowie die Abschaffung der Fünf- beziehungsweise Drei-Prozent-Hürde hätten dabei deutliche Spuren hinterlassen. Die CDU verliert fünf Mandate. Die CSU verliert drei Mandate und kann künftig nur noch fünf Abgeordnete ins EP entsenden. Damit werde der deutsche Einfluss in der EVP-Fraktion deutlich geschwächt.
och stärker sieht die BZÄK die Verluste bei der FDP, die statt zwölf nur drei Abgeordnete stellt. Die SPD kann - nicht zuletzt durch die Schützenhilfe des Spitzenkandidaten Martin Schulz - ihr schlechtes Ergebnis von 2009 von 23 auf 27 Sitze verbessern. Obwohl sie die Wahlergebnisse von 2009 halten konnten, fallen die Grünen von 14 auf elf Sitze und die Linke von acht auf sieben Sitze zurück.
Zahlreiche Ansprechpartner bleiben
Die personelle Zusammensetzung der CDU/CSU-Europaabgeordneten zeigt sich für die BZÄK erstaunlich konstant. Bei den 34 Vertretern der CDU/CSU gibt es nur vier Neuzugänge. Prominentester Vertreter ist der CDU-Spitzenkandidat David McAllister. Mit Norbert Lins (CDU Baden-Württemberg) und Jens Gieseke (CDU Niedersachsen) ziehen zwei ehemalige Assistenten von Europaabgeordneten in das EP ein. Der langjährige gesundheitspolitische Sprecher der EVP, Dr. Peter Liese (CDU Nordrhein-Westfalen) wurde wiedergewählt und dürfte in diesem Bereich weiter aktiv bleiben. Gleiches gilt für den binnenmarktpolitischen Sprecher der EVP, Dr. Andreas Schwab (CDU Baden-Württemberg).
Nicht wiedergewählt wurde der Sportmediziner Dr. Thomas Ulmer (CDU Baden-Württemberg), der in der Vergangenheit immer wieder gesundheitspolitische Themen aufgegriffen und zum Beispiel die Plattform Oral Health unterstützt hatte. Mit Dr. Angelika Niebler (CSU), Dr. Christian Ehler (CDU Brandenburg) und Rainer Wieland (CDU Baden-Württemberg) wurden drei Abgeordnete wieder gewählt, die sich in der Vergangenheit in Brüssel für die Freien Berufe eingesetzt hatten.
Viele Neuzugänge bei der SPD
Bei der SPD sind viele langgediente Abgeordnete in den Ruhestand getreten. Hier gibt es mit zehn Neuzugängen deutlich mehr Veränderungen als bei der CDU/CSU. Neu besetzt werden muss nach dem Abgang von Dagmar Roth-Behrendt die Funktion des Gesundheitsexperten bei der SPD. Die Aufgabe des binnenmarktpolitischen Sprechers dürfte weiterhin Evelyne Gebhardt ausfüllen.
Bei den Grünen gibt es nur zwei Neuzugänge. Interessant dürfte für die BZÄK werden, wer auf die für die Freien Berufe stets aufgeschlossene Binnenmarktexpertin Heide Rühle folgt, die nicht mehr zur Wahl angetreten war.
Dramatisch zeigen sich laut der BZÄK-Bilanz die Verluste bei der FDP. Die drei verbleibenden FDP-Abgeordneten Alexander Graf Lambsdorff, Gesine Meisner und Andreas Theurer gehörten schon dem alten EP an. Laut BZÄK ist zu befürchten, dass kein FDP-Abgeordneter mehr den für die BZÄK wichtigen Ausschüssen wie Gesundheit oder Binnenmarkt mehr angehören wird.
Die bayerische FDP-Abgeordnete Nadja Hirsch, die im September am 8. Europatag der BZÄK als Sprecherin teilgenommen hatte, verpasste mit Listenplatz 4 den Einzug in das EP nur knapp. Damit ist der deutsche Einfluss in der liberalen Fraktion, die die drittstärkte Kraft im Parlament darstellt, deutlich geschwächt, heißt es in der Analyse.
Bei den sieben Neuzugängen der AfD und den sieben Abgeordneten der Kleinstparteien bleibt laut BZÄK abzuwarten, welchen Fraktionen sie sich anschließen und in welchen Ausschüssen sie aktiv werden.