Experten deuten Korruptionsgesetz und Zahnarztnummer
Dass der Datenschutz in der Rechtsprechung schon seit Menschengedenken verankert ist, sehe man am Beispiel des Arztgeheimnisses, verdeutlichte der Justiziar der KZBV, Thomas Muschallik. Schon immer habe es Geheimnisse gegeben, die es zu schützen galt, versiegelte Briefe sicherten damals schon das Postgeheimnis.
Dabei gehe es früher wie heute um die wechselseitige Beschränkung der Regelungskompetenz zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen und dem öffentlichen Interesse. Diese Form der Güterabwägung im Sinne der Verhältnismäßigkeit spiele immer eine Rolle - auch in der Frage der Datenübermittlung.
Wie hier das Urteil des Bundessozialgerichts zu interpretieren ist, das die KZVB zur Übermittlung der unverschlüsselten Zahnarztnummer an die Krankenkassen im Zuge der Abrechnung verpflichtet, erläuterte Dr. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. Jeder Mensch habe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - also auch der Zahnarzt. Ausschlaggebend sei aber, dass die zahnärztliche Entscheidung laut Urteil nicht beeinträchtigt sei.
In diesem Fall "besteht ein sehr großes Interesse der Öffentlichkeit, dass der Arzt an der ordnungsgemäßen und kontrollierbaren Abrechnung mitwirkt", erklärte Weichert die Intention der Richter am BSG. "Die Regelung dient der Überprüfung der Abrechnung", führte er aus. "Und zur Abrechnung gehört die Plausibilitätskontrolle!" Das sei Weichert zufolge der Zweck des Urteils und die Intention des Gesetzgebers.
Nichtsdestotrotz seien die Krankenkassen ein "Datenmoloch mit Big Data". "Die Kassen haben irre Datenbestände und wir müssen aufpassen, dass sie mit den Patientendaten nicht wie im Selbstbedienungsladen umgehen." Die Möglichkeiten der Pseudonymisierung und der Anonymisierung seien überdies bei der Datenübermittlung nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft.
Über das von der Regierung geplante Korruptionsgesetz für Ärzte und Zahnärzte referierte Prof. Dr. Gerhard Dannecker vom Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht der Uni Heidelberg. "Das Gesetz kommt", stellte er klar. "Und zwar als Straftatbestand im Strafgesetzbuch." Allerdings würden zwei Sachverhalte vermischt: der Patientenschutz und der Konkurrenzschutz. Ziel sei einerseits der Schutz des Vertrauensverhältnisses zum Patienten, andererseits der Schutz des Wettbewerbs.
Außerdem werde die Berufsgruppe der Mediziner besonders herausgegriffen, obwohl es keine Ungleichbehandlungen geben dürfe. "Warum trifft es nur die Heilberufler, warum nicht alle?", fragte er und befand: "Das ist rechtspolitisch falsch!"
Laut Dannecker könnten Best-Practice-Regelungen seitens des Berufsstands hilfreich sein, um Standards zu setzen. "Diese Compliance-Regelungen liefern zwar keine Deutungshoheit im Strafrecht, haben aber dennoch großen Einfluss, weil sie der Konturierung der Pflichten dienen und zugleich Orientierungssicherheit schaffen, die rechtlich relevant ist."