Gemeinsames Musizieren vernetzt Gehirne
Tatsächlich bilden sich beim gemeinsamen Musizieren hirnübergreifende Netzwerke aus, wie Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin nun nachgewiesen haben.
Die Forscher haben die Hirnwellen von Gitarristen mithilfe von Elektroden verfolgt, während diese ein Duett spielten. Dabei stießen sie auf deutliche Unterschiede in der Hirnaktivität der Musiker, je nachdem ob die Musiker den Ton angaben oder sich am Rhythmus ihrer Kameraden orientierten.
Können Nervenzentren aus zwei Köpfen eine gemeinsame Handlung koordinieren?
Wenn Gitarristen im Duett spielen, synchronisiert sich die Aktivität ihrer Hirnwellen. Dies ist bereits seit 2009 bekannt. Jetzt sind die Forscher einen Schritt weiter gegangen und haben die Hirnaktivität von jeweils zwei Gitarrenspielern untersucht, die ein Musikstück mit zwei unterschiedlichen Stimmen wiedergaben.
Damit wollten sie herausfinden, ob die Synchronisation der Hirnwellen auch dann zustande kommt, wenn die beiden Gitarristen eben nicht genau Dasselbe spielten. Dann deutet das Phänomen nämlich auch darauf hin, dass Nervenzentren aus zwei separaten Köpfen eine gemeinsame Handlung zusammen koordinieren.
16 Duettpaare
Um diese Hypothese zu überprüfen, teilten die Psychologen 32 geübte Gitarristen in 16 Duettpaare ein und schlossen jeden Musiker an 64 Elektroden an. Damit leiteten die Forscher über den ganzen Schädel verteilt die Aktivität der Hirnwellen in den einzelnen Regionen ab. In diesem Zustand sollten die Probanden insgesamt 60 Mal eine Rondo-Sequenz aus der Sonate in G-Dur von Christian Gottlieb Scheidler wiederholen.
Führen und folgen
Dabei unterschieden sich die Aufgaben von zwei Duettanten jeweils ganz leicht: Sie mussten jeweils unterschiedliche Stimmen spielen, einer der beiden war dafür verantwortlich, dass beide gemeinsam einsetzten und ein gemeinsames Spieltempo einhielten. Einer übernahm also eine Führungsrolle, während der andere folgte.
Gleichschaltung der Hirmwellen
Dieser Unterschied spiegelte sich in den Ergebnissen der Hirnstrommessungen wider: "Die Gleichschaltung der Hirnwellen, die wir an einer einzelnen Elektrode gemessen haben, waren beim anführenden Spieler stärker ausgeprägt, und im Gegensatz zum Folgespieler vor allem schon vor dem Spielanfang vorhanden", sagt Johanna Sänger, die Erstautorin der Studie.
Insbesondere gilt dies für die Deltawellen, die im niederfrequenten Bereich unter vier Hertz liegen. "Dies könnte die Entscheidung des anführenden Spielers reflektieren, jetzt mit dem Spielen anzufangen", meint Sänger.
Kleine Netzwerke zwischen den Gehirnen
Auch die Kohärenz der Signale zwischen verschiedenen Elektroden eines Duettpaares analysierten die Wissenschaftler und kamen zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Die Signale der frontalen und der zentralen Elektroden zeigten während der Phasen, in denen die Musiker ihre Aktivität koordinieren mussten, also jeweils zu Beginn einer Sequenz, einen eindeutigen Zusammenhang. Und zwar nicht nur innerhalb des Kopfes eines einzelnen Spielers, sondern auch zwischen den Köpfen der beiden Duettpartner.
"Wenn Menschen Handlungen miteinander koordinieren, entstehen kleine Netzwerke innerhalb des Gehirns und bemerkenswerterweise auch zwischen den Gehirnen, besonders dann, wenn die gegenseitige Abstimmung wichtig ist, zum Beispiel beim gemeinsamen Spielbeginn", sagt Sänger.
Das deutet darauf hin, dass die hirnübergreifenden Netzwerke Bereiche der beiden Gehirne verbinden, die bereits zuvor mit sozialer Kognition und Musikproduktion assoziiert wurden. Solche hirnübergreifenden Netzwerke entstehen vermutlich nicht nur beim Musizieren.
Himwellen synchronisieren sich generell bei gemeinsamen Aktivitäten
"Wir gehen davon aus, dass Hirnwellen unterschiedlicher Personen sich auch dann synchronisieren, wenn Menschen ihr Handeln auf andere Weise koordinieren, etwa beim Sport, oder wenn wir miteinander kommunizieren", sagt Sänger.
Johanna Sänger, Viktor Müller und Ulman Lindenberger:Intra- and interbrain synchronization and network properties when playing guitar in duets. Frontiers in Human Neuroscience, 2012, doi: 10.3389/fnhum.2012.00312