Referentenentwurf zur Reform der Pflegeversicherung

Höhere Kosten – und höhere Leistungen

pr
Ab 1. Juli soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung steigen – um 0,35 Prozentpunkte. Das soll Mehreinnahmen von 6,6 Milliarden Euro im Jahr bringen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will Pflegebedürftige deutlich entlasten. Dazu hat er jetzt einen Referentenentwurf vorgelegt. Die gesetzliche Pflegeversicherung soll in zwei Schritten reformiert werden, heißt es dazu aus dem Bundesgesundheitsministerium. Zum 1. Juli 2023 soll die Finanzgrundlage stabilisiert werden. Das soll deutliche Leistungsverbesserungen bereits zum Januar 2024 ermöglichen. Und in einem zweiten Schritt sollen sämtliche Leistungsbeträge zum 1. Januar 2025 nochmals spürbar angehoben werden.

Der allgemeine Beitragssatz wird zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Das soll Mehreinnahmen von 6,6 Milliarden Euro im Jahr erzielen. Sollte die Liquidität der Pflegeversicherung kurzfristig gefährdet sein, soll die Bundesregierung künftig ohne Zustimmung des Bundesrates den Beitragssatz per Rechtsverordnung anpassen dürfen, heißt es in dem Entwurf weiter. Ein dauerhafter Steuerzuschuss ähnlich wie in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei nicht vorgesehen.

Entlastung von Menschen mit Kindern ist eingepreist

Beitragszahler müssen sich dann auch auf höhere Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung einstellen. So soll der gesetzliche Beitragssatz laut Referentenentwurf zum 1. Juli 2023 von jetzt 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent steigen. Der Beitrag für Kinderlose soll sich von 3,4 auf 4,0 Prozent erhöhen. Eltern mit mehr als einem Kind sollen laut Entwurf weniger belastet werden: Ihr Beitrag würde ab dem zweiten Kind wieder um 0,15 Prozentpunkte pro Kind gesenkt, die Entlastung soll aber auf maximal 0,6 Prozentpunkte begrenzt werden. Damit setzt das Ministerium ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 um, das Gericht hatte eine Beitragssatzdifferenzierung je nach Anzahl der Kinder gefordert.

Um die häusliche Pflege zu stärken, soll das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent erhöht werden. Auch ambulante Sachleistungsbeträge sollen dann um fünf Prozent angehoben werden. Auch die Zuschläge, die die Pflegekasse an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, werden erhöht. Für Kurzzeit- und Verhinderungspflege soll ein flexibel einsetzbarer Gesamtleistungsbetrag (Gemeinsamer Jahresbetrag)eingeführt werden. Die Vorpflegezeit bei der Verhinderungspflege entfällt. Neue Regeln soll es auch für das Pflegeunterstützungsgeld geben. Es kann künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden. Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert.

GKV-Spitzenverband kritisiert Pläne des BMG

Auch die Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende sollen verbessert werden. So soll in der stationären Pflege das Personalbemessungsverfahren durch weitere Ausbaustufen beschleunigt werden – unter Berücksichtigung der Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Ferner plant das Ministerium, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu fördern, vor allem zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf.

Die vorgesehene Höhe der Anpassung der Leistungsansprüche sei bei Weitem unzureichend, kommentierte der GKV-Spitzenverband die Pläne aus dem BMG. Sie bleibe hinter der erheblichen Kostenentwicklung deutlich zurück. Die geplanten Leistungsverbesserungen hält der Verband für sinnvoll. Das entspreche der Lebensrealität der Pflegebedürftigen und verbessere die Situation der Betroffenen. Aus dem AOK-Bundesverband kommentierte die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann: „Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel-Regierung nicht nur auf Leistungsverbesserungen, sondern auch auf eine dauerhafte finanzielle Stärkung der Sozialen Pflegeversicherung verständigt. Mit dem nun vorliegenden Referentenentwurf wird dieses Versprechen aber nicht eingelöst. Es fehlt die im Koalitionsvertrag zugesagte Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen durch den Bund.“

Unterdessen forderten Pflegekassen, Sozialverbände und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in einem gemeinsamen Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner Unterstützung aus Steuermitteln für die finanziell angeschlagene Pflegeversicherung. Die Finanzierung sei nicht ausreichend gesichert.

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