Japan: Parodontitis in der Edo-Zeit
Ein Forscherteam der Tokyo Medical and Dental University (TMDU) hat die die Zähne von 12 menschlichen Skeletten aus dem Japan der Edo-Zeit (1603 bis 1867) untersucht, die 1955 auf einem ehemaligen Friedhof in Tokio gefunden wurden. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Frontiers in Cellular and Infection Microbiology veröffentlicht.
Ziel dieser Studie war, die oralen Mikrobiome aus der Edo-Ära mit Entsprechungen moderner Proben zu vergleichen. Als Indikator zur Diagnose von Parodontalerkrankungen wurde der Knochenverlust bestimmt. Er wurde mithilfe von Mikro-CT-Aufnahmen gemessen, um die Skelette nicht zu zerstören.
"Früher mussten die Zähne aus dem Kieferknochen gezogen werden, um die Wurzellänge zu bestimmen und den Knochenverlust zu quantifizieren", berichtet Erstautor Takahiko Shiba. "Dank der Fortschritte in der Mikro-Computertomograpfie konnten wir jedoch den Knochenschwund genau messen, ohne die Zähne aus den Skeletten zu entfernen."
Fünf Skelette zeigten Anzeichen einer Parodontitis
Unerwarteterweise entdeckten die Forscher bei 5 der 12 Skelette (42 Prozent) aus der Edo-Ära eine Parodontalerkrankung. Somit scheint die Prävalenz von Zahnfleischerkrankungen bei den Menschen in der Edo-Ära ähnlich hoch gewesen zu sein wie in der heutigen Zeit: 37,3 Prozent der Japaner in den Vierzigern litten im Jahr 2005 an Zahnfleischerkrankungen. Die Stichprobengröße sei jedoch zu klein ist, um weitreichende Schlüsse zu ziehen, räumen die Autoren ein.
Der Rote Komplex wurde nicht nachgewiesen
Dennoch seien die bakteriellen Unterschiede zwischen den Genomen des alten Zahnsteins und denen moderner japanischer Proben bemerkenswert. So wurde beispielsweise ein Trio von Bakterienarten, das mit schweren Parodontalerkrankungen in Verbindung gebracht wird und als "Roter Komplex" (Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia und Treponema denticola) bekannt ist, in diesen alten Bakteriengenomen nicht gefunden. Dagegen betragen die Nachweisraten von P. gingivalis, T. forsythus und T. denticola in heutigen Proben von parodontalen Läsionen japanischer Erwachsener 75,5 Prozent, 69,8 Prozent beziehungsweise 72,6 Prozent, schreiben die Autoren [Shiba et al., 2021].
Die bakteriellen Netzwerke haben eine andere Struktur
Die Struktur der bakteriellen Netzwerke unterschied sich zwischen den Edo-Proben und den modernen Proben, was darauf hindeutet, dass die Beziehungen zwischen den Bakterienarten in den beiden Probengruppen unterschiedlich waren. Porphyromonas gingivalis, besser bekannt als Erreger der Parodontitis, war eine Kernart im bakteriellen Netzwerk der modernen Proben. Im Unterschied dazu könnten Eubacterium, Mollicutes und Treponema socranskii im bakteriellen Netzwerk der Edo-Proben von Bedeutung gewesen sein.
Insgesamt unterschied sich das orale Mikrobiom damals deutlich von dem von heute. Einen Grund hierfür sehen die Forschenden Änderungen in der Ernährung und im durch die Industrialisierung geprägten Lebensstil der Menschen. Genenerell lässt sich die dies vermutlich auf den Isolationismus der Edo-Ära zurückzuführen. Aus den Ergebnissen schlussfolgern die Autoren, dass sich die an der Parodontitis beteiligten Erreger im Laufe der Jahrhunderte gewandelt haben.
"Die Edo-Periode Japans ist für ihre strikte isolationistische Außenpolitik bekannt, in der es nur sehr wenige Kontakte zwischen Japanern und Ausländern gab. Diese Politik scheint sich in den von uns untersuchten oralen Mikrobiomen widerzuspiegeln, die sich von den modernen und alten westlichen Pendants unterscheiden. Somit wirft unsere Studie ein neues Licht auf die Evolution des oralen Mikrobioms und auf die Pathogenese der Parodontitis", resümiert Hiroaki Kobayashi, einer der Ko-Autoren.
Originalpublikation: Shiba T, Komatsu K, Sudo T, Sawafuji R, Saso A, Ueda S, Watanabe T, Nemoto T, Kano C, Nagai T, Ohsugi Y, Katagiri S, Takeuchi Y, Kobayashi H, Iwata T. Comparison of Periodontal Bacteria of Edo and Modern Periods Using Novel Diagnostic Approach for Periodontitis With Micro-CT. Front Cell Infect Microbiol. 2021 Sep 20;11:723821. doi: 10.3389/fcimb.2021.723821. PMID: 34616690; PMCID: PMC8488429.