Studie zu psychischen Auswirkungen der Pandemie

Jeder Vierte schwer Erkrankte leidet unter PTBS

LL/pm
Gesellschaft
Ein Viertel der schwer an COVID-19 Erkrankten entwickelt drei Monate nach der körperlichen Genesung eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie der Universität Duisburg-Essen.

Patienten, die aufgrund einer schweren COVID-Erkrankung intensiv-medizinischen behandelt werden, erleben dies oft als sehr bedrohlich. Die Erfahrung wird als unstrukturierte Emotion im Unterbewusstsein abgespeichert, in dessen Folge eine Intrusion ausgelöst werden kann. „Die Intrusion äußert sich wie ein Flashback, mit einem plötzlich einschießenden massiven Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, des Erlebens von Kontrollverlust”, erklärt Prof. Dr. Martin Teufel die Symptomatik, der als Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der LVR-Kliniken Essen die Studie leitet. Die Mediziner empfehlen den Betroffenen eine spezifische Behandlung anzubieten.

Psychischer Distress bei bis zu 65 Prozent

Ein weiteres zentrales Ergebnis der repräsentativen Studie: In den verschiedenen Phasen der Pandemie war erhöhter psychischer Distress bei bis zu 65 Prozent, erhöhte generalisierte Angst bei bis zu 45 Prozent, ausgeprägte Corona-Furcht bei 60 Prozent und vermehrte Depressivität bei bis zu 15 Prozent der Allgemeinbevölkerung nachweisbar. Besonders ab dem zweiten Lockdown im November stiegen hier die Zahlen noch einmal an.

„Ursachen dafür können der Wegfall von sozialen Kontakten, psychotherapeutischen Behandlungen und Aktivitäten sein, die aus depressiven Episoden heraushelfen”, erklärt Teufel. „Wenn Menschen sich über die Pandemie und das Coronavirus informiert fühlen und das Vertrauen in politische und gesellschaftliche Maßnahmen hoch ist, liegt eine niedrigere psychische Belastung vor.”

Aufgrund der umfangreichen Datenlage konnte festgestellt werden, welche Bevölkerungsgruppen besonders stark unter den psychischen Belastungen leiden. So sind Frauen, jüngere Menschen und Personen mit psychischen Vorerkrankungen wie Depression, Angst- oder Persönlichkeitsstörungen am häufigsten betroffen.

Corona-Leugner sind genauso ängstlich

Teufel und sein Team befragten im Rahmen der Studie auch 434 Skeptiker, die nicht an die Existenz des Coronavirus glauben. Unter diesen sogenannten Doubters lagen die Werte für depressive Symptome und generalisierte Angst viel höher als in der Allgemeinbevölkerung. Und obwohl diese Gruppe die Hygienemaßnahmen vermehrt ablehnt, liegt die Angst vor einer Corona-Infektion auf dem gleichen Niveau wie beim Rest der Bevölkerung. Dieses Paradoxon erklären die Wissenschaftler mit Verdrängungsmechanismen, die die Psyche stabilisieren. Die andere Bewältigungsstrategie - valide Informationen aufnehmen und verarbeiten - wird negiert.

Die Studienergebnisse wurden auf dem Deutschen Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie vorgestellt. In der repräsentativen Studie zu den psychischen Auswirkungen der Pandemie untersuchten die Wissenschaftler über 30.000 Personen fortlaufend von April 2020 bis März 2021.

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