"Kollateralschäden bei Privatversicherten"
Leserbrief zum Beitrag:„IQWiG-Vorbericht zu Parodontitistherapie: Das ist eine Gefahr für die Zahnmedizin“, zm 4/2017, S. 34–36.
„Das ist eine Gefahr für die Zahnmedizin“ titeln die „Zahnärztlichen Mitteilungen“ über den IQWiG-Vorbericht vom 16.01.2017 bezüglich der Parodontitistherapie. Der Gesetzgeber hatte 2004 entschieden, dass nur noch „evidenzbasierte“ Therapien Eingang in den Leistungskatalog der GKV finden sollten. Diese Entscheidung betrifft aber leider nicht nur die Arzneimittelversorgung, sondern auch ärztliche Therapieformen wie die zahnmedizinische Parodontitistherapie. Und dies nicht nur in der GKV, sondern auch in der PKV. Diese Auslegung der Evidenzbasierung greift in das gesamte Therapiespektrum der Zahnmedizin auch bei Privatversicherten ein. So belegt die eigene Erfahrung, dass auch altbewährte prothetische Therapien wie Brückenkonstruktionen von Privatversicherungen nicht als evidenzbasierte Therapien anerkannt werden und eine vertragsgemäße Teilerstattung bei Privatpatienten abgelehnt wird.
In einem konkreten Fall war eine 5-gliedrige Zirkonbrücke von der Kostenübernahme ausgeschlossen worden, weil keine „evidenzbasierten“ wissenschaftlichen Untersuchungen vorlägen; und die Ablehnung der Erstattung wird begründet mit dem „Leitlinienreport zur S3-Leitlinie“ [Prof. Kern, Dr. Meyer, 8/2014, Universitätskliniken Kiel], in welchem nur zu 3-gliedrigen verblendeten Zirkonoxidkeramikbrücken, nicht aber zu 5-gliedrigen Brücken dieser Art Stellung genommen wird, weil zur Vorgabe für Evidenz nicht genügend Studien vorlagen. Offensichtlich nimmt die Privatversicherung die Entscheidung des G-BA aus wirtschaftlichen Gründen zum Vorwand, eine vertragsgemäße Leistungspflicht der Privatversicherung abzulehnen.
Die „heckenschnittartige“ Entscheidung des G-BA für alle Therapieformen der Medizin und Zahnmedizin evidenzbasierte wissenschaft‧liche Wirksamkeitsnachweise strikt zu fordern, ist nicht sachgerecht und nicht durchführbar. Klinische Untersuchungen herkömmlicher Methoden sind auf Grund der mangelnden Datenlage schwieriger zu erstellen und wegen der vielen persönlichen, individuellen Parameter der Patienten weniger allgemein aussagekräftig. Das wirtschaftliche Interesse an klinischen Untersuchungen erprobter Therapieformen ist für Sponsoren gering. Oder gibt es evidenzbasierte Studien über die Therapieform der Extraktion, von totalen Prothesen oder von Krücken? Jahrzehntelange, erfolgreich tätige Berufserfahrung mit engagierter Fortbildungstätigkeit wird missachtet.
Im Ergebnis wird mit dem „IQWiG-Vorbericht“ eine weitere Deprofessionalisierung des selbständigen, freien Zahnarztberufes vorangetrieben und dieser Beruf in den Augen der Patienten desavouiert.
Der Kurzschluss, seit Jahrzehnten erfolgreich angewandte Methoden seien nicht zielführend und ungerechtfertigt, weil sie nicht evidenzbasiert positiv beschieden sind, ist nicht nur laienhaft und weltfremd.
Merke: Im deutschen derzeitigen Gesundheitssystem der ausschließlich „volkszentrierten“ Versorgungsformen kann es schon einmal zu „Kollateralschäden“ bei einzelnen Patienten kommen!
Dr. Hans-Joachim TascherHeusweiler
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