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Korruptionsverdacht: 1.000 Verfahren gegen Ärzte

mg/dpa
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Die Ärzteschaft sorgt sich wegen korrupter Kollegen um ihr Ansehen. Nach fast 1.000 Ermittlungsverfahren in den vergangenen Jahren fordert Ärztepräsident Montgomery mehr Ermittlungsrechte für die Ärztekammern.

Die Ärztekammern in Deutschland haben in den vergangenen Jahren fast 1.000 Ermittlungsverfahren gegen Mediziner wegen Korruptionsverdachts eingeleitet. Das sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, dem "Spiegel". "Wir kommen da auf 480 Ratiopharm-Fälle und fast 450 weitere Fälle."

Die Firma Ratiopharm soll jahrelang Ärzten Geld dafür bezahlt haben, dass sie den Patienten bevorzugt ihre Präparate verordnen. "Berufsrechtlich sind solche Zahlungen jedenfalls klar verboten", sagt Montgomery. Die Ärztekammern hätten 163 Ratiopharm-Ärzte bestraft, nachdem die Staatsanwaltschaften ihnen Akten zur Verfügung gestellt hatten. 

Das Pharma-Unternehmen betonte am Sonntag auf Anfrage, Ratiopharm nehme "seit vielen Jahren Abstand von sämtlichen vertriebsfördernden Maßnahmen, die von der Öffentlichkeit als unredlich empfunden werden könnten". Die beanstandeten Fälle stammten aus den Jahren 2002 bis 2005.

Montgomery forderte mehr Ermittlungsrechte für die Ärzte für solche Fälle. "Ich wäre sehr dafür, dass wir eine polizeiähnliche Funktion bekämen, damit wir sehr früh schon selbst durchsuchen und Akten beschlagnahmen können." Montgomery sprach sich gegen ein Spezialgesetz nur für Ärzte aus. Aber: "Gegen einen generellen Straftatbestand für Freiberufler hätten wir nichts."

Vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erntete Montgomery für diesen Vorstoß scharfe Kritik. "Korruption ist kein Kavaliersdelikt, dass die Ärzte untereinander regeln sollten", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz. "Korruptionsbekämpfung ist ein Fall für den Staatsanwalt und es ist an der Zeit, den allgemeinen Rechtsrahmen bei diesem Thema auch für niedergelassene Ärzte anwendbar zu machen. Da muss der Gesetzgeber ran."

Hintergrund: Der Bundesgerichtshof hatte vor wenigen Monaten entschieden, dass sich Ärzte, die Schmiergelder annehmen, nicht strafbar machen. Seither haben laut "Spiegel" bundesweit Staatsanwaltschaften ihre Ermittlungsverfahren gegen Ärzte wieder eingestellt. Deshalb könnten die Ärztekammern künftig auch kaum mehr auf Akten von Staatsanwaltschaften hoffen, um gegen diese Ärzte berufsrechtlich vorgehen zu können.

"Die Debatte ist ein Stachel in unserem Fleisch"

Im "Deutschen Ärzteblatt" erläuterte Montgomery: "Unser Kernproblem ist, dass wir kein Recht haben, uns Zutritt zu Akten, zu Wohnungen oder Praxen zu verschaffen. Dazu braucht es eine Änderung des Rechts." Denkbar seien gemeinsame Arbeitsgruppen von Ärzten aus den Ärztekammern und Staatsanwaltschaften, deren medizinische und juristische Expertise sich perfekt ergänzten. "Dann könnte man meines Erachtens sehr viel schneller zu guten Ermittlungsergebnissen kommen."

Montgomery kritisierte im "Spiegel" aber auch die gegenwärtige Debatte als populistisch. Derzeit stehe schon der Kugelschreiber, den ein Arzt geschenkt bekomme, im Ruch der Korruption. "Diese dauernde Korruptionsdebatte ist ein Stachel in unserem Fleisch, das beschädigt das Renommee meines Berufes und zwar massiv", sagte der Präsident der Bundesärztekammer.

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