Krisenresilienz: Deutschland belegt 5. Platz
Untersucht wurden die Bereiche Demokratie, Staat und Verwaltung, Wirtschaft und soziale Sicherungssysteme. Die Bundesrepublik belegt demnach den 5. Platz hinter Neuseeland, Südkorea, Schweden und Dänemark. Auch dank der vergleichsweise großen Krisenfestigkeit seiner Wirtschaftspolitik (Rang 1) und seiner sozialen Sicherungssysteme (Rang 5) sei Deutschland fest in der Spitzengruppe der Industriestaaten etabliert, , führen die Autoren aus.
Im Unterschied zu Staaten, in denen bereits vor der Coronakrise demokratische Institutionen erheblich unter Druck geraten waren, habe sich die Demokratie in Deutschland auch in der Krise als vergleichsweise robust erwiesen. Hier belege Deutschland zusammen mit Portugal den 6. Platz.
Die Kompromissfähigkeit kam Deutschland zugute
Dank zuletzt sehr positiver Beschäftigungsbilanz, gut ausgebauten Kurzarbeiterregelungen, solider Staatsfinanzen und seines starken Gesundheitssystems sei Deutschland unter deutlich günstigeren Vorzeichen in die Pandemie gestartet als viele andere Staaten. Der Politikkoordination der Krisenmaßnahmen in Deutschland selbst sei die vergleichsweise starke Kompromissfähigkeit aller zentralen demokratischen Akteure und die enge wissenschaftliche Begleitung zugute gekommen.
Als positiv vermerken die Studienautoren auch, dass Deutschland wie Schweden bereits im ersten Pandemiejahr begonnen habe, die Hilfsprogramme auch an Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen auszurichten. Sollen die Staaten gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, müssten allerdings noch deutlich ambitioniertere Schritte bei der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise folgen, sagen sie.
An der Koordination müssen wir noch arbeiten
Die Coronakrise habe aber gerade im öffentlichen Sektor auch erheblichen Nachbesserungsbedarf zutage gefördert. Bei der weiteren Krisenbewältigung habe es in Deutschland an einer koordinierten Vorgehensweise gefehlt. Länder wie Südkorea, die bereits über Vorerfahrungen mit der MERS-Pandemie verfügten, hätten hier einen deutlichen Vorsprung.
Die Politik mus stärker vorausschauen
Es brauche zudem vorausschauende Politikansätze und eine verbesserte Datenkompetenz seitens der Regierung, um Zielkonflikte gemeinsam mit zentralen Stakeholdern aufzudecken und effektiv bearbeiten zu können, unterstreichen die Autoren. Gerade in Neuseeland habe das Krisenmanagement von der schnellen Verfügbarkeit von Echtzeit-Modellierungen des Pandemiegeschehens profitiert, deren Bedeutung schnell für die Bürger übersetzt wurde.
Neben Neuseeland verfügten auch die Niederlande, Dänemark und Südkorea über eine sehr gut ausgebaute Informations- und Dateninfrastruktur für das Monitoring der Folgen der Pandemie. Stark verbessert gegenüber dem Vorkrisenzeitraum habe sich Griechenland, das in der internationalen Vergleichsstudie gute Noten für seine nationale Politikkoordination und die Einbindung wissenschaftlicher Expertise in den Politik-Erarbeitungs-Prozess erhalten habe.
Die digitale Transformation verläuft schleppend
Insgesamt habe die schleppende digitale Transformation in Deutschlands öffentlichem Sektor die Bewältigung der Krise deutlich erschwert. Als besonders krisenanfällig hob die Studie das Schulsystem in Deutschland heraus. Hier belegt Deutschland lediglich den 15. Platz.
„In der Bundesrepublik wie in allen Staaten wird es nun zudem darauf ankommen, die Krisenvorsorgearchitektur insgesamt zu stärken und mit klaren Verantwortlichkeiten und eingeübten Abstimmungswegen auszustatten“, bilanziert Christof Schiller, Studienautor und Governance-Experte der Bertelsmann Stiftung. Die Ampelkoalition starte angesichts der außer Kontrolle geratenen Corona-Zahlen im Krisenmodus. Da helfe eine Bestandsaufnahme.
Für die Sondererhebung der Sustainable Governance Indicators (SGI) 2021 der Bertelsmann-Stiftung waren 94 Indikatoren von November 2019 bis Januar 2021 – also im ersten Coronajahr – untersucht worden. Über 70 Experten hatten Länderberichte erstellt. Berücksichtigt wurden Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) und Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Die Studie: Nachhaltiges Regieren im Kontext der Coronakrise: Christof Schiller, Thorsten Hellmann, Helene Schüle, Sascha Heller und Emma Gasster, Bertelsmann-Stiftung, Dezember 2021