Letzte Ruhe unter Bäumen

ck/dpa
Gesellschaft
Wenn die Alten sterben, leben die Kinder und Enkel heute oft weit weg. Das wirkt sich auf die Gestaltung der Friedhöfe aus. Wie heute bestattet wird: eine Reise zu den Gräbern im Nordosten Deutschlands.

Warum soll ein Motorradfreak nach seinem Tod nicht in der einst geliebten Lederkluft beerdigt werden und die "Harley" den Weg seines Sargs nicht zur letzten Ruhestätte begleiten? Naturfreunde wünschen für sich vielleicht eher eine Wald- oder Wiesenbestattung denn ein klassisches Friedhofsbegräbnis, Seefahrer wollen ihre Asche über dem Meer verstreut haben.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern geht der Trend hin zu alternativen Bestattungen und individuellen Zeremonien, wie der Landesvorsitzende des Bestatterfachverbandes, Torsten Lange, der dpa sagte. "Entscheidend ist, was den Vorlieben des Verstorbenen entspricht und gesetzlich erlaubt ist." 

Jenseits des Friedhofs

Neben den traditionellen Urnen- und Erdbeisetzungen nehmen neue Bestattungsformen zu, wie er erklärte. Etwa jedes zehnte Grab im Nordosten werde inzwischen jenseits der Friedhofsmauern aufgetan, etwa in Ruhewäldern, unter einzelnen Bäumen oder in ausgewiesenen Seegebieten.

Während noch vor einigen Jahren der Wegfall der Grabpflege durch die oft verstreut lebenden Angehörigen die Wahl einer alternativen Bestattung begründete, sei es inzwischen auch oftmals der Wunsch des Verstorbenen selbst, sagte der Verbandschef. Kostenersparnis spiele bei den modernen Formen kaum eine Rolle, oft seien diese sogar teurer als herkömmliche. 

Ein Stern mit deinem Namen

"Aber auch bei klassischen Friedhofsbestattungen geht es heute viel individueller zu", sagte Lange. Dekoration, Kleidung und Musik entsprächen in erster Linie den Neigungen des Verstorbenen. Da würden am Grab schon mal die Rolling Stones gespielt, Elton John oder DJ Ötzis Song vom "Stern, der deinen Namen trägt". Rostocker erschienen auf dem Friedhof durchaus in den Farben ihres Fußballvereins. Die Anfrage aber nach einer sogenannten keltischen Bestattung, bei der der Tote auf einem Floß zu Wasser gelassen und dort offen verbrannt werden sollte, musste mit Hinweis auf gesetzliche Regelungen abgelehnt werden. 

Dem Wunsch nach Alternativen zum Friedhof entspricht das Land mit drei ausgewiesenen Ruheforstrevieren, wie das Agrarministerium mitteilte. Auch Kommunen wiesen eigene Friedwälder aus, erklärte ein Sprecher. Seit Jahren würden Nachfrage und Angebote zunehmen. Immer mehr Familien suchten einen besonderen Platz der Trauer, ohne eine Verpflichtung zur Grabunterhaltung einzugehen. 

Die Asche auf der Wiese verstreut

In Rostock werden immer mehr Verstorbene in teils anonymen Urnengemeinschaftsanlagen, die von den Friedhofsgärtnern gepflegt werden, bestattet oder ihre Asche auf einer abgegrenzten Wiese verstreut, wie Dirk Zellmer vom Amt für Stadtgrün mitteilte.

Die Gesamtzahl der jährlichen Bestattungen ging in der Hansestadt in den letzten zwei Jahrzehnten um gut ein Fünftel zurück - von 2.670 Begräbnissen 1991 auf 2091 im Jahr 2011. 1991 wurden nur 17 Prozent der Toten in Gemeinschaftsanlagen beziehungsweise 3 Prozent mit Ascheverstreuung bestattet, 2011 waren das schon 52 beziehungsweise 7 Prozent. Außerdem kamen 89 Gräber im Ruheforst der Hansestadt hinzu. 

Anonym bestattet

Schwerin bietet seit 2009 besondere Baumgrabstätten auf den städtischen Friedhöfen an. Grundsätzlich habe die Zahl aller anonymen Bestattungen zugenommen, erklärte eine Sprecherin. Seit diesem Jahr gebe es auch eine Gemeinschaftsanlage für Erdbestattungen, hieß es. 

Neubrandenburgs Stadtväter erkennen keinen Trend hin zu mehr Waldbestattungen, wie eine Sprecherin mitteilte. Auf dem Waldfriedhof der Vier-Tore-Stadt sei 2007 ein Ruheforst ausgewiesen worden. Bisher fanden dort 23 Beisetzungen statt. Stärker nachgefragt würden Angebote in Gemeinschaftsgräbern, aber mit Namensbeschriftungen und individueller Gestaltung sowie dem Angebot der gärtnerischen Pflege. 

Das Arme-Leute-Grab

Zugleich steigt im alternden Mecklenburg-Vorpommern die Zahl derer, die sich ein Begräbnis für sich oder ihre Angehörigen gar nicht leisten können. Dann springen die Kommunen ein und zahlen für sogenannte Sozialbestattungen. Die Leistungen summieren sich pro Jahr auf mehr als eine Million Euro, wie das Sozialministerium mitteilte. 2012 zahlte die öffentliche Hand im Nordosten für Beerdigungen armer Menschen 1,22 Millionen Euro, fünf Jahre zuvor waren es noch 1,1 Millionen Euro. 

von Grit Büttner, dpa

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.