Lobby für angestellte Ärzte
Im Marburger Bund sind zwei von drei Krankenhausärzten organisiert, jetzt will die Gewerkschaft die angestellten Ärzte gewinnen, die in den Praxen arbeiten: "Angestellte Ärzte brauchen einen Tarifvertrag, auch wenn sie in einer Praxis arbeiten, denn man kann nicht allein auf die Einsicht des Praxisinhabers vertrauen", sagt MB-Hauptgeschäftsführer Armin Ehl der FAZ.
Wer denkt, es handle sich nur um eine Handvoll Ärzte, täuscht sich. Und zwar gewaltig: Ende 2012 arbeiteten nach Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) insgesamt 19.099 Mediziner als Angestellte in der Niederlassung, davon etwa je die Hälfte in medizinischen Versorgungszentren und in Praxen. Wie die Zeitung berichtet, sind die Steigerungsraten enorm: Arbeiteten vor fünf Jahren erst 8.563 angestellte Ärzte in der ambulanten Versorgung, werden es seither jedes Jahr zwischen 25.00 und 3.500 mehr.
Jeder achte Arzt ist angestellt
Jeder achte der mehr als 150.000 Kassenärzte arbeitet heute als Angestellter, Tendenz steigend und "häufig ohne angemessenes Gehalt", heißt es in der die Mitgliederzeitung des Marburger Bunds. Junge Ärzte und Ärztinnen legen mehr Wert auf eine geregelte 40-Stunden-Woche, sie bevorzugen einen Teilzeitjob, als sich für mehr Geld als Praxischef zwölf Stunden pro Tag abzuplagen.
Das auf die unternehmerischen Interessen der Praxisinhaber abgestellte KV-System stößt hier an seine Grenzen. "Wir treten in eine vollkommen neue Welt ein", zitiert die Zeitung den KBV-Vorstandsvorsitzenden Andreas Köhler. Bald werde es Vereinigungen der Kassenärzte geben, in deren Versammlungen angestellte Ärzte eine große qualifizierte Minderheit seien, die mit eigenen Forderungen und Wünschen den Kurs beeinflussten. Das alles kulminiere in der "sehr spannenden Frage: Wer vertritt die Interessen dieser angestellten Ärzte in Zukunft?"
Eine vollkommen neue Welt
Der Deutsche Ärztetag 2013 hat auf die Frage nach der Vertretungsmacht bereits eine erste Antwort gegeben. Das Ärzteparlament forderte die niedergelassenen Ärzte, vor allem aber die KBV, aber auch die ärztlichen Berufsverbände, auf, eine Arbeitgeberorganisation zu bilden, damit verbindliche Tarifverträge abgeschlossen werden könnten.
Zwar geht es in dem Beschluss nur um die Weiterbildung von angehenden Fachärzten in niedergelassenen Praxen. Denn manche auch fachärztliche Behandlung und Operation wird nur noch ambulant und nicht mehr in den Krankenhäusern vorgenommen. Wer einmal als niedergelassener Arzt arbeiten will, sollte deshalb auch seine Weiterbildung zumindest zum Teil in einer Praxis abgeleistet haben.
Nur der erste Schritt
Dieser Beschluss wäre aber der erste Schritt zur Organisation aller angestellten Ärzte. Der Text lässt keinen anderen Interpretationsspielraum: Zum einen sollen den jungen Ärzten in der ambulanten Weiterbildung "mindestens die gleichen tariflichen Konditionen wie an einer stationären Weiterbildungsstätte" garantiert werden. Zum anderen sichert sich der Marburger Bund "als die im stationären Versorgungsbereich für die Tarifgestaltung ärztlicher Vergütungen maßgebliche ärztlichen Organisation" die Vertretungsbefugnis für die Ärzte.
Die Debatte um einen eigenständigen Tarifvertrag für Weiterbildungsassistenten gilt dabei nur als Auftakt für eine viel größere. Darin geht es nicht nur um die Wünsche einzelner Ärzte als Arbeitnehmer, sondern auch um den organisationspolitischen Einfluss der Organisationen der niedergelassenen und Krankenhausärzte.
Eine Frage der Vormachtstellung
"Da kommt ein neuer Player ins Spiel", sagt selbstbewusst Hauptgeschäftsführer Ehl über seinen Marburger Bund, der erstmals nicht nur Ärzte im Krankenhaus und im öffentlichen Dienst, sondern auch angestellte Ärzte im ambulanten Sektor organisieren will. KBV-Chef Köhler sieht nicht nur Veränderungen in der Zusammensetzung der Vertreterversammlung der Vereinigungen: "Ich glaube, es geht auch um die Vormachtstellung insgesamt, um die Frage: Wer vertritt die Ärzteschaft?"
Auf jeden Fall hat sich Köhler schon einmal Geld bewilligen lassen, um die niedergelassenen Ärzte auf dem nächsten Deutschen Ärztetag besser zu organisieren. Rein rechnerisch haben sie mit 140 niedergelassenen Medizinern die Mehrheit der 250 Delegierten auf dem Ärztetag. Dennoch gelingt es den im Marburger Bund vereinten Krankenhausärzten oft, Positionen und Kandidaten durchzusetzen. Augenfälliges Beispiel: Seit 1979 war der Präsident der Bundesärztekammer immer ein Krankenhausarzt.