Mehr Leistungen, aber auch höhere Beiträge
Heute hat der Bundestag das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) beschlossen. Demnach wird die gesetzliche Pflegeversicherung in zwei Schritten reformiert: Zum 1. Juli 2023 soll die Finanzgrundlage stabilisiert werden. Das soll dringende Leistungsverbesserungen bereits zum Januar 2024 ermöglichen. In einem zweiten Schritt werden sämtliche Leistungsbeträge zum 1. Januar 2025 nochmals spürbar angehoben.
Ab dem zweiten Kind sollen Eltern künftig weniger für die Pflegeversicherung zahlen als heute. Die Leistungen in der Pflege werden dynamisiert und die Pflegekosten in den Heimen gebremst. Zudem soll es pflegenden Angehörigen erleichtert werden, Unterstützung zu beantragen und zu erhalten. Der Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wurde vom Bundestag mit 377 gegen 275 Stimmen bei zwei Enthaltungen in einer vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung angenommen.
Die Pflege zu Hause wird gestärkt und es gibt bessere Leistungen
Laut Gesetz soll die Pflege zu Hause gestärkt, Leistungen verbessert und finanzielle Belastungen begrenzt werden. Dazu wird zum 1. Januar 2024 das Pflegegeld um fünf Prozent erhöht, zudem werden die ambulanten Sachleistungsbeträge um fünf Prozent angehoben. Das Pflegeunterstützungsgeldkann von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden. Die Verbesserungen treten zum 1. Januar 2024 in Kraft.
Weiterhin sollen ab dem 1. Juli 2025 die Leistungsbeträge für Verhinderungspflege und für Kurzzeitpflege in einem neuen Gemeinsamen Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zusammengeführt werden. Damit soll künftig ein Gesamtleistungsbetragvon bis zu 3.539 Euro zur Verfügung stehen, den die Anspruchsberechtigten nach ihrer Wahl flexibel für beide Leistungsarten einsetzen können. Um Familien mit pflegebedürftigen Kindern sofort zu unterstützen, wird der Anspruch auf den Gemeinsamen Jahresbetrag aus Verhinderungs- und Kurzzeitpflege für Pflegebedürftige der Pflegegrade 4 und 5, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bereits zum 1. Januar 2024 eingeführt.
Zum 1. Januar 2024 werden die Zuschläge, die die Pflegekasse an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, erhöht. Je länger die Verweildauer im Heim, desto höher der Zuschlag. Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 werden außerdem die Geld- und Sachleistungen in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert. Für die langfristige Leistungsdynamisierung und die langfristige Finanzierung der Pflegeversicherung will die Bundesregierung bis Ende Mai nächsten Jahres Vorschläge erarbeiten.
Zum 1. Juli 2023 soll der Pflegebeitrag um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens angehoben werden, was Mehreinnahmen von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen soll. Der Arbeitgeberanteil liegt bei 1,7 Prozent. Die Bundesregierung soll außerdem dazu ermächtigt werden, den Beitragssatz künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, falls auf einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss.
Der Pflegebeitragssatz soll ebenfalls zum 1. Juli 2023 nach der Zahl der Kinder weiter ausdifferenziert werden. Damit wird ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 umgesetzt. Der Beitragszuschlag für Kinderlose soll von derzeit 0,35 auf 0,6 Beitragssatzpunkte steigen. Für Mitglieder ohne Kinder gilt künftig ein Pflegebeitragssatz in Höhe von vier Prozent. Bei einem Kind sinkt der Beitragssatz auf 3,4 Prozent. Ab zwei Kindern wird der Beitrag bis zum 25. Lebensjahr des Kindes um 0,25 Punkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt. Bei Familien mit fünf oder mehr Kindern liegt der Beitrag künftig bei 2,4 Prozent. Die genannten Abschläge gelten, solange alle jeweils zu berücksichtigenden Kinder unter 25 Jahre alt sind. Damit sollen Eltern mit mehreren Kindern in der Kindererziehungsphase spürbar entlastet werden.
Die Arbeitsbedingungen für Pflegende sollen besser werden
Die Reform soll ferner auch zu besseren Arbeitsbedingungen für Pflegende beitragen. So soll in der stationären Pflege die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch die Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt werden. Vorgesehen ist ferner ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege. Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen im Volumen von rund 300 Millionen Euro soll ausgeweitet und bis Ende des Jahrzehnts verlängert werden.
Kurzfristig hatte die Regierungskoalition einen Änderungsantrag eingebracht, der mit dem Thema Pflege nichts zu tun hat, sondern gravierende Veränderungen für die Notfallversorgung mit sich bringt. Der Antrag, der mit beschlossen wurde, ermöglicht es den Notaufnahmen der Krankenhäuser, Patienten mit dringlichen oder nicht dringlichen Beschwerden ausschließlich an die Notdienstpraxen abzugeben. Eine Weiterleitung an die ambulanten Praxen in der Regelversorgung ist demnach nicht mehr erlaubt.
In einer ersten Reaktion bezeichnete die Kassenärztliche Bundesvereinigung das Verfahren als fragwürdig und von der Wirkung her verheerend und spricht von einer „Nacht- und Nebelaktion“ gegen die Ärzte. Die Bundesregierung konterkariere damit ihre eigenen Pläne für eine gemeinsame Notdienstreform mit den Ländern.