Militärischer Auftrag - zivile Normen
zm-online: Die Bundeswehr muss sich demografiefest aufstellen. Gilt dies auch für den Sanitätsdienst, und welche Lösungen sehen Sie hierfür?
Dr. Patschke:Selbstverständlich stellt die absehbare demografische Entwicklung in Deutschland auch eine große Herausforderung für den Sanitätsdienst der Bundeswehr dar. Schon die aktuellen Entwicklungen am zivilen Arbeitsmarkt in Deutschland zeigen, dass dies zwangsläufig zu einem zunehmenden Wettbewerb um qualifiziertes Personal führen muss, insbesondere im Bereich der Gesundheitsberufe.
Im Bereich des Sanitätsdienstes der Bundeswehr stellt sich die Nachwuchssituation derzeit in den meisten Teilbereichen als ausreichend bis gut dar. Die unvorhergesehenen Personalverluste im Bereich der Sanitätsoffiziere der Jahre 2008 und 2009 konnten wir mittlerweile nicht nur aufholen, sondern sogar kompensieren. Dies ergibt sich einerseits aus geringeren Personalverlusten, andererseits konnten in den vergangenen Jahren kontinuierlich Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger aus dem zivilen Arbeitsmarkt gewonnen werden.
Neben einer verbesserten Werbestrategie kommt aber der Bindung von bereits qualifiziertem Personal zukünftig eine noch größere Bedeutung zu. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden neben attraktivitätssteigernden Maßnahmen auch spezifische Instrumente für den Sanitätsdienst geschaffen. Im Fokus stehen hierbei finanzielle Anreize, um gegenüber dem zivilen Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst, wie die Flexibilisierung von Dienstzeiten oder erweiterte Teilzeitmöglichkeiten.
Ergänzend haben wir eine Studie zur umfassenden Analyse der Berufszufriedenheit des gesamten Sanitätspersonals und der Bewertung der Wirksamkeit der bisher umgesetzten attraktivitätssteigernden Maßnahmen im Sanitätsdienst der Bundeswehr durchgeführt. Diese wird uns wertvolle Hinweise zur bedarfsgerechten Optimierung beziehungsweise zur effektiven Weiterentwicklung der Instrumente und zu möglichem weiterem Handlungsbedarf liefern.
Ziel dieser Maßnahmen muss es sein, die aktuell positive Entwicklung zu verstetigen, indem wir den Sanitätsdienst der Bundeswehr weiterhin als erfolgreichen Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt positionieren und damit den erforderlichen Nachwuchs für uns gewinnen.
Welche Herausforderungen ergeben sich für den Sanitätsdienst während und nach der Neuausrichtung der Bundeswehr?
Die Besonderheit der Neuausrichtung der Bundeswehr liegt in ihrem Ansatz "von oben nach unten“. Dieses mag in vielen Bereichen der Bundeswehr relativ unproblematisch sein. Aber für die neue Struktur des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr muss man verstehen, dass sich der Sanitätsdienst sowohl am militärischen Auftrag als auch an zivilen Normen auszurichten hat. Neben dem militärischen Aufgabenspektrum sind für den Sanitätsdienst daher auch umfangreiche gesundheitsrelevante, zivil-gesetzliche Regelwerke zu beachten. Auch aus den gesetzlichen Ansprüchen der Soldaten und Soldatinnen – wie dem Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung – leiten sich Aufgaben ab, die als Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen.
Für uns als Sanitätsdienst bedeutet dies, dass wir neben der Sicherstellung unserer Aufgaben aus den noch existierenden – „alten“ – Strukturen heraus gleichzeitig die Arbeitsabläufe – ohne Qualitätsverlust – in die neue Organisation überführen müssen. Und all das unter Berücksichtigung von den eben von mir schon angesprochenen Herausforderungen wie "demografischer Wandel“, „"ereinbarkeit von Familie und Dienst“ oder "Ärztemangel“.
Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der Zahnmediziner in der Bundeswehr?
Die Sanitätsoffiziere Zahnarzt hatten bereits in der Vergangenheit eine wichtige Rolle in unserem Sanitätsdienst. Einerseits die klassische Rolle des Zahnarztes / der Zahnärztin für unsere Soldatinnen und Soldaten sowohl in der Versorgung am Heimatstandort wie insbesondere auch in den landgebundenen wie den maritimen Einsätzen. Das haben sie - und das sage ich nicht nur als Inspekteur, sondern auch als Patient - schon immer sehr gut gemacht.
In den vergangenen Jahren sind aber auch zunehmend Aufgaben außerhalb der Zahnmedizin hinzugekommen. Einige wurden ja beim letzten Besuch des Vorstands der Bundeszahnärztekammer vorgestellt. So sind Sanitätsoffiziere Zahnarzt im Ministerium, in verschiedenen Verwendungen bei mir im Stab des Kommandos Sanitätsdienst, als Kommandeure unserer Sanitätsregimenter oder als Chefs einer Sanitätskompanie im Einsatz eingesetzt. Auch diese Aufgaben erfüllen sie mit Engagement und großem Erfolg, so dass heute auch hohe Verwendungen im Sanitätsdienst möglich erscheinen, an die noch in jüngerer Vergangenheit nicht zu denken war.
Welche Bedeutung hat dabei für Sie die Zusammenarbeit mit den zahnärztlichen Standesvertretungen und der niedergelassenen zivilen Zahnärzteschaft?
Die Zusammenarbeit mit der niedergelassenen zivilen Zahnärzteschaft hatte auch in der Vergangenheit eine große Bedeutung für uns, da aus unterschiedlichsten Gründen schon immer ein, wenn auch kleiner, Anteil unserer Soldaten zur Behandlung in eine zivile Praxis überwiesen werden musste. Dies war und ist grundsätzlich unproblematisch, war doch ein sehr großer Teil der niedergelassenen Kollegen selbst bei der Bundeswehr.
Da die Bundeswehr ein „Sonstiger Kostenträger“ ist, bedarf es der engen Abstimmung mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. Gerade in der jüngeren Vergangenheit wurden dabei, soweit mir das bekannt ist, sehr gute einvernehmliche Ergebnisse sowohl für unsere Soldaten, soweit sie in einer zivilen Praxis behandelt werden, als auch für die zivilen Kollegen selbst erreicht.
Besonders wichtig ist mir jedoch die Zusammenarbeit mit den Landeszahnärztekammern und der Bundeszahnärztekammer. Die Zahnmedizin in der Bundeswehr, wie auch die Medizin, Pharmazie oder Veterinärmedizin, ist ein Teil der medizinischen Versorgung in Deutschland. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung erfolgt nach den zivilen Standards. Die Führung einer Sanitätseinrichtung der Bundeswehr gehorcht grundsätzlich denselben Regeln, wie sie in einer zivilen Praxis angewendet werden. Der therapeutische Standard entspricht dem in der Versorgung der zivilen Patienten in Deutschland.
Ich bin daher sehr dankbar, dass der Inspizient Zahnmedizin der Bundeswehr und eine Reihe meiner Mitarbeiter im Vorstand der Bundeszahnärztekammer und den unterschiedlichsten Ausschüssen mitwirken dürfen. Wir benötigen diese enge Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch, um die Zahnmedizin in der Bundeswehr auch in der Zukunft zielgerichtet weiterzuentwickeln, damit unsere Soldatinnen und Soldaten am Heimatstandort wie in den Einsatzgebieten die zahnärztliche Versorgung erhalten, die ihrem Auftrag angemessen ist.
Mehr über den Sanitätsdienst der Bundeswehr siehe zm 17/2013, Seite 30-33.