Berlin Institute of Health

Neues Dashboard soll klinische Studien besser auffindbar machen

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Auch wenn sie als „Rückgrat der evidenzbasierten Medizin“ gelten, werden viele klinische Studien deutscher Hochschulen entweder gar nicht veröffentlicht oder sie sind nicht öffentlich zugänglich. Ein neu entwickeltes Dashboard will dies ändern und listet für 35 deutsche Universitäten auf, wie es um die Transparenz ihrer jeweiligen klinischen Studien steht.

Von knapp einem Viertel aller an Universitäten und Krankenhäusern in Deutschland durchgeführten klinischen Studien sind auch viele Jahre nach ihrem Abschluss keine Ergebnisse veröffentlicht. Die Folge: Alle anderen WissenschaftlerInnen und ÄrztInnen erfahren nicht, ob eine bestimmte medizinische Intervention bereits getestet wurde, oder ob sich womöglich eine zweite Auswertung der Studienergebnisse lohnen würde, weil sich darin ein Vorteil für eine Untergruppe von PatientInnen gezeigt hätte.

Daniel Strech, Professor für Translationale Bioethik an der Charité Universitätsmedizin Berlin fand diese Situation unbefriedigend. „Patientinnen und Patienten haben sich zur Studienteilnahme bereit erklärt, um die Wissenschaft und die Medizin voranzubringen. Ihnen gegenüber besteht die Verpflichtung, Studienergebnisse zu veröffentlichen“, argumentiert er. „Außerdem ist es aus ethischer Sicht zumindest fragwürdig, Ergebnisse von Studien, die mit Steuermitteln bezahlt wurden, nicht offenzulegen.“

Gemeinsam mit seinem Team vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) beschloss er, dieses Problem anzugehen. Knapp 3.000 klinische Studien, die zwischen 2009 und 2017 von einer der 35 Universitätskliniken in Deutschland durchgeführt und abgeschlossen sowie in einem von zwei etablierten Registern (ClinicalTrials.gov und das Deutsche Register für Klinische Studien, DRKS) aufgeführt wurden, wurden dazu ausgewertet.

Nur 41 Prozent der Studienergebnisse wurden veröffentlicht

„Vor allen Dingen interessierten uns die Daten zur Transparenz“, erläutert Delwen Franzen, Mitarbeiterin von Daniel Strech und Erstautorin der Arbeit. „Hat der Studienleiter oder die Studienleiterin die Studienergebnisse veröffentlicht? Wurde die Studie vor Studienbeginn registriert? Wurde im Register auf die Veröffentlichung der Studienergebnisse hingewiesen? Waren die Ergebnisse öffentlich einsehbar?“

Das Ergebnis: Die ForscherInnen um Franzen bewerteten 2.895 klinische Studien. Positiv bewertet wurde, dass bei allen Universitätskliniken die Zahl der prospektiv registrierten Studien im betrachteten Zeitraum anstieg – von 33 Prozent (n = 58/178) auf 75 Prozent (n = 144/193) bei den in ClinicalTrials.gov registrierten Studien und von 0 Prozent (n = 0/44) auf 79 Prozent (n = 19/24) bei den in DRKS registrierten Studien.

Von den Studien mit einer Ergebnisveröffentlichung gaben 38 Prozent (n = 714/1.895) die Studienregistrierungsnummer in der Zusammenfassung der Veröffentlichung an. Bei 58 Prozent (n = 861/1.493) der in ClinicalTrials.gov registrierten Studien und bei 23 Prozent (n = 111/474) der in DRKS registrierten Studien wurde die Publikation in der Registrierung angegeben. Negativ bewertet wurde, dass zum Beispiel nur 41 Prozent der Studien innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss der Studie ihre Ergebnisse veröffentlichten.

Dashboard zeigt Verbesserungspotenzial

Alle Ergebnisse wurden in einem Dashboard detailliert dargestellt. Dieses soll den Universitätskliniken als Grundlage für Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz klinischer Studien dienen. Denn die Universitätskliniken seien sich oft nicht bewusst, wie gut sie in diesem Bereich abschneiden, was es schwierig macht, Verbesserungen zu erzielen, erläutert Strech: „Eine ebenfalls öffentlich einsehbare Internetseite, erstellt von KollegInnen der Universität Oxford, informiert seit drei Jahren über die Transparenz von Arzneimittelstudien im dafür zuständigen europäischen Register. Dort lag die Charité weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Nachdem wir uns mit dem Clinical Study Center der Charité besprochen haben, und dort ein Prozess zur Verbesserung gestartet wurde, konnte man einen regen Anstieg in der Transparenz beobachten: Die Charité liegt mit der Veröffentlichung der Ergebnisse von 97 Prozent ihrer Studien nun ganz vorne! Das hat uns sehr gefreut.“

Franzen und ihre Arbeitsgruppe sind überzeugt, dass die Informationen, die das Dashboard liefert, „bei allen Universitätskliniken etwas zum Guten hinbewegen wird.“

Delwen L. Franzen, Benjamin Gregory Carlisle, Maia Salholz-Hillel et al., Institutional dashboards on clinical trial transparency for University Medical Centers: A case study; PLOS Medicine, DOI: 10.1371/journal.pmed.1004175

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