Ein außergewöhnlicher Case Report

Eine orale Manifestation von Tuberkulose

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Zahnmedizin
Tuberkulose kann sich in seltenen Fällen in der Mundhöhle manifestieren. Zahnärzte sollten die typische Erscheinungsform kennen. Ein Case Report aus Indien hat einen solchen Fall dokumentiert.

In einem Case Report berichten Sriram et al. über einen Fall primärer tuberkulöser Läsionen an der Mundschleimhaut eines 43-jährigen Patienten. Der Mann berichtete bei Erstvorstellung in einem indischen Krankenhaus, dass die Ulzera bereits seit sechs Monaten persistierten und ab dem dritten Monat begannen, schmerzhaft zu werden. Der Patient war immunkompetent, hatte keine Vorerkrankungen und nahm keine Medikamente ein. Der letzte Tabakkonsum lag laut eigenen Anhaben bei Vorstellung bereits ein Jahr zurück.

Hintergrund

Tuberkulose (TB) ist – nach COVID-19 – die zweithäufigste infektiöse Todesursache weltweit [WHO, 2023]. Laut WHO starben im Jahr 2022 rund 1,3 Millionen Menschen an TB. Im Jahr 2021 traten die meisten Tuberkulosefälle vor allem in Südostasien (45 Prozent) auf, während die Zahlen in Europa vergleichsweise gering waren (2,2 Prozent) [Sriram et al., 2023]. Bei drei Viertel der Erkrankten manifestiert sich TB pulmonal. Es können aber auch andere Organsysteme betroffen sein, während tuberkulöse Läsionen in der Mundhöhle sehr selten sind.

Intraoral zeigte sich ein Ulcus an der labialen Mukosa sowie einer im Bereich der rechten Wangenschleimhaut (Abbildungen 1 und 2). Es wurden in den vergangenen Monaten bereits mehrere Versuche einer lokalen Therapie mit Salben und Gelen (CHX sowie Metronidazol) sowie mit systemischer Antibiotika-Gabe versucht, die allesamt erfolglos blieben. Die Lymphknoten waren nicht geschwollen, es lagen keine B-Symptomatik und keine weiteren Auffälligkeiten oder Symptome vor.

Differenzialdiagnostisch kamen ein aphthöses, traumatisches oder malignes Ulkus, eine Arzneimittelreaktion oder Infektionen (bakteriell, pilzartig und viral) infrage [Sriram et al., 2023]. Unter Lokalanästhesie wurde eine Inzisionsbiopsie durchgeführt. Die mikroskopische Untersuchung zeigte Merkmale einer granulomatösen, während in der ZN-Färbung des Abstrichs des Ulkus mehrere säurefeste Mykobakterien nachgewiesen werden konnten.

Bei einer Blutuntersuchung fiel eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit auf, während alle anderen Parameter unauffällig waren. HIV und Hepatitis C sowie weitere Infektionskrankheiten konnten ausgeschlossen werden. Das Röntgen-Thorax zeigte keine Auffälligkeiten. In der Zusammenschau der Befunde ergab sich die Diagnose einer primären Tuberkulose der Wangen- und Lippenschleimhaut. Der Patient erhielt eine antituberkuläre Behandlung über einen Zeitraum von sechs Monaten. Unter der Therapie verschwanden die oralen Läsionen binnen eines Monats vollständig.

Primäre orale Läsionen sind besonders selten

Tuberkulose, ausgelöst durch das Mycobacterium tuberculosis, kann sowohl pulmonal als auch extrapulmonal auftreten, wobei die erstgenannte Form wesentlich häufiger ist. Extrapulmonale Läsionen treten somit unter anderem im Bereich der Lymphknoten, in der Bauchhöhle, im Urogenitaltrakt, im Muskel-Skelett-System, im Nervensystem und im hepatosplenischen System auf, "entweder durch Selbstinokulation über infiziertes Sputum oder durch hämatogene oder lymphatische Aussaat“ [Sriram et al., 2023].

Orale Manifestationen von Tuberkulose kommen lediglich bei 0,05 bis 5 Prozent der Patientinnen und Patienten vor [Sriram et al., 2023]. Dabei handelt es sich zumeist um sekundäre Läsionen (primäre sind noch seltener). Eine primäre Inokulation liegt vor, „wenn Tuberkelbazillen ohne vorherige Infektion in die Mundschleimhaut gelangen". Bei der sekundären Form treten orale TB-Läsionen in der Regel sekundär zu einer Lungenerkrankung auf, und die Bazillen werden durch infiziertes Sputum oder hämatogene/lymphatische Aussaat in das orale Gewebe eingebracht [Sriram et al., 2023].

Traumata oder chronische Entzündungen begünstigen Infektion

Primäre orale Läsionen sind demnach häufiger bei Kindern und jungen Erwachsenen zu finden und gehen mit einer regionalen Lymphadenopathie einher, während sekundäre eher bei Älteren auftreten. Ein intaktes orales Plattenepithel widersteht dem Eindringen der Tuberkelbakterien normalerweise. Daher legen die Autoren nahe, dass Traumata oder chronische Entzündungen eine Infektion begünstigen könnten. Im vorgestellten Patientenfall mutmaßen die Forschenden, dass regelmäßiges Tabakkauen die Integrität der Mundschleimhaut beeinträchtigt haben könnte.

Die Autoren berichten weiterhin, dass es beim vorliegenden Fall zudem außergewöhnlich sei, dass die Läsionen labial und bukkal lokalisiert waren, da orale Manifestationen von TB in diesen Regionen am seltensten auftreten. Häufiger sei eine solitäre Ulzeration mit unterminierten Rändern im Bereich der Zunge zu finden, es gibt aber auch atypische Erscheinungsformen, wodurch die Diagnose oft erschwert wird.

Sriram S, Hasan S, Saeed S, Ahmad SA, Panda S. Primary Tuberculosis of Buccal and Labial Mucosa: Literature Review and a Rare Case Report of a Public Health Menace. Case Rep Dent. 2023 Oct 5;2023:6543595. doi: 10.1155/2023/6543595. PMID: 37842328; PMCID: PMC10569891.

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