Heute vor einem Jahr

„Patient Null“ erkrankt in Deutschland

silv
Gesellschaft
Heute vor einem Jahr wurde in Deutschland die erste Corona-Infektion bestätigt. Eine Münchner Ärztin erkannte den ersten Fall – ihre Warnungen wurden aber erstmal ignoriert.

Heute vor einem Jahr berichtete zm-online: „3.000 Infizierte +++ Verdachtsfall in Berlin negativ. China im Ausnahmezustand: Trotz der umfassenden Maßnahmen zur Eingrenzung des Virus, steigt die Zahl der Infizierten weiter an. Mit rund 50 Fällen im Ausland sind es nun insgesamt fast 3.000!“

Der Stand der Wissenschaft damals: Man glaubte, dass das Coronavirus eine schwere Pneumonie auslösen könnte. Neben Deutschlands erstem Fall verzeichneten auch andere Länder erste Corona-Patienten – 50 waren es – außerhalb Chinas. Alle Virusopfer hatten sich zuvor in China aufgehalten. Dort zählte man am 27. Januar 2020 insgesamt 2.744 Infizierte und 80 Todesfälle.

Wir schrieben: „Nach derzeitigen Erkenntnissen hat sich das Virus, das dem SARS-Virus ähnelt, auf einem Lebensmittelmarkt in der Provinz Wuhan ausgebreitet, weil dort rohes Schlangenfleisch gegessen wurde. Das rohe Wildtierfleisch gilt als möglicher Virusherd.“

Der deutsche Patient Null  kommt aus Bayern

Deutschlands erster Corona-Patient, „Patient Null“, kommt aus Bayern, der 33-jährige Mann steckte sich an seinem Arbeitsplatz, dem Autozulieferer Webasto, bei einer Kollegin an. Die Chinesin arbeitete im Unternehmen in ihrem Heimatland und war im Rahmen einer Dienstreise nach Bayern gekommen.  

Der Patient sprach, nachdem er über das Wochenende grippeähnliche Symptome entwickelt hatte, im Münchner Tropeninstitut vor. Eigentlich nur, um sicherzugehen, dass er die vermutete leichte Grippe überwunden habe und niemanden mehr anstecken könnte. Er wurde von der Leiterin des Instituts, der Ärztin Dr. Camilla Rothe, untersucht.

Die ersten Fotos aus China beunruhigen die Welt

Das neuartige Virus war damals zwar bekannt, aber die Forschung stand noch am Anfang, es gab nicht einmal einen Namen für das Virus, dessen Gen-Sequenz überwiegend mit SARS-ähnlichen Coronaviren identisch zu sein schien.

Es war die Zeit, in der wir die ersten Fotos aus China sahen. Die meisten dachten, dass China weit weg und das Virus vermutlich eine lokal begrenzte Gefahr sei, über die man sich in Deutschland keine großen Gedanken machen müsste.

Die Münchner Ärztin erntet erstmal Skepsis

Rothe machte sicherheitshalber einen Abstrich. Das Ergebnis: Der Patient war an dem neuartigen Virus erkrankt. Rothe hatte somit entdeckt, dass das Virus sich auch ohne Symptome übertragen kann. Die Ärztin informierte sofort die zuständigen Gesundheitsbehörden. Anfangs erntete sie mit dieser Erkenntnis und den damit verbundenen Warnungen in der Kollegenschaft Skepsis.

Am 5. März 2020 berichtete die Münchner Ärztin in einem Fachartikel des „New England Journal of Medicine“ von ihrem Fall. In „Übertragung einer 2019-nCoV-Infektion durch einen asymptomatischen Kontakt in Deutschland“ schildert sie: „Die Geschäftspartnerin, die in Shanghai lebt, hatte Deutschland zwischen dem 19. und 22. Januar besucht. Während ihres Aufenthalts war sie gesund und hatte keine Anzeichen oder Symptome einer Infektion, erkrankte aber auf dem Rückflug nach China, wo sie am 26. Januar positiv auf 2019-nCoV getestet wurde.“ Rothe: „Am 27. Januar informierte die Patientin das Unternehmen über ihre Krankheit. Eine Kontaktsuche wurde eingeleitet, und der oben genannte Kollege wurde zur weiteren Abklärung in die Abteilung für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin in München geschickt.“

Heute gehört Virenschutz zum Alltagswissen

Am 28. Januar wurden drei weitere Mitarbeiter des Unternehmens positiv auf 2019-nCoV getestet. Rothe schreibt: „Da die Krankenhauskapazitäten begrenzt sind - insbesondere angesichts des gleichzeitigen Höhepunkts der Influenzasaison in der nördlichen Hemisphäre - besteht Forschungsbedarf, um festzustellen, ob solche Patienten unter angemessener Anleitung und Aufsicht außerhalb des Krankenhauses behandelt werden können.“

Heute, 365 Tage später, wissen wir alle, wie das Virus seinen Weg um die Welt fand. Wir wissen, was Herdenimmunität und FFP2-Masken sind und viele warten derzeit auf ihren Corona-Impftermin und darauf, dass das Leben eines Tages wieder so läuft wie vor dem 27. Januar 2020.

Camilla Rothe et al., "Transmission of 2019-nCoV Infektion from Asymptomatic Contact in Germany", The New England Journal of Medicine, first published: 05 March 2020, Transmission of 2019-nCoV Infection from an Asymptomatic Contact in Germany | NEJM  

 

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