(Pseudo-) Problem Arzttermin
Aus Sicht der KBV tragen sowohl die niedergelassenen Ärzte als auch die Patienten gleichermaßen Verantwortung dafür, dass ein Termin möglichst schnell organisiert werden kann. "Wenn es um schnelle Termine in den Praxen geht, tragen sowohl die niedergelassenen Ärzte als auch die Patienten gleichermaßen Verantwortung", sagte KBV-Chef Gassen. "Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen setzen ein zuverlässiges Terminmanagement ein. Sie müssen sich aber auf die Termintreue ihrer Patienten verlassen."
Gassen: "Ärzte müssen sich auf ihre Patienten verlassen können."
Deshalb beauftragte die KBV das Institut für angewandte Sozialwissenschaften (infas), das vom 8. Juli bis 15. August telefonisch 1.016 Arztpraxen zum Thema "Terminvergabe" befragte. Die Ergebnisse der Interviews sind repräsentativ.
Von den 1.016 Praxen sind knapp zwei Drittel als Einzelpraxis aufgestellt, 24 Prozent als Gemeinschaftspraxis organisiert, 10 Prozent als Praxisgemeinschaft und 2 Prozent firmieren als MVZ. Insgesamt arbeiten 62 Prozent mit einer einzigen gemeinsamen Terminverwaltung, und 28 Prozent haben für jeden Arzt einen eigenen Patientenkalender.
Patientenzahlen variieren stark
Durchschnittlich kommen in die Praxen pro Tag 58,8 Patienten (Mittelwert). Allerdings schwankten die Zahlen stark. So sagten 13 Prozent der befragten Praxisinhaber, dass sie täglich mehr als 90 Patienten haben. Im Durchschnitt haben die Praxen sieben Stunden täglich geöffnet (Mittelwert).
Auf die Frage, wie viele Patienten ihren Termin am Vortag abgesagt hatten, antworteten 56 Prozent: keine. 37 Prozent sagten: 1 bis 5. Nur zwei Prozent der Praxischefs gaben an, dass 6 bis zehn Patienten den Termin am Vortag gecancelt hatten, lediglich ein Prozent antwortete, dass mehr als zehn Patienten ihren Termin am Vortag abgesagt hatten.
Insgesamt 49 Prozent der Inhaber sagten zudem, kein Patient sei am Vortag ferngeblieben ohne den Termin vorher abzusagen. Bei 44 Prozent der Praxen sind 1 bis 5 Patienten nicht erschienen ohne sich abzumelden. Drei Prozent der Praxen gaben an, dass 6 bis 10 Patienten ohne Ankündigung nicht in die Praxis gekommen sind, und bei einem Prozent waren es mehr als 10.
Der Hausarzt wird seltener versetzt
Offenbar sind Patienten treuer, wenn sie einen Termin beim Hausarzt vereinbart haben: Fast zwei Drittel der Hausärzte gibt an, dass alle Patienten am Vortag termingerecht in die Praxis kamen, diese Aussage trafen bei den Fachärzten nur 47 Prozent. 61 Prozent der Hausärzte sagten, dass kein Patient ohne abzusagen den Termin verstreichen ließ, bei den Fachärzten waren dies nur 39 Prozent.
Während bei den Hausärzten nur bei 29 Prozent der Praxen bis zu fünf Patienten den Termin am Vortag absagten, war dies bei den Fachärzten bei 44 Prozent der betroffenen Praxen der Fall. Erschienen bei 34 Prozent der Hausarztpraxen bis zu fünf Patienten ohne abzusagen nicht zum Termin, waren dies bei 52 Prozent der Facharztpraxen der Fall.
Abgesagte Termine und Ausfälle wurden in der Regel an Patienten vergeben, die kurzfristig einen Termin brauchten oder bereits im Wartezimmer saßen und dann vorgezogen wurden. In der Patientenakte wurde außerdem meist vermerkt, dass der Patient den Termin nicht wahrgenommen hat.
Die Ärzte selber schätzen, dass insgesamt gut 6 Prozent (Mittelwert) der Termine kurzfristig abgesagt beziehungsweise ohne Absage nicht wahrgenommen werden. Hausärzte schätzen diese Zahlen dabei etwas niedriger ein als Fachärzte. Bei knapp der Hälfte aller Praxen ist der typische Zeitpunkt bei Terminabsagen ein bis zwei Tage vorher. Insbesondere Fachärzte sehen hier eine Zunahme: Während zwei Drittel der Hausarztpraxen glauben, der Umfang an kurzfristigen Absagen sei in den vergangenen Jahren eher gleich geblieben, und nur 17 Prozent eine Zunahme beobachten, sind es bei den Fachärzten nur 53 Prozent - 37 Prozent sehen eine Steigerung.
Das Gros hat wenig Probleme mit Absagen und Ausfällen
Bei den nicht abgesagten Terminen glauben 62 Prozent der Hausärzte, dass sich das Niveau konstant hält, 26 Prozent bemerken einen Anstieg. Bei den Fachärzten beobachten 46 Prozent keine Veränderung und 45 Prozent eine Zunahme.
Gassen mahnt Ergebnisse dennoch an
Während die Autoren der Studie zu dem Ergebnis kommen, dass die Mehrheit der Praxen "die Situation als geringes Problem einschätzt", hält Gassen die Ausfälle und Absagen für gravierend: "Immerhin schätzen 26 Prozent der befragten Ärzte diesen Aspekt als problematisch an", betont er. "Zudem geschieht es mit zunehmender Tendenz, dass Termine gar nicht oder sehr kurzfristig abgesagt werden. Eine Gesetzesvorlage, die nur Ärzte weiter in die Pflicht nehmen will, ist nicht nur aus diesem Grund unangemessen."
Es könne immer mal vorkommen, dass ein Patient einen Termin absagen muss, kommentierte Gassen die Ergebnisse. "Dafür kann es gute Gründe geben. Aber wenn der Arzt dies nicht rechtzeitig erfährt, so ist die beste Terminplanung obsolet. In vielen Praxen geschieht dies mehrfach am Tag."