Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Psychosomatische Beschwerden an Schulen sind stark gestiegen

pr
Politik
Viel zu wenig Bewegung und einen starken Anstieg an psychosomatischen Beschwerden hat eine Studie bei Schulkindern in Deutschland belegt. Und: Gesundheit hängt stark von Wohlstand, Alter und Geschlecht ab.

Zwar schätzen Kinder und Jugendliche an deutschen Schulen ihre Gesundheit größtenteils als gut ein. Allerdings bewegen sich fast alle von ihnen zu wenig. Und die Hälfte berichtet über vielfältige psychosomatische Gesundheitsbeschwerden wie etwa Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen, Einschlafproblemen oder Gereiztheit. Das sind Ergebnisse der Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC), die jetzt im Journal of Health Monitoring veröffentlicht wurden. Für die Untersuchung wurden 2022 fast 6.500 Schülerinnen und Schüler im Alter von elf bis 15 Jahren aus ganz Deutschland zur körperlichen und mentalen Gesundheit sowie zur sozialen Situation befragt.

Ein großer Bereich der Studie beschäftigte sich mit Bewegung und Sport. Nur etwa jedes zehnte Mädchen, jeder fünfte Junge sowie jeder achte der gender-diversen Heranwachsenden erfüllte demnach die Empfehlung der WHO für tägliche Bewegung von mindestens 60 Minuten. Je älter die Befragten waren, desto weniger bewegten sie sich. Während rund 15 Prozent der elfjährigen Mädchen die WHO-Bewegungsempfehlung erreichten, waren es bei den Fünfzehnjährigen nur knapp sieben Prozent, so die Studie. Und während die körperliche Aktivität von 2009 bis 2022 bei Jungen relativ stabil blieb, nahm diese bei Mädchen insgesamt leicht ab.

KKH-Auswertung: Kinder werden immer träger

Der Alltag vieler Kinder und Jugendlicher ist einer aktuellen Auswertung der KKH zufolge erschreckend bewegungsarm. Demnach stieg der Anteil schulpflichtiger Heranwachsender, die unter motorischen Entwicklungsstörungen leiden, von 2012 auf 2022 um 44 Prozent. Während das Plus bei den 6- bis 10-Jährigen demnach bei rund 30 Prozent liegt, beläuft es sich bei den 11- bis 14-Jährigen auf rund 66 Prozent und bei den 15- bis 18-Jährigen sogar auf fast 120 Prozent. Dabei seien im Jahr 2022 etwa zweieinhalbmal so viele Jungen betroffen gewesen wie Mädchen (4,3 zu 1,8 Prozent), so die KKH. Motorische Entwicklungsdefizite könnten die Grobmotorik betreffen, wie zum Beispiel Laufen und Klettern, sowie die Feinmotorik, also Bewegungen von Händen und Fingern, Gesicht und Mimik. Die Corona-Pandemie mit zeitweise geschlossenen Schulen und Sportvereinen habe den Trend bei den Jüngsten hin zu Bewegungsarmut forciert, lautet das Fazit.

Die KKH hat anonymisierte Daten zur Häufigkeit von Motorischen Entwicklungsstörungen von rund 190.000 KKH-Versicherten im Alter von sechs bis 18 Jahren für die Jahre 2012 und 2022 ausgewertet.

Zwar berichteten 84 Prozent der Kinder und Jugendlichen nach Selbsteinschätzung von einem guten eigenen Gesundheitszustand und 87 Prozent von einer hohen Lebenszufriedenheit. Diese habe sich gegenüber der Erhebung 2017/18 zwar verschlechtert, im Vergleich zu den Erhebungen 2009/10 sowie 2013/14 sei die Lebenszufriedenheit jedoch gestiegen, so die Studie. Jedoch konnte zwischen 2010 und 2022 ein kontinuierlicher Anstieg von vielfältigen psychosomatischen Beschwerden festgestellt werden, wie beispielsweise Bauch- oder Kopfschmerzen, Einschlafproblemen oder Gereiztheit. Dabei hätten Mädchen, gender-diverse Heranwachsende und ältere Jugendliche häufiger von einer schlechten Gesundheit, niedrigen Lebenszufriedenheit oder multiplen psychosomatischen Beschwerden berichtet.

Auch Mobbing und Cybermobbing wurden untersucht. So hat sich laut Studie die Häufigkeit von Mobbing in der Schule seit 2017 kaum verändert, der Anteil der von Cybermobbing betroffenen Schülerinnen und Schülern ist im Vergleich zu 2017 von vier auf sieben Prozent angestiegen.

Ein Viertel hat eine geringe Gesundheitskompetenz

Ein weiterer Schwerpunkt war die Gesundheitskompetenz, die sich laut Studie zwischen 2017/18 und 2022 kaum verändert hat. Für rund ein Viertel der Schülerinnen und Schüler lässt sich eine demnach geringe Gesundheitskompetenz ableiten. Die Gesundheitskompetenz hänge stark von den individuellen Umständen wie Geschlecht, Alter, Schulform und familiärem Wohlstand ab, heißt es weiter.

Ein wichtiger Aspekt war auch die Untersuchung gesundheitlicher Ungleichheiten: In Familien mit niedrigem Wohlstand haben laut Studie 24 Prozent der weiblichen Heranwachsenden eine niedrige Lebenszufriedenheit angegeben. Das war doppelt so häufig wie bei Schülern mit höherem sozioökonomischen Status. Bei männlichen Heranwachsenden mit niedrigem familiären Wohlstand hätten 17 Prozent eine niedrige Lebenszufriedenheit angegeben. Das sei dreimal so häufig wie bei Schülern mit höherem sozioökonomischen Status.

Der hohe Anteil von Kindern und Jugendlichen mit psychosomatischen Beschwerden sowie die aufgezeigten Geschlechts- und Altersdiskrepanzen verdeutlichten den Bedarf an zielgruppenspezifischer Prävention, Gesundheitsförderung und an einem kontinuierlichen Gesundheitsmonitoring, so das Fazit der Studie.

Die HBSC-Studie ist eine internationale Studie, an der 51 Länder beteiligt sind – nach eigenen Angaben eine der größten Studien zur Kinder- und Jugendgesundheit weltweit. Sie wurde in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt. Alle vier Jahre werden repräsentative Umfragen an Schulen durchgeführt. In Deutschland ist ein Studienverbund mit sieben Standorten mit der Studie beschäftigt. Die aktuellen Daten für Deutschland hat ein Forschungsverbund unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) und der Universitätsmedizin Halle erhoben. Eine umfassende internationale Einordnung der deutschen HBSC-Studienergebnisse mit anderen teilnehmenden Ländern wird voraussichtlich im Sommer 2024 veröffentlicht.

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