Expertenanhörung zur allgemeinen Impfpflicht gegen Corona

Rechtliche Bedenken – und eine Warnung vor Papiermangel

pr/pm
Praktische, rechtliche und systematische Bedenken gegen eine allgemeine Impfpflicht äußerten Experten bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss. Und die Kassen warnten: Es sei nicht sicher, ob es ausreichend Papier für die nötigen 60 Millionen Anschreiben an die Versicherten gebe.

Allgemeine Impfpflicht – Ja oder Nein? Das Thema bleibt stark umstritten. Neben Zustimmung äußerten Experten und Verbandsvertreter gestern bei einer Anhörung im Bundestags-Gesundheitsausschuss auch

praktische und systematische Bedenken gegenüber einer allgemeinen Impfpflicht. Rechtsexperten rieten vor allem, eine verpflichtende Impfung überzeugend zu begründen, um eine Niederlage vor Gericht zu verhindern. Grundlage der Anhörung waren fünf verschiedene Konzepte aus den Reihen der Abgeordneten für und gegen die allgemeine Impfpflicht, über die letzte Woche der Bundestag debattiert hatte.

Verfassungsrechtliche Probleme

Nach Ansicht des Medizinrechtlers Prof. Dr. Josef Franz Lindner, Universität Augsburg, wäre eine allgemeine Impfpflicht, die zeitnah umgesetzt würde, als „Vorratsimpfpflicht” verfassungsrechtlich problematisch. Den Gesetzgeber treffe die Pflicht zur Schaffung eines Vorratsgesetzes, nicht hingegen die einer Vorratsimpfpflicht „ins Blaue” hinein. Auch Dr. Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofes Berlin, hält die allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren derzeit für verfassungsrechtlich nicht ausreichend begründet. Es gelinge hier nicht, die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in der gebotenen Weise darzulegen.

Der Rechtsexperte Franz Mayer, Universität Bielefeld, kam hingegen zu dem Schluss, dass eine Impfpflicht ab 18 Jahren am besten den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspreche. Dass es keine letzten medizinischen Gewissheiten gebe, bedeute nicht, dass nicht gehandelt werden solle, sagte Mayer in der Anhörung. Der Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Hinnerk Wissmann, Münster, riet in der Anhörung nachdrücklich zu einfachen und unbürokratischen Lösungen. So sei etwa eine Beratungspflicht in der Umsetzung schwierig. Es stelle sich die Frage, wer das praktisch machen solle.

Zu viele Prüfpflichten – zu wenig Papier

Auf die zu erwartenden praktischen Schwierigkeiten bei der geplanten Umsetzung der Impfpflicht ab 18 durch die Krankenkassen hat der GKV-Spitzenverband hingewiesen – und damit auch für Wirbel in der medialen Berichterstattung gesorgt: Es sei nicht sicher, ob es überhaupt ausreichend Papier für die notwendigen 60 Millionen Anschreiben an die Versicherten gebe, führte der Verband angesichts des derzeitigen coronabedingten Papiermangels in Europa an.

Den Krankenkassen würden gegenüber ihren Versicherten umfangreiche Erhebungs-, Prüf- und Meldepflichten auferlegt, argumentiert der Verband in seiner Stellungnahme. Die Kassen seien aber keine Gesundheits- oder Ordnungsbehörden.

Vorgesehene Informationsanschreiben an die Versicherten bis zum 15. Mai seien organisatorisch im gesetzten Zeitrahmen nicht zu erfüllen. Bis dahin müssten die Kassen 1,8 Millionen Anschreiben pro Woche drucken und versenden. Das könnten Druckereien bis dahin nicht leisten. Außerdem müssten die 97 Krankenkassen gleichzeitig bei den gleichen Anbietern vorsprechen. Gleichzeitig verfügten die Krankenkassen nicht über die erforderlichen Daten, um die Versicherten in der vorgesehenen Weise sicher zu erreichen. Keinesfalls habe man sich in der Stellungnahme gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 ausgesprochen, stellte der Verband in einer Pressemeldung im Anschluss an die Anhörung noch einmal klar.

Aufklären und das „Impfloch“ aufstöbern

Die Virologin Melanie Brinkmann, Helmholtz-Zentrum Braunschweig, wies in der Anhörung darauf hin, dass sinnvoll sei, die Menschen über Impfungen systematisch aufzuklären, weil auch viele Falschinformationen dazu im Umlauf seien. Für solche Aufklärungen werde aber unbedingt geschultes, fachkundiges Personal benötigt. Und um eine zielgenaue Impfpflicht zu entwerfen, müsse vorab geklärt sein, wo das „Impfloch” überhaupt sei und welche Einzelmaßnahme helfen könne, es zu flicken, meinte der Virologe Prof. Klaus Stöhr.

Stellungnahme der Zahnärzteschaft zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht

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