Studie der Medizinischen Universität Wien

Schlafbruxismus kann Kiefergelenke schädigen

br/pm
Zahnmedizin
Eine Studie aus Wien hat untersucht, ob spezielle Kombinationen aus Zahnform und Zahnposition beim Knirschen einen Einfluss auf die mechanische Belastung des Kiefergelenks haben und dadurch als Risikofaktor für Erkrankungen in diesem Bereich gelten können.

Beim nächtlichen Zähneknirschen wird ein enormer Druck auf die Zahnflächen ausgeübt. Da liegt es nahe, einen Zusammenhang mit der Entstehung und Progression von Kiefergelenkserkrankungen zu vermuten, zumal Schlafbruxismus-Patienten nicht selten über Kiefergelenksschmerzen berichten. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch wissenschaftlich nicht gesichert und wird kontrovers diskutiert.

Eine Arbeitsgruppe um Benedikt Sagl von der Universitätszahnklinik der Medizinischen Universität Wien hat nun untersucht, ob Schlafbruxismus einen negativen Effekt auf die Kiefergelenksstrukturen nach sich ziehen kann. Ausgangspunkt ihrer Forschungen war die These, dass spezielle Kombinationen aus Zahnform und Zahnposition beim Knirschen einen Einfluss auf die mechanische Belastung des Kiefergelenks haben und dadurch als Risikofaktor für Erkrankungen in diesem Bereich gelten können.

Neigungswinkel und Position der Zahnkontakte spielen eine Rolle

Durchgeführt wurden die Untersuchungen an einem Computermodell der Kauregion, das Knochen-, Knorpel- und Muskelstrukturen enthält. Mithilfe solcher Computermodelle können Forschungsfragen untersucht werden, die aus ethischen Gründen an Patienten nicht direkt durchführbar sind.

Gegenstand der Forschung war das Zusammenspiel zweier Faktoren, die beim Zähneknirschen aufeinandertreffen. Einerseits handelt es sich dabei um die Form des betroffenen Zahns, insbesondere um den Neigungswinkel jenes Zahnhöckers, der beim Knirschen mit seinem Gegenüber in Kontakt ist. Andererseits wurde die Position des Zahnkontakts (die sogenannte Abnutzungsfacette) während einer dynamischen Knirschbewegung vom Forschungsteam berücksichtigt.

Im Rahmen der Studie wurden die Auswirkungen von seitlichem Knirschen am ersten Mahlzahn und am Eckzahn mit sechs verschiedenen Neigungen der Abnutzungsfacetten simuliert, was insgesamt zwölf simulierte Fälle ergibt.

Vor allem Steilheit der Knirschfacette ist ausschlaggebend

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sowohl Neigung als auch Position der Abnutzungsfacetten einen Einfluss auf die Stärke der mechanischen Belastung des Kiefergelenks haben”, erläutert Benedikt Sagl. „Vor allem aber scheint die Steilheit der Knirschfacette dafür ausschlaggebend zu sein. Je flacher der Zahn, desto höher fällt die Gelenksbelastung und damit das Risiko für eine Kiefergelenkserkrankung aus.”

Umgekehrt gilt: Haben die beim Bruxismus involvierten Zahnhöcker einen höheren Neigungswinkel, so konnte selbst bei gleicher „Knirschkraft” (Bruxierkraft) eine niedrigere Belastung im Gelenk berechnet werden.

Zahnmorphologie hat Effekt auf Belastung des Kiefergelenks

In ihrem Fazit sagen die Studienautoren: „Zusammengenommen deuten die Ergebnisse auf einen möglichen Effekt der Zahnmorphologie auf die Belastung des Kiefergelenks während des Bruxismus hin.” Ob diese Erkenntnis in die Entwicklung therapeutischer Maßnahmen bei Schlafbruxismus einfließen kann, sollen nun weitere mit klinischen Untersuchungen gekoppelte Forschungen zeigen.

Die Prävalenz von Schlafbruxismus bei Erwachsenen wird in der aktuellen S3-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung von Bruxismus” mit 12,8 Prozent ± 3,1 Prozent angegeben. Wachbruxismus kommt häufiger vor – allerdings wird die Prävalenz hier mit einer größeren Spanne von 22,1 Prozent bis 31 Prozent angegeben.

Benedikt Sagl et al., „Effect of facet inclination and location on TMJ loading during bruxism: An in-silico study”, Journal of Advanced Research, Volume 35, 2022, Pages 25-32, ISSN 2090-1232,https://doi.org/10.1016/j.jare.2021.04.009.

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