Ultrahochverarbeitet ist ultraschlecht für das Gehirn!
In ihrem Ernährungsbericht von 2023 definiert die Deutsche Ernährungsgesellschaft ultrahochverarbeitete Lebensmittel („ultraprocessed foods“/UPF) als „Lebensmittel und Getränke, bei deren Herstellung die eingesetzten Rohstoffe einem umfangreichen industriellen Verarbeitungsprozess unterzogen wurden, und die in der Regel eine Vielzahl von zusätzlichen Zutaten, insbesondere Zusatzstoffe (z.B. Aromen, Konservierungsmittel, Farbstoffe) und energiereiche Inhaltsstoffe mit geringer Essenzialität (gesättigte Fettsäuren, Zucker), enthalten.“ [1]
UPF erhöhen das Schlaganfall- und Diabetesrisiko. Und begünstigen Depessionen.
Der Bericht zeigt einen Zusammenhang zwischen UPF und Übergewicht/Adipositas, Hypertonie, Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen auf, meldet die DGN. Dazu gehört auch der Schlaganfall, zu dem es wiederum häufig in Folge von Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes kommt. „Allein deshalb sollte man den Verzehr dieser energiedichten, verarbeiteten Lebensmittel auf ein Minimum begrenzen. Aktuelle Daten zeigen allerdings, dass es noch weitere Gründe gibt: UPF erhöhen auch das Demenz- und Parkinson-Risiko und können Depressionen begünstigen.“
Und trotzdem konsumieren die Deutsche viele UPF
„Fast Food, Fertigpizza, Dosenravioli, Instantsuppe oder Mikrowellengerichte – wir alle kennen die Vorteile: In wenigen Minuten steht das Essen auf dem Tisch, und zwar ganz ohne die ,lästige' Kocharbeit“, so die DGN. Die Nachteile wie hohe Energiedichte, wenig Vitamin- und Ballaststoffgehalt, viele künstliche Zusatzstoffe – und daraus resultierend ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bei häufigem Verzehr dieser Produkte – würden hingegen wenig wahrgenommen.
Zumindest ist der Konsum von UPF hoch: Deutschland liegt mit fast 39 Prozent der gesamten Energieaufnahme aus hochverarbeiteten Lebensmitteln (Nahrung und Getränke) weit oben im europäischen Vergleich [2]. Und das Geschäft boomt: 2025 sollen etwa 6,58 Milliarden Euro allein mit Fertiggerichten umgesetzt werden, und es wird in den Folgejahren mit einem jährlichen Umsatzplus von mehr als 5 Prozent gerechnet [3].
Beispiel Fertigpizza: viel zu viele Kalorien, Fett, Zucker und Salz
Beworben würden vermeintliche gesunde Aspekte des Produkts und damit suggeriert, es handele sich insgesamt um ein gesundes Lebensmittel. Beispiel Fertigpizza: Mit einer 400 Gramm-Salamipizza nimmt man 857 Kalorien zu sich, 28 Gramm Fett, 14 Gramm Zucker und 5,8 Gramm Salz, das übrigens den empfohlenen Tagesbedarf nahezu deckt (97 Prozent) [4]. Die vegane Alternative enthält 100 Kalorien weniger, gleich viel Zucker, zwar weniger Salz („nur“ 58 Prozent des Tagesbedarfs), dafür aber mit 35 Gramm mehr Fett [4].
„Unterm Strich kein großer Unterschied also“, kommentiert die Fachgesellschaft. Lobenswert sei allerdings, dass der Nutri-Score auf beiden Pizzen dieses Herstellers Aufschluss darüber gibt und den Verbrauchern einen schnellen Vergleich ermöglicht. „Es wäre wünschenswert, wenn diese Nährstoff-Ampel auf allen Verpackungen verpflichtend wäre“, erklärt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.
Mit jeder Portion steigt die Gefahr von Alzheimer und Demenz
Verschiedene große Studien legen nahe, dass es zwischen UPF und Demenz einen Zusammenhang gibt. Ein systematisches Review anhand einer Metaanalyse [5] zeigte beispielsweise im Vorjahr, dass ein hoher UPF-Konsum mit einem 44 Prozent höherem Demenzrisiko (jedweder Ursache) einhergeht.
Eine aktuelle Analyse der Framingham-Kohorte [6] untersuchte den Einfluss von UPF in den mittleren Lebensjahren (bei Menschen unter 68 Jahre zu Beginn der Erhebung) auf das spätere Alzheimer-Risiko. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die im Durchschnitt über 12 Jahre lang mehr als zehn Portionen verarbeitete Lebensmittel am Tag konsumierten, ein 2,7-fach erhöhtes Alzheimer-Risiko hatten. Das Risiko stieg mit der Menge des Konsums an: Jede Portion ultraverarbeiteter Lebensmittel pro Tag ging nach dieser Zeitspanne im Durchschnitt mit einem um 13 Prozent erhöhtem Alzheimer-Risiko einher.
„Auch wenn diese Analysen methodisch hochwertig sind, handelt es sich lediglich um retrospektive Beobachtungsdaten, die immer Bias-behaftet sein können. Besonders beunruhigend ist allerdings, dass 2022 eine erste prospektive Studie [7] ebenfalls einen Zusammenhang zwischen hochprozessierten Lebensmitteln und Demenzrisiko zeigte“, erklärte Berlit. In der Studie ging jede Erhöhung des UPF-Konsums um zehn Prozent mit einer 25-prozentigen Erhöhung des Demenzrisikos und 14-prozentigen Erhöhung des Alzheimer-Risikos einher. „Angesichts dieses Ergebnisses und der vielen retrospektiven Studien, die in die gleiche Richtung deuten, halten wir einen Zusammenhang für wahrscheinlich und möchten darüber informieren.“
Wie lässt sich dieser Zusammenhang erklären?
Wie Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, ausführt, sind die Mechanismen nicht vollständig geklärt, vermutet werden aber verschiedene Wege, wie hochprozessierte Nahrung zu einer Demenz beitragen kann.
„Zum einen gibt es den indirekten Zusammenhang via Übergewicht und den Folgekrankheiten Bluthochdruck und Diabetes, die mit einem höheren Demenzrisiko einhergehen. Daneben geht man von einem Mechanismus aus, der über das Darmmikrobiom vermittelt wird: Prozessierte Lebensmittel enthalten viele gesättigte Fette, Transfette, raffinierte Kohlenhydrate, Salz und wenig Ballaststoffe, was die mikrobielle Vielfalt im Darm verändern kann. Wir wissen, dass diese Veränderungen via Darm-Hirn-Achse krankmachende Veränderungen im Gehirn nach sich ziehen können.“
Last, but not least könnten auch einzelne Stoffe, wie künstliche Aromen oder andere Zusatzstoffe direkt neurotoxisch wirken und die Entstehung einer Demenz begünstigen. In Verdacht stehen zum Beispiel Glutamat, Nitrate und seit Kurzem auch Mikroplastik [8]: "Hier fehlen bisher aber Beweise für einen kausalen Zusammenhang.“
Auch Parkinson und psychische Störungen nehmen zu
UPF scheinen auch einen Einfluss auf das Parkinson-Risiko zu haben. Eine prospektive Kohorten-Analyse aus neun europäischen Ländern [9] zeigte, dass die Parkinson-spezifische Mortalität bei hohem UPF-Konsum um 23 Prozent höher lag.
Wie Erbguth unterstreicht, ergab die Studie im Umkehrschluss auch, dass sich das Risiko durch eine Ernährungsumstellung beeinflussen lässt. „Der Ersatz von zehn Gramm ultraverarbeiteter Lebensmittel pro Tag durch die gleiche Menge unverarbeiteter Lebensmittel ging mit einem geringeren Risiko für die Gesamtsterblichkeit und die ursachenspezifische Sterblichkeit einher. Wir selbst haben also die Möglichkeit, hier direkt Einfluss zu nehmen.“
Dabei haben wir es selbst in der Hand
Auch interessant: In einer aktuellen Arbeit wird auf das höhere Risiko für psychische Störungen, Angststörungen und depressive Störungen durch den Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel hingewiesen [10]. Eine australische Erhebung [11] hatte zuvor gezeigt, dass der Konsum von UPF mit einem elfprozentigen Anstieg des Depressionsrisikos verbunden war.
„Insgesamt lässt sich feststellen, dass wir uns mit Fast Food und Fertiggerichten, was die Hirngesundheit angeht, keinen Gefallen tun“, schlussfolgert Berlit. „Ernährung ist ein wichtiger Baustein für die Hirngesundheit, und es ist inzwischen gut belegt, dass wir uns mit einer frischen, Salat-, Gemüse- und Ballaststoff-betonten Ernährungsweise vor vielen Krankheiten schützen können.“
[1] https://www.dge.de/fileadmin/dok/wissenschaft/ernaehrungsberichte/15eb/15-DGE-EB-Vorveroeffentlichung-Kapitel9.pdf (S. 9).
[2] Mertens E, Colizzi C, Peñalvo JL. Ultra-processed food consumption in adults across Europe. Eur J Nutr. 2022 Apr;61(3):1521-1539. doi: 10.1007/s00394-021-02733-7. Epub 2021 Dec 3. PMID: 34862518; PMCID: PMC8921104.
[3] https://de.statista.com/outlook/cmo/lebensmittel/convenience-food/fertiggerichte/deutschland
[4] https://www.oetker.de/produkte/p/die-ofenfrische-diavolo und <link url="https://www.oetker.de/produkte/p/ristorante-margherita-pomodori-vegan" target="new-window" url-fragment="" seo-title="" follow="follow">https://www.oetker.de/produkte/p/ristorante-margherita-pomodori-vegan
[5] Henney AE, Gillespie CS, Alam U, Hydes TJ, Mackay CE, Cuthbertson DJ. High intake of ultra-processed food is associated with dementia in adults: a systematic review and meta-analysis of observational studies. J Neurol. 2024 Jan;271(1):198-210. doi: 10.1007/s00415-023-12033-1. Epub 2023 Oct 13. PMID: 37831127; PMCID: PMC10770002.
[6] Weinstein G, Kojis D, Banerjee A, Seshadri S, Walker M, Beiser AS. Ultra-processed food consumption and risk of dementia and Alzheimer's disease: The Framingham Heart Study. J Prev Alzheimers Dis. 2025 Feb;12(2):100042. doi: 10.1016/j.tjpad.2024.100042. Epub 2025 Jan 1. PMID: 39863327; PMCID: PMC12184002.
[7] Li H, Li S, Yang H, Zhang Y, Zhang S, Ma Y, Hou Y, Zhang X, Niu K, Borné Y, Wang Y. Association of Ultraprocessed Food Consumption With Risk of Dementia: A Prospective Cohort Study. Neurology. 2022 Sep 6;99(10):e1056-e1066. doi: 10.1212/WNL.0000000000200871. Epub 2022 Jul 27. PMID: 36219796.
[8] Gecegelen E, Ucdal M, Dogu BB. A novel risk factor for dementia: chronic microplastic exposure. Front Neurol. 2025 May 30;16:1581109. doi: 10.3389/fneur.2025.1581109. PMID: 40520605; PMCID: PMC12162254.
[9] González-Gil EM, Matta M, Morales Berstein F et al. Associations between degree of food processing and all-cause and cause-specific mortality: a multicentre prospective cohort analysis in 9 European countries. Lancet Reg Health Eur. 2025 Jan 8;50:101208. doi: 10.1016/j.lanepe.2024.101208. PMID: 39867840; PMCID: PMC11764076.
[10] Muncke J, Touvier M, Trasande L, Scheringer M. Health impacts of exposure to synthetic chemicals in food. Nat Med. 2025 May;31(5):1431-1443. doi: 10.1038/s41591-025-03697-5. Epub 2025 May 16. PMID: 40379996.
[11] Mengist B, Lotfaliany M, Pasco JA et al. The risk associated with ultra-processed food intake on depressive symptoms and mental health in older adults: a target trial emulation. BMC Med. 2025 Mar 24;23(1):172. doi: 10.1186/s12916-025-04002-4. PMID: 40128798; PMCID: PMC11934811.