Schützen Plexiglasscheiben wirklich vor Aerosolen?
Plexiglasscheiben gehören in vielen Alltagssituationen zur Normalität. Die physische Barriere kommt in Schulen, Gastronomie und im Einzelhandel sowie an Rezeptionen als Schutzschild gegen kontaminierte Tröpfchen und Aerosole zum Einsatz.
Jetzt zeigen Studien aus den USA und Großbritannien, dass die Scheiben bei direktem Niesen und Husten zwar einen Großteil der ausgestoßenen Partikel abhalten, Luftströme jedoch auch so beeinträchtigen können, dass der Luftaustausch behindert wird. Im Ergebnis verbleiben Aerosole länger in den Räumen.
In „toten Zonen” können sich die Aerosole sammeln
Während in Geschäften, Klassenzimmern und Großraumbüros regelmäßiges Lüften im Intervall von 15 bis 30 Minuten den Austausch der Luft wirksam herbeiführen kann, können Schutzscheiben die Aerosol-Zerstreuung im Raum blockieren. In der Folge können sich dadurch sogar „tote Zonen” bilden, in denen sich die Aerosole sammeln und verdichten, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das wiederum erhöhe die Ansteckungsgefahr.
Luft (und damit die Aerosole) kann sich zwischen den aufgestellten Scheiben sammeln anstatt abzuziehen, erläuterte Linsey Marr von der Virginia Tech University, USA, gegenüber der New York Times die Gefahr. Die erhoffte Schutzwirkung sei somit nicht nur verringert, sondern führe für Personen, die sich längere Zeit in den Räumen aufhalten, womöglich zu einem Risiko.
Bei kurzen Kontakten könnte die Scheibe schützen
Britische Forscher untersuchten ie Schutzwirkung in Modellstudien, bei denen ein von einer Plexiglasscheibe getrennter Personenkontakt simuliert wurde. Ergebnis: Anders als beim Niesen oder Husten schweben Aerosole als Folge normalen Sprechens minutenlang durch die Luft und gelangen auch hinter die Absperrung. Eine Kontaminierung kann so nicht verhindert werden.
Vor allem Personen, die sich länger und ohne weitere Schutzmaßnahmen in dem Raum hinter der Scheibe aufhalten, seien dann gefährdet, erläutert Studienautorin Prof. Catherine Noakes von der University of Leeds, England. Außerdem seien viele Scheiben schlecht positioniert und damit wenig effektiv.
Besonders in Großraumbüros und Klassenräumen, in denen sich Personen längere Zeit aufhalten, würden Schutzwände wenig nützen, da die Behinderung der Luftströme schwerer wiegt als die Schutzwirkung gegen größere Partikel. Angestellte, die in einer Arztpraxis durch eine Plexiglasscheibe mit Patienten kommunizieren, könnten aber zumindest teilweise durch die Barriere geschützt sein, da der Kontakt hierbei eher kurz ist.
Im Großraum besser Lüften, filtern, Maske tragen
Mit der Situation in Großräumen wie Klassenzimmern und Büros beschäftigten sich auch die US-Gesundheitsbehörde CDC und das Department of Public Health im US-Bundesstaat Georgia. Dabei konnten die Forschenden zeigen: Wurde in den Klassenräumen regelmäßig gelüftet, sank die Inzidenz bereits um 35 Prozent. In Kombination mit einer Luftfilterung verringerte sich der Wert um 48 Prozent. Daher empfehlen die Studienautoren für Großraum-Situationen das Tragen einer Maske und den Einsatz von Luftfiltern zusammen mit regelmäßigem Lüften.
Ein Problem bestehe auch darin, dass die Errichtung der Schutzscheiben und -wände in Büros, Restaurants und Schulen häufig ohne die Hilfe von technischen Experten erfolgt, die den Luftstrom und die Belüftung für jeden Raum beurteilen können, urteilten die Autoren.
Environmental Modelling Group: „Role of screens and barriers in mitigating COVID-19 transmission“ published in on July 1, 2021.https://www.gov.uk/government/publications/emg-role-of-screens-and-barriers-in-mitigating-covid-19-transmission-1-july-2021Gettings, J. et al.: „Mask Use and Ventilation Improvements to Reduce COVID-19 Incidence in Elementary Schools — Georgia, November 16–December 11, 2020“ published in Morbidity and Mortality Weekly Report on May 28, 2021.https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/70/wr/mm7021e1.htm