Evolution der Längsteilung und Multizellularität bei Mundbakterien

So entwickeln sich raupenartige Bakterien in unserem Mund

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Zahnmedizin
Um in der Mundhöhle überleben zu können, haben sich einige Bakterien so entwickelt, dass sie sich entlang ihrer Längsachse teilen, ohne sich voneinander zu trennen. Das fand ein Forschungsteam aus Wien und Québec heraus.

In ihrer Arbeit beschreiben die Wissenschaftler die Teilungsweise raupenartiger Bakterien aus der Familie der Neisseriaceae sowie deren Evolution. Ihre These: Die Bakterien könnten als Reaktion auf die schwierigen Lebensbedingungen im Mund eine neue Art der Vermehrung entwickelt haben.

Während sich Bakterien in Stäbchenform quer teilen und dann voneinander ablösen, heften sich einige kommensale Neisseriaceae mit ihren Spitzen an das Innere der Mundhöhle und teilen sich entlang ihrer Längsachse. Nach der Zellteilung bleiben sie aneinander haften und bilden raupenartige Fäden.

Die Multizellularität lindert den Ernährungsstress

Einige Zellen in der entstehenden Zellkette nehmen unterschiedliche Formen an, möglicherweise um bestimmte Funktionen zum Nutzen der Zellkette zu erfüllen. „Die Multizellularität ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen den Zellen, zum Beispiel in Form von Arbeitsteilung, und könnte daher den Bakterien helfen, Ernährungsstress zu überleben”, schreiben die Autoren in der Studie.

Das Team setzte zunächst Elektronenmikroskopie ein, um die bakterielle Zellform in der gesamten Familie der Neisseriaceae zu untersuchen, zu der neben den raupenartigen Fäden auch die beiden Standardzellformen Stäbchen und Kokken gehören.

Durch den Vergleich ihrer Zellformen und Genome in der gesamten Familie der Neisseriaceae konnten die Forscher ableiten, dass sich die mehrzelligen, sich längs teilenden Bakterien aus stäbchenförmigen, sich quer teilenden Bakterien entwickelt haben. Außerdem konnten sie feststellen, welche Gene wahrscheinlich für die ungewöhnliche Vermehrungsstrategie verantwortlich sind.

Längere dünnere Zellen gedeihen in der Mundhöhle besser

Anschließend machten sie mithilfe von Fluoreszenzmarkierungen den Verlauf des Zellwachstums in den mehrzelligen Bakterien sichtbar und verglichen deren genetische Ausstattung mit stäbchenförmigen Arten. Schließlich versuchten die Forscher, diese Evolution nachzuvollziehen, indem sie die genetischen Veränderungen in stäbchenförmige Neisseriaceae einführten. Obwohl sie die stäbchenförmigen Bakterien nicht dazu zwingen konnten, mehrzellig zu werden, führte die genetische Manipulation zu längeren und dünneren Zellen.

„Wir vermuten, dass sich die Zellform im Laufe der Evolution durch eine Überarbeitung der Verlängerungs- und Teilungsprozesse verändert hat, vielleicht um in der Mundhöhle besser gedeihen zu können”, sagt Frédéric Veyrier vom Institut national de la recherche scientifique (INRS) in Québec.

„Abgesehen davon, dass sie uns helfen zu verstehen, wie sich die Zellform entwickelt hat, könnten mehrzellige Neisseriaceae nützlich sein, um zu untersuchen, wie Bakterien gelernt haben, an der Oberfläche von Tieren zu leben. Die Hälfte von uns Menschen trägt diese Bakterien übrigens im Mund”, ergänzt Silvia Bulgheresi vom Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie an der Universität Wien.

Nyongesa, S., Weber, P.M., Bernet, È. et al. Evolution of longitudinal division in multicellular bacteria of the Neisseriaceae family. Nat Commun 13, 4853 (2022).https://doi.org/10.1038/s41467-022-32260-w

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