So hält man Kollegen über 50 im Job!
Der wachsende Arbeitskräftemangel sei inzwischen eine der ganz großen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft, betonte TK-Chef Dr. Jens Baas bei der Präsentation des Reports in Berlin. Laut Statistischem Bundesamt ist fast ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland zwischen 55 und 64 Jahren alt und geht in den nächsten Jahren in Rente. „Der Nachwuchs ist knapp und wird von den Personalabteilungen der Republik hart umworben im Kampf um die besten Köpfe“, schilderte Baas die Lage.
Die Alten sind nicht zu unterschätzen
Dabei seien ältere Beschäftigte eine wichtige Ressource zur Fachkräftesicherung: Denn sie verfügen Baas zufolge über wertvolles Erfahrungswissen, sind hochqualifiziert und in der Regel ihrem Arbeitgeber loyal verbunden. „Die Generation 50+ wird im besten Fall noch mehr als 15 Jahre arbeiten! Umso wichtiger für die Wirtschaft, den Fokus auf die konkreten Wünsche und Bedürfnisse der älteren Beschäftigten zu legen und diese auch umzusetzen“, machte er deutlich.
Um die Generation Ü50 zu erforschen, hat Deutschlands größte Krankenkasse zwei Umfragen und eine umfangreiche Datenauswertung in Auftrag gegeben und die Arbeitnehmer selbst zu ihrer Jobsituation befragt. Ihre Antworten zeigen, dass die Arbeitszufriedenheit umso höher ist, je sinnhafter die eigene Arbeit wahrgenommen wird und je diverser und gleichberechtigter das Unternehmen arbeitet. Auch ein wertschätzender und gerechter Führungsstil ist Älteren wichtig, ebenso ein guter Umgang mit Fehlern und Krisen. Je sicherer die Arbeitsbedingungen sind, desto höher fällt auch die Zufriedenheit aus.
Tendenziell blieben ältere Angestellte in kleineren Betrieben wegen der persönlichen Nähe länger bei der Stange, bilanziert die TK. Je höher die Verbundenheit, umso später wollen Angestellte in den Ruhestand. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Flexibilität: Wer seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort flexibel gestalten und damit damit weniger Konflikte zwischen Work und Life hat, scheidet in der Generation später aus dem Berufsleben aus. Umgekehrt bedeutet das: Wer einen großen Widerstreit zwischen Arbeits- und Privatleben spürt, will früher gehen, unabhängig vom finanziellen Polster.
Nur knapp die Hälfte der Befragten will aber mit dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in den Ruhestand, gut 17 Prozent könnten sich vorstellen, darüber hinaus zu arbeiten, 4,7 Prozent der Befragten taten oder tun dies bereits. Fast ein Drittel möchte hingegen früher iim Job abtreten als mit 67 Jahren.
Das wollen Beschäftigte Ü50:
1. Anpassung der Arbeitszeit an die individuellen Bedürfnisse
2. Unterstützung, den Eintritt in den Ruhestand individuell zu gestalten
3. ein höheres Gehalt
4. Möglichkeiten, zwischen Teilzeit und Vollzeit zu wechseln
5. gesundheitsförderliche Maßnahmen
Eine der wichtigsten Stellschrauben ist, die eigene Arbeitszeit individuell anpassen zu können. Doch während fast drei Viertel der Befragten (73,7 Prozent) sich diese Option wünschen, hat nur ein Drittel (35,8 Prozent) auch wirklich die Möglichkeit, zeigt die Umfrage. Ähnlich sieht es bei der Gehaltserhöhung aus: Zwei Drittel (66,5 Prozent) gaben an, dass mehr Geld sie dazu bringen würde, länger im Berufsleben zu bleiben – nur 18 Prozent haben das auch erreicht. Unterm Strich geht aus der Befragung hervor, dass sich ältere Beschäftigte eine größere Selbstbestimmung im Job wünschen.
Eine Flexibilisierung wünschen sich vor allem auch ältere Beschäftigte, die sich eigentlich leisten könnten, früher aus der Arbeitswelt auszusteigen. Ähnlich bewertet diese Zielgruppe das Angebot gesundheitsförderlicher Maßnahmen.
Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen den Maßnahmen, die sich die Ü50-Beschäftigten wünschen, und ihrer Gesundheit: Jobsharing oder der Wechsel in Aufgabenfelder, die den Kompetenzen besser entsprechen, werden signifikant häufiger von denen gewünscht, die ihre psychische Gesundheit als (über)durchschnittlich gut bewerten.
Wie wichtig die Gesundheit für ein langes Arbeitsleben ist, zeigt der zweite Teil des Reports. Das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen hat die Abrechnungsdaten von mehr als 420.000 älteren TK-Versicherten ausgewertet, um die Gründe für ein frühes oder eher späteres Ausscheiden aus dem Beruf zu erforschen. Ergebnis: Je weniger Fehlzeiten Beschäftigte in jüngeren Jahren hatten, desto eher waren sie mit 67 auch noch berufstätig.
Das Abstellgleis ist der sichere Rausschmeißer
Dabei spielen die Unternehmenskultur, der Führungsstil und das Betriebsklima eine entscheidende Rolle. Vertrauen und Wertschätzung auf beiden Seiten stärken Bindung und Zufriedenheit. Sogenannte „Health Benefits“, zusätzliche Gesundheitsleistungen, die der Arbeitgeber finanziert, können ein weiterer Baustein sein.
Ganz wichtig: Arbeitgeber sollten keinen Raum für Altersdiskriminierung im Betrieb zulassen und Vorbehalte gegen ältere Kollegen abbauen. „Wer sich nach den Bedürfnissen, dem Gesundheitszustand und Wohlbefinden seiner älteren Belegschaft erkundigt, zeigt Interesse und kann einiges erfahren“, sagte Dr. Fabian Krapf, Geschäftsführer Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG). Gleichzeitig sollten Chefinnen und Chefs nicht die Erwartungen an Ältere zurückschrauben, sondern klarmachen, dass man ihre Leistung nach wie vor erwarte und dafür gegebenenfalls Anpassungen vornehme.
Kommt das Gefühl auf, langsam aber sicher überflüssig am Arbeitsplatz zu werden, könne das enorm die Motivation bremsen und dazu führen, dass der Angestellte tatsächlich aussteigt. Themen wie Fortbildung und Karrieregestaltung bleiben daher auch für Ältere wichtig.
Das können Arbeitgeber aus dem Report ableiten
Neben Geschlecht, finanziellen Ressourcen, Betriebsgröße und Betriebszugehörigkeit hat gerade die Unternehmenskultur einen starken Effekt darauf, wann Beschäftigte in den Ruhestand gehen möchten:
Die Verbindung zum Arbeitgeber und der Grad an Flexibilisierung und Selbstbestimmung haben den stärksten Effekt auf die Bindung von älteren Beschäftigten. Besonders Großunternehmen haben da noch Aufholbedarf.
Je sinnstiftender Beschäftigte ab 50 Jahren ihre Arbeit empfinden, desto später planen sie, in Rente zu gehen.
Je flexibler sie ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort gestalten können und je niedriger der Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben wahrgenommen wird, desto später wollen die Beschäftigten, aus dem Berufsleben ausscheiden.
KI und neue Technologien sollten als Entlastung eingesetzt und Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Beschäftigte genutzt werden, um psychische und körperliche Belastungen zu reduzieren.
Aktuell sind ältere Mitarbeitende tendenziell zwar eher zögerlich, was Künstliche Intelligenz (KI) angeht, doch eingesetzt für eher unbeliebte oder repetitive Aufgaben im Arbeitsalltag, etwa in der Administration oder Abrechnung, könne sie den Arbeitnehmern Entlastung und dadurch mehr Zeit für erfüllendere Tätigkeiten verschaffen. Denn auch für die Älteren im Team ist eine sinnstiftende Tätigkeit sehr wichtig – gerade in Hinblick auf die Langstrecke im Berufsleben.
Für den Gesundheitsreport 2024 wertete die TK die Krankschreibungen von 5,7 Millionen bei ihr versicherten Erwerbspersonen aus. Dazu zählten auch Empfänger von Arbeitslosengeld I. Außerdem wurden die Abrechnungsdaten von mehr als 420.000 TK-Versicherten ausgewertet, die Anfang 2013 berufstätig waren und zwischen 2014 bis 2023 ein Alter von 67 Jahren erreicht hatten oder verstorben sind. Zusätzlich wurden im Januar 2024 online bundesweit 1.021 Beschäftigte ab 50 Jahren und 311 Arbeitgeber zu den Themen Renteneintritt und Mitarbeiterbindung befragt.