Bremer Studierende entwickeln Spiel für Chirurgen

So helfen Töne beim Operieren

ck/pm
Praxis
Studierende der Universität Bremen haben ein Spiel entwickelt, das in der minimalinvasiven Chirurgie das räumliche Orientieren trainiert - mit einem „Wegweiser durch Töne“.

3-D-Computermodelle ermöglichen Chirurgen eine räumliche Orientierung: Mithilfe des Modells werden die optimale Einstichstelle, der beste Einstichwinkel und die optimale Stichtiefe einer Ablationsnadel gewählt. Während der OP wird dann die Spitze der chirurgischen Nadel verfolgt und als virtuelle Nadel im Computermodell angezeigt.

Daten werden via Klang dargestellt

Die Bremer Studierenden wählten für ihre Masterarbeit jedoch keinen räumlichen, sondern einen akustischen Ansatz. Das heißt, Daten werden via Klang dargestellt. Musikwissenschaftler Dr. Tim Ziemer vom Bremen Spatial Cognition Center (BSCC) der Universität Bremen  entwickelte mit dem Kognitionswissenschaftler PD Dr. Holger Schultheis, der Psychologie-Doktorandin Tina Vajsbaher und elf Master-Studierenden ein Android- und Windows-Spiel, das bald auf weiteren Plattformen laufen soll.

Die verschiedenen Merkmale des Klangs verraten den Spielenden eine Position im dreidimensionalen Raum. Im Laufe des Spiels lernt man, die einzelnen Dimensionen des Klangs zu interpretieren: Wie weit links oder rechts, oben oder unten, vorne oder hinten ist das Ziel? So kann man zwei und schließlich sogar alle drei Dimensionen so kombinieren, dass man blind im dreidimensionalen Raum navigieren kann.

Töne hören bei der OP

„Den Spielenden macht das Ganze hoffentlich einfach nur viel Spaß. Sie werden unterhalten, schulen ihr Gehör, versuchen Experten-Status zu erreichen und den High-Score zu knacken“, sagte Ziemer. „Die Tatsache, dass sie durch ihr Spielen in Zukunft vielleicht sogar Leben retten können, ist ein zusätzlicher Antrieb.“ Die akustische Orientierung im Raum solle Chirurgen eines Tages bei der komplexen räumlichen Zielfindung bei minimalinvasiven Eingriffen genauso helfen wie die Visualisierung.

Hören ist weniger anstrengend als Sehen

Ziel sei, dem „optischen Wegweiser“ einen „akustischen Wegweiser“ hinzuzufügen, sagte Schultheis. Das Problem der bildgebenden Verfahren sei, dass die räumliche Orientierung sehr viele Hirnressourcen in Anspruch nimmt. Der Computerbildschirm zeige die räumliche Konstellation nämlich nicht aus Sicht der Operierenden, die deswegen die Grafik mental skalieren, rotieren und verschieben und insbesondere die Tiefendimension aus der zweidimensionalen Bildschirmdarstellung ableiten müssten.

„Das bedeutet viel Training, und Eingriffe können anstrengend sein", hob Schultheis hervor. Der akustische Wegweiser verringere die Belastung der Chirurgen und könne dadurch die Patientensicherheit erhöhen. „Die Unterstützung durch unser Verfahren würde außerdem noch präzisere Eingriffe ermöglichen und die Operation von Tumoren erlauben, die gefährlich nahe an großen Arterien, wichtigen Nerven oder empfindlichen Membranen liegen.“

„Die Töne sagen den Chirurginnen und Chirurgen in Echtzeit und aus ihrer Perspektive, ob die Nadel nach links/rechts, oben/unten oder vor/zurück muss – und auch genau wie weit“, führte Ziemer aus. „Das ist zu jeder Zeit und auf Wunsch im Bereich von Zehntelmillimetern möglich." Das Team habe gezeigt, dass Menschen nach einem 30-Minuten-Training mit dem „Ton-Wegweiser“ ein vier Millimeter großes Ziel in einem 20-mal 20 Zentimeter großem Raum genauso zuverlässig finden wie mit visueller Hilfestellung.

Zurzeit bereiten die Entwickler Experimente in einer chirurgischen Umgebung vor.

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