Untersuchung am Beispiel des BR-Chors

So verteilen sich Aerosole beim Singen

silv/pm
Gesellschaft
Wie gefährlich ist Chorsingen zu Corona-Zeiten? Forscher der UniKliniken München und Erlangen haben mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks die abgestrahlten Aerosol-Wolken beim Singen untersucht.

Sänger sind vorsichtig geworden – nach Ansteckungsfällen bei Chören in den USA, Amsterdam, aber auch in Bayern und Berlin wollte der Bayerische Rundfunk (BR) wissen: Wie hoch ist das Risiko, dass sich Mitglieder seiner Klangkörper mit dem SARS-CoV-2-Virus anstecken könnten?

Ziel der Untersuchung war, die Abstrahlung und Verteilung sowohl von größeren Tröpfchen als auch von Aerosolen beim reinen Singen, Sprechen und Singen von Texten zu messen. Im Unterschied zu Studien, die sich auf Strömungsgeschwindigkeiten von Partikeln bezogen, wurden in diesen Versuchen die Ausbreitung und Verteilung der Tröpfchen und Aerosole im Raum näher untersucht.

Aerosol-Wolken wurden sichtbar gemacht und vermessen

Die Wissenschaftler bauten dazu zwei Versuchsanordnungen auf. In diesen beiden Settings ließen sie jeweils zehn Probanden aus dem Chor sowie zehn Bläser aus dem Symphonieorchester des BR nacheinander definierte Passagen in verschiedenen Lautstärken singen, sprechen und spielen. Die Auswertung zu den Messungen mit den Blasinstrumenten steht noch aus.

Im ersten Setting hielten Hochgeschwindigkeitskameras und Laser-Equipment die Verteilung beim Sprechen und Singen fest. Im zweiten Setting wurde mithilfe von Kameras und Weißlicht analysiert, wie die Aerosole Mund und Nase verlassen und sich im Raum ausbreiten. Um die Verteilung der Aerosole sichtbar zu machen, inhalierten die Probanden eine Trägerlösung von E-Zigaretten, die dann bei und nach der Stimmgebung im hellen Licht sichtbar war.

Mehr Abstand als in Bus oder Supermarkt ist sinnvoll

Das Ergebnis: Zu ihren Kollegen nach vorne sollten die Chormitglieder einen größeren Abstand einhalten als zur Seite. Immer vorausgesetzt, dass der Raum permanent gelüftet wird und damit die Aerosole regelmäßig durch Frischluft entfernt werden. Besser wäre es noch, wenn es zwischen den Sängerinnen und Sängern Trennwände gäbe.

„Wir haben nach vorne hin im Mittel Abstände von etwas weniger als einem Meter für den gesungenen Text gemessen, einige Sänger erreichten allerdings auch Weiten von 1 bis 1,5 Meter, so dass Sicherheitsabstände von 1,5 Metern wohl zu gering sind und Abstände von 2 bis 2,5 Meter sinnhafter erscheinen. Die Daten beziehen sich allerdings nur auf die direkte Ausbreitung durch den Eigenimpuls beim Singen. Für die Sicherheit der Sänger ist es aber wichtig, dass die Aerosole auch permanent aus dem Raum entfernt werden, damit diese sich nicht ansammeln“, sagt Matthias Echternach, Leiter der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am LMU Klinikum München und ausgebildeter Sänger.

Singen mit Maske?

„Zur Seite hin fanden wir deutlich geringere Abstände als nach vorne, so dass die Abstände hier geringer gewählt werden könnten, etwa 1,5 Meter. Auch hier gilt die permanente Zufuhr von Frischluft, um die Aerosole aus der Luft zu entfernen", so Stefan Kniesburges, Strömungsmechaniker am FAU.

Singen mit chirurgischen Masken filtere zwar die großen Tröpfchen komplett und Aerosole zum Teil heraus, hat aber den Nachteil, dass ein Teil der Aerosole leicht strahlartig nach oben und zur Seite austreten. Deshalb sei diese Methode für Kirchen- und andere Laienchöre zu empfehlen, für Profichöre allerdings keine Lösung, weil die Sänger sehr gut artikulieren müssten und jede kleinste Nuance von Klang wichtig sei.

"Die Studie gibt uns mehr Klarheit, um Abstandsregeln und Klimaverhältnisse in Räumen besser einschätzen zu können, und wir möchten unsere Erkenntnisse allen zur Verfügung stellen, nicht zuletzt den Entscheidungsträgern für neue allgemeingültige Vorgaben", bilanziert Susanne Vongries, Managerin des Chores des BR, zu den ersten Teilergebnissen der wissenschaftlich noch unveröffentlichten Studie.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.