Standespolitik, Fortbildung und Festball
Neben Stellungnahmen zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen und Entwicklungen kam die Wissenschaft zum Zuge - in Vorträgen zu zahnärztlichen Themen konnten sich die Kollegen fachspezifisch fortbilden. Die Leitung des wissenschaftlichen Programms lag bei Prof. Klaus Louis Gerlach von der Uni Magdeburg. Den Abschluss der Weiterbildung bildete der Zahnärzteball, der im Festsaal des Magdeburger Dorint Herrenkrug Parkhotel gefeiert wurde.
Zahnärztekammerpräsident Dr. Carsten Hünecke unterstrich, dass MVZ auch im zahnärztlichen Bereich nicht per se schlecht seien. Schließlich böten sie gerade für junge Kollegen die Möglichkeit, den Beruf im Angestelltenverhältnis auszuüben und so möglicherweise die Chance, Beruf und Privatleben besser aufeinander abstimmen zu können als in der Niederlassung.
Schädlich für die flächendeckende Versorgung seien allein Z-MVZ, die in der Hand von Großinvestoren gegründet werden. Diese Investoren-Z-MVZ hätten weniger die Gesundheit der Patienten als die Renditeerwartungen der Investoren im Auge. Hünecke rief die anwesenden Zahnärztinnen und Zahnärzte auf, ihrem jeweiligen Bundestagsabgeordneten ihren Unmut darüber mitzuteilen. Hünecke: „Steter Tropfen höhlt auch hier den Stein“, zeigte er sich sicher. Erfreulich sei immerhin, dass zumindest der Bundesrat die Argumente der Zahnärzteschaft aufgegriffen habe.
In Vertretung von Arbeits- und Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sprach Olivia Lange als zuständige Aufsicht über die Kammern der Heilberufe ein Grußwort des Ministeriums.
Dem zahnärztlichen Berufsstand gab sie mit, angesichts einer Fülle von Wahlmöglichkeiten zur Berufsausbildung für junge Schulabgänger interessant zu bleiben. "Sie müssen so attraktiv bleiben, dass sie nicht ins Hintertreffen gegenüber andere Ausbildungsberufe geraten." Dazu gehörten etwa die Stichworte 'gesichertes Einkommen', 'Aufstiegs- und Karrierechancen' oder die 'Vereinbarkeit von Familie und Beruf'.
Beim Thema Z-MVZ positionierte sich Lange aufseiten der Zahnärzte: "Wir teilen die Auffassung, dass reine Profitmaximierung keine Grundlage für einen Gesundheitsberuf, wie der Zahnarzt einer ist, sein kann."
Den mit 2.500 dotierten Erwin-Reichenbach-Förderpreis der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt konnte Hünecke in diesem Jahr an Dr. Philipp Kanzow, MBA, Universität Göttingen, überreichen. Der Arbeit von Kanzow bescheinigte die Jury "eine hohe Praxisrelevanz", so Hünecke. Konkret beschäftigte sich Kanzow mit dem Thema "Reparatur oder Neuanfertigung von partiell insuffizienten Restaurationen". Ergebnis: Reparaturen seien ein probates Mittel und heutzutage auch wissenschaftlich anerkannt. Allerdings müsse man sich auf die insuffizienten Areale beschränken und den Großteil der bestehenden noch suffizienten Restauration beibehalten, so Kanzow.
Über Diagnostik und Therapie periimplantärer Infektionen referierte Universitätsprofessor Dr. Peter Eickholz, Frankfurt am Main. Das Problem dieser Infektionen sei, dass sie schwer zu erkennen seien.
Analog zur Gingivitis liege auch bei der Periimplantitis eine Entzündung des periimplantären Weichgewebes mit Knochenschwund vor. Auch hier liege die Ursache in der entzündlichen Reaktion auf bakterielle Beläge, so Eickholz. Allerdings reiche das entzündliche Infiltrat bei der Periimplantitis weiter nach apikal als das Epithel. Eine Periimplantitis liege immer dann vor, sobald Knochen – auch minimalster Größe - abgebaut werde und es bei einer Sondierung blute, so Eickholz. Er empfahl, ab einer Sondierungstiefe von drei Millimetern mit Therapiemaßnahmen zu beginnen.
Über Entwicklungen in der Implantologie berichtete Universitätsprofessor Dr. Bilal Al-Nawas, Mainz. So habe die Industrie mittlerweile Keramikimplantate als Ergänzung zu den Implantaten aus Titan im Angebot. Obwohl die gute Einheilung von Titan mittlerweile als wissenschaftlich gesichert gelte, gebe es möglicherweise Patienten, die mit einer Unverträglichkeit auf das Metall reagieren.
Ohnehin gelte es, vor einer Implatation immer eine Risikoeinschätzung bei den Patienten vorzunehmen. Das betreffe besonders Patienten mit oralen Antikoagulationsmitteln, rheumatoider Arthritis oder Osteoporose. Auch Diabetespatienten seien im Auge zu behalten. Allerdings sei ein Diabetespatient, der medikamentös gut auf seine Krankheit eingestellt ist, problemlos zu behandeln, so Al-Nawas. Im Gegenzug sei von Implantaten bei Patienten mit Knochenmetastasen abzuraten.
Den Festvortrag hielt Prof. Dr. Emrah Düzel, Magdeburg. Er beschäftigte sich mit der Frage, wie der Lebensstil unser Gedächtnis beeinflusst. Den Hintergrund des Vortrags bildet die Erforschung von Demenzerkrankungen als Folge von Alzheimererkrankungen. "Wenn eine Demenz erkennbar ist, ist es zu spät", so Düzel. Bis zu 20 Jahre vor dem Ausbruch einer Demenz komme es bereits zu Ablagerungen im Gehirn, die Nervenzellen abtöteten.
"In diesen 20 Jahren der Entwicklung muss man einsetzen", zeigte er sich überzeugt. So hätten etwa wissenschaftliche Forschungen gezeigt, dass eine Beeinflussung des Lebensstils – und hier besonders sportliche Aktivität – positiv sei. „Durch Sport wird der Hippocampus stark angeregt. Das ist wichtig für die Bildung neuer Nervenzellen", so Düzel. Nebenbei bekannte er, den Zahnärzten als Berufsstand nahe zu stehen. "Mein Vater war Zahnarzt. In den Ferien habe ich immer beim Absaugen geholfen."
Sowohl auf der Fortbildung als auch während des abendlichen Zahnärzteballs konnten Lose für eine Wohltätigkeits-Tombola erworben werden. Der Erlös der Zahnärzteball-Tombola von 3.960 Euro fließt in diesem Jahr dem Dentalhistorischen Museum in Zschadraß zu. In dem baufälligen Museum befinden sich fast eine halbe Million Ausstellungsstücke aus allen geschichtlichen Epochen der Dentalmedizin.
Umrahmt wurde der Fortbildungstag von Matthias Marggraft, der die Besucher mit freien Live-Improvisationen auf dem Cello unterhielt.