Forschung zur Therapie von Oropharynx-Karzinomen

Studienabbruch wegen unerwünschter Ereignisse

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Zahnmedizin
Die Radio- beziehungsweise Radiochemo-Therapie erzielt bei frühen Oropharynx-Karzinomen gute Ergebnisse und vergleichsweise wenig Nebenwirkungen. Die entsprechende Studie, in der auch eine neue OP-Methode der transoralen robotergestützte Chirurgie (TORS) zum Einsatz kam, musste allerdings vorzeitig abgebrochen werden.

In zwei randomisierten Studien wurde die operative Therapie mit der Strahlentherapie beziehungsweise Radiochemotherapie verglichen: In die ORATOR-1-Studie wurden Frühkarzinome des Oropharynx unabhängig vom HPV-Status eingeschlossen. Die Überlebensdaten waren in beiden Gruppen identisch mit über 80 Prozent nach fünf Jahren, die schluckfunktionsassoziierte Lebensqualität war nach Bestrahlung besser als nach der operativen Behandlung [Nichols et al., 2019].In die ORATOR-2-Studie wurden ausschließlich HPV-positive Oropharynx-Karzinome (T1-2, N0-2) eingeschlossen [Palma et al., 2022]. In der Bestrahlungs-Gruppe erfolgte eine primäre Radiotherapie (mit begleitender Chemotherapie bei positiven Lymphknoten). In der Operations-Gruppe wurde eine primäre TOS (TORS in 93 Prozent der Fälle oder TLM) mit ND durchgeführt – und in Abhängigkeit von der Histologie zusätzlich eine adjuvante Bestrahlung. Die Deeskalationen bestand in einer primär reduzierten Strahlendosis in der Bestrahlungs-Gruppe und in einer reduzierten adjuvanten Bestrahlung in der Operations-Gruppe.

Drei Todesfälle und ein Lokalrezidiv

Nachdem 61 Teilnehmende (rund 86 Prozent männlich) randomisiert und therapiert worden waren (30 im Bestrahlungsarm und 31 im TOS-Arm) wurde die Studie aufgrund von drei Todesfällen in der TOS-Gruppe (nach TORS) abgebrochen. Die mediane Nachbeobachtungszeit lag zu diesem Zeitpunkt bei 17 Monaten.

Zwei der drei Todesfälle waren behandlungsassoziiert. Der erste Todesfall war bedingt durch eine oropharyngeale Blutung und der zweite Todesfall nach der TORS plus Bestrahlung durch eine Halswirbel-Osteomyelitis (Spondylodiszitis). Der dritte Todesfall war ein Myokardinfarkt nach rund acht Monaten. Im TORS-Arm gab es außerdem ein lokales Rezidiv.

HPV-assoziierte Oropharynx-Karzinome

Der Anteil der HPV-assoziierten Oropharynx-Karzinome ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Gleichzeitig sind zunehmend jüngere Menschen betroffen sind. HPV-assoziierte Tumoren sprechen besser auf Strahlen- und Chemotherapie an und haben eine deutlich bessere Prognose. Neben der Strahlentherapie stehen transorale chirurgische Verfahren („transoral surgery“/TOS) zur Verfügung. Die transorale Laser-Mikrochirurgie (TLM) ist vor allem in Europa etabliert, während die neuere, transorale roboter-gestützte Chirurgie (TORS) in den USA bevorzugt wird.

In Deutschland werden Tumoren in den frühen Stadien fast ausschließlich operativ behandelt. In den Vereinigten Staaten wird häufiger eine Strahlentherapie oder Radiochemotherapie zur Behandlung dieser Tumoren eingesetzt, allerdings wird dieses Verfahren auch dort zunehmend durch die Operation verdrängt. An eine TORS wird in Abhängigkeit vom pathohistologischen Stadium gegebenenfalls eine adjuvante Bestrahlung oder Radiochemo-Therapie angeschlossen. Insgesamt sind therapiebedingte Kurz- und Langzeitfolgen wie Xerostomie oder Dysphagie aber oft nicht zu vermeiden.

Ob dies tatsächlich einen Abbruch der Studie erforderlich gemacht hat, kann und wird womöglich kontrovers diskutiert werden. Die Autoren selbst betonen, dass die Daten zum Gesamtüberleben und  progressionfreien Überlebensaufgrund des Studienabbruchs abschließend nicht vollständig erhoben werden konnten. Ihrer Ansicht nach sollte aufgrund der Ergebnisse die TORS-Methode zurzeit vorsichtig angewendet werden. Hier bleiben die fachliche Einschätzung und Kommentierungen durch chirurgische Kollegen abzuwarten.Es ist jedoch hervorzuheben, dass beim Frühkarzinom des Oropharynx exzellente Ergebnisse für die Strahlentherapie beziehungsweise Radiochemotherapie erreicht werden konnten, insbesondere, da entsprechende Daten zumindest aus Deutschland in diesen Stadien nicht vorliegen. Die 3-Jahres-Überlebensdaten betrugen in der ersten ORATOR-Studie rund 87 Prozent nach primärer Strahlentherapie [Nichols et al., 2022], in der zweiten Studie 100 Prozent.

Die Lebensqualität nach Strahlentherapie war nicht schlechter als nach Primäroperation in beiden Studien, die Schluckfunktion in der ersten Studie sogar etwas besser. Dies zeigt, dass die Radiochemotherapie von Frühkarzinomen des Oropharynx eine exzellente Behandlungsoption ist.

[1] Palma DA, Prisman E, Berthelet E et al. Assessment of Toxic Effects and Survival in Treatment Deescalation With Radiotherapy vs Transoral Surgery for HPV-Associated Oropharyngeal Squamous Cell Carcinoma: The ORATOR2 Phase 2 Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol 2022 Apr 28;e220615. doi: 10.1001/jamaoncol.2022.0615.

[2]Krebs in Deutschland für 2017/2018, Robert Koch-Institut2021[3] Nichols AC, Theurer J, Prisman E et al. Radiotherapy versus transoral robotic surgery and neck dissection for oropharyngeal squamous cell carcinoma (ORATOR): an open-label, phase 2, randomised trial. Lancet Oncol 2019; 20 (10): 1349-1359 doi: 10.1016/S1470-2045(19)30410-3.

[4] Nichols AC, Theurer J, Prisman E et al. Randomized Trial of Radiotherapy Versus Transoral Robotic Surgery for Oropharyngeal Squamous Cell Carcinoma: Long-Term Results of the ORATOR Trial. J Clin Oncol. 2022 Mar 10; 40 (8): 866-875. doi: 10.1200/JCO.21.01961.

 

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