Ultraschall-Screening für MKG-Spalten
Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. In Deutschland kommen etwa 15 von 10.000 Kindern mit einer solchen Anomalie zur Welt. Etwa die Hälfte davon wird vor der Geburt entdeckt, unter anderem weil die Betrachtung des Gesichts beim Vorsorge-Ultraschall durch den Frauenarzt im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien derzeit nicht gefordert wird.
Emotionale Einstellung hilft den Eltern
„Wird eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vor der Geburt erkannt, haben die Eltern Gelegenheit, sich über das Krankheitsbild zu informieren und sich auf die Zeit nach der Geburt vorzubereiten“, sagt DEGUM-Sprecherin Prof. Dr. Annegret Geipel, Leitung Pränatale Medizin, Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin am Universitätsklinikum Bonn. Zurzeit sei es so, dass Kinder häufig direkt nach der Geburt behandelt und später operiert werden müssen.
Dennoch sehen in Deutschland die Mutterschaftsrichtlinien bislang keine gezielte Untersuchung des kindlichen Gesichts vor und so entdecken Ärzte bis heute nur etwa jede zweite Auffälligkeit an Lippe, Kiefer oder Gaumen. Das zeigen laut DEGUM die Daten des Eurocat Netzwerks, das kontinuierlich die Zahl angeborener Fehlbildungen und ihrer Entdeckungsraten in 26 teilnehmenden Regionen erfasst.
„Das Bundesland Sachsen-Anhalt, das für Deutschland an dem Projekt teilnimmt, lag im Erfassungszeitraum 2008 bis 2012 mit einer Entdeckungsrate von 50 Prozent bei den Lippen-Kiefer-Gaumenspalten an 17-ter Stelle“, berichtet Geipel.
Aufklärungsrate ist in anderen europäischen Ländern besser
„Demgegenüber werden in Frankreich oder England zwischen 70 und 90 Prozent der Fälle entdeckt“, sagt Geipel. Anders als in Deutschland gehöre die Untersuchung der Mund- und Lippenregion in anderen europäischen Ländern, etwa den Niederlanden, heute zum Pflichtprogramm der normalen Schwangerschaftsvorsorge.
Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern aus Amsterdam und Groningen belege zudem, dass die Einführung eines systematischen Routineultraschalls mit der - zunächst freiwilligen - Option, gezielt nach Auffälligkeiten im Mundbereich zu suchen, die Entdeckungsrate von 43 Prozent auf 86 Prozent verdoppelt. „Die Untersuchung zeigt, dass eine systematische Untersuchung unter Einbeziehung aller Organsysteme, auch im Rahmen eines Screenings die Entdeckungsraten steigern kann“, erläutert Geipel.
Besonders bei Risikofamilien empfehlenswert
Müttern und Vätern, die hierzulande wissen möchten, ob ihr Kind betroffen ist, rät die Expertin zu einer feindiagnostischen Untersuchung in einer Spezialeinrichtung für Pränatalmedizin. Erfolgt die Untersuchung auf eigenen Wunsch, kostet sie zwischen 200 und 400 Euro. Bei einem konkreten Verdacht oder Risiko - etwa bereits aufgetretene Fälle in der Familie - kann der Frauenarzt auch eine Überweisung ausstellen, dann bezahlt die Krankenkasse die Untersuchung.
Fehlbildung ab der 14. Schwangerschaftswoche
Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten bilden sich bereits zu Beginn der Schwangerschaft. „Bereits ab der 14-ten Schwangerschaftswoche kann ein erfahrener Untersucher im Ultraschall erkennen, ob eine entsprechende Fehlbildung vorliegt“, erklärt Geipel.
Stellt der Untersucher eine Gesichtsfehlbildung fest, sei dies immer auch ein Grund, sich auch die anderen kindlichen Organe, etwa das Herz, sehr genau anzuschauen, so die DEGUM-Expertin. Denn Lippen-Kiefer-Gaumenspalten treten in rund 30 Prozent der Fälle gemeinsam mit anderen Anomalien, etwa infolge von genetischen Syndromen, auf. „Ein Grund mehr, hierauf verstärkt zu achten“, meint Geipel.
Influences of the introduction of the 20 weeks fetal anomaly scan on prenatal diagnosis and management of fetal facial clefts. Ensing S, Kleinrouweler CE, Maas SM, Bilardo CM, van der Horst CM, Pajkrt E: Ultrasound in Obstetrics & Gynecology, Online-Vorabpublikation.