Weiterhin hohe Nachfrage nach Beratungsangeboten
Fragen zum Krankengeld, fehlenden Arzneimitteln oder Wechselwirkungen bei Medikamenten: Der Beratungsbedarf von Patientinnen und Patienten sowie pflegenden Angehörigen bleibt weiter auf einem hohen Niveau. Dies teilte die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) gestern in Berlin mit.
Laut aktuellem Monitor wurden im Jahr 2022 insgesamt 123.558 Beratungen von der UPD geleistet. Das sind rund 20.000 Beratungen weniger als im Jahr 2021, was laut UPD jedoch vor allem auf einen Rückgang der Beratungszahlen rund um die Corona-Pandemie zurückzuführen sei.
56,8 Prozent (70.237) der Beratungen in 2022 betrafen rechtliche Fragen – davon 29.525 Beratungen zu Leistungsansprüchen gegenüber Kostenträgern sowie 15.306 Beratungen zu ärztlichen Berufspflichten und Patientenrechten.
26,5 Prozent (32.735) der Beratungen betrafen medizinische Fragen und 16,7 Prozent (20.586) der Beratungen betrafen allgemeine Anfragen.
Corona – Fragen im dritten Pandemiejahr
Im dritten Jahr der Corona-Pandemie lässt sich mit knapp 15.000 Corona-Beratungen ein Rückgang der Fragen an die Patientenberatung im Vergleich mit den Vorjahren verzeichnen (2021: gut 37.000 Beratungen, 2020: mehr als 50.000 Beratungen). Deutlich ist der abnehmende Trend im Verlauf des Jahres 2022: In den ersten Monaten gab es noch verhältnismäßig viele Anfragen, zum Ende des Jahres spielte das Thema eine deutlich geringere Rolle. Machten die Corona-Beratungen im Januar 2022 noch 33 Prozent aller Beratungen aus, waren es im Dezember 2022 nur noch 4 Prozent.
Medizinische Beratungen betrafen die COVID-19-Erkrankung selbst (Symptome, Diagnostik, Behandlung, Prognose, Schutzmaßnahmen) – insbesondere jedoch medizinische und pharmakologische Fragen rund um die Impfung.
Gestiegener Bedarf nach psychosozialer Beratung
Die Zahl psychosozialer Beratungen ist im Berichtsjahr dagegen um 1.000 Beratungen gestiegen. So zählte die UPD im Bereich der medizinischen Beratung rund 6.000 psychosoziale Beratungen, deren Inhalt oft die Auswirkungen der globalen Krisen im Jahr 2022 waren. Im Jahr 2020 waren es etwas mehr als 4.000 Beratungen in diesem Bereich. Dies seien keine medizinischen Sorgen, sondern eher soziale Sorgen, betonte UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede.
Auch beim Thema Arztsuche gab es 2022 vermehrten Beratungsbedarf. Im vergangenen Jahr waren es 5.500 Beratungen, was einer Steigerung von 1.500 Anfragen im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. „Leider wird die Suche nach Hausärzten, Fachärzten oder Psychotherapeuten für viele Menschen zunehmend zu einer Odyssee“, sagte Krumwiede. „Gerade körperlich oder psychisch chronisch erkrankten Menschen ist eine langwierige und komplizierte Suche nach qualifizierten Leistungserbringern nicht zuzumuten. Die 2019 eingeführten Terminservicestellen haben bisher keine durchschlagende Wirkung erzielt. Politik und Selbstverwaltung müssen hier schnell weitere Maßnahmen ergreifen.“ Viele Ratsuchenden berichteten laut Krumwiede, dass ihnen die Terminservicestelle (TSS) zwar einen einzelnen Termin vermitteln konnten, aber keine langfristige Betreuung, beispielsweise in der Pädiatrie oder bei Hausärzten.
Frust über Arzneimittelengpässe
Das Thema Arzneimittelengpässe sei ein regelmäßiges Beratungsthema bei der UPD. Im ersten Quartal 2022 zeigten sich die Probleme jedoch gehäuft durch die Lieferengpässe tamoxifenhaltiger Medikamente, welche für viele Frauen das Mittel der Wahl nach einer Brustkrebsoperation darstellen. Entsprechend viele Patientinnen waren von dem Lieferengpass betroffen.
„Gerade, wenn lebenswichtige Medikamente nicht verfügbar sind, löst das bei Patienten und deren Angehörigen oft Wut und Verzweiflung aus“, sagte Krumwiede. „Wir geben den Ratsuchenden Tipps dazu, wie sie vielleicht doch noch an das gewünschte Medikament kommen und raten ihnen, mit ihren Ärzten über mögliche Alternativen zu sprechen. Leider haben wir aktuell den Eindruck, dass zunehmend breitere Patientengruppen von Arzneimittelengpässen betroffen sind. Betroffenen bleibt zurzeit keine andere Möglichkeit, als einzelne Apotheken telefonisch oder persönlich abzuklappern, auch weil es an einer digitalen Übersicht über die Arzneimittelbestände der Apotheken fehlt.“
UPD zum Verdacht auf Behandlungsfehler
Zum Verdacht auf Behandlungsfehler hat das Rechtsteam der UPD im Jahr 2022 in knapp 5.000 Fällen beraten. Die Anzahl der Beratungen ist fast identisch zum Vorjahr (2022: 4.998 Beratungen; 2021: 4.973 Beratungen). Der vermutete Behandlungsfehler ist damit das fünfthäufigste rechtliche Beratungsthema bei der UPD.
„Zu Behandlungsfehlern war der Beratungsbedarf auch im vergangenen Jahr wieder hoch“, ergänzte der Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD). Um einen solchen nachweisen und mögliche Ansprüche klären zu können, sei die Einsichtnahme in die Patientenakte eine wichtige Voraussetzung. „Hier stoßen Patientinnen und Patienten trotz klarer gesetzlicher Regelungen weiterhin auf Probleme, wenn sie dieses Recht geltend machen wollen“, betonte Schwartze. „Ein weiteres Problem ist das erforderliche Beweismaß bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler. Dieser Nachweis gelingt Patientinnen und Patienten in den meisten Fällen nicht. Die UPD und ich stimmen überein, dass wir hier eine patientenfreundlichere Regelung brauchen.“
Fragen zur zahnmedizinischen Versorgung
In knapp 5.500 Beratungen ging es 2022 um zahnmedizinische Fragestellungen (2021: gut 4.300 Beratungen). Der Großteil der Beratungen hatte einen rechtlichen Schwerpunkt (knapp 4.000 Beratungen), etwa 1.500 Beratungen betrafen medizinische Fragen. Wie in den Vorjahren waren die drei häufigsten Themen der Beratungen Patientenrechte und ärztliche Berufspflichten, der Verdacht auf zahnärztliche Behandlungsfehler und der Themenkomplex Geldforderungen und Eigenanteil.
UPD 2024 – wie geht's weiter?
Ab 2024 wird die UPD als Stiftung geführt und soll damit dann unabhängiger werden. Derzeit hapert es laut Krumwiede aber bei der Ausarbeitung der Stiftungssatzung. Vor allem die Mitarbeitenden wünschten sich endlich Klarheit, ob sie auch 2024 weiterhin bei der UPD arbeiten könnten. Bislang hätten zehn Prozent der Mitarbeitenden bereits die Organisation verlassen. „Das bedeutet, dass wir die Beratungskapazität von rund 12.000 bis 13.000 Beratungen schon verloren haben", so Krumwiede.