Mangelnde Vielfalt in den Redaktionen von Fachzeitschriften

Wenn Männer bestimmen, was ZahnärztInnnen lesen

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Gesellschaft
Insgesamt 82 Prozent der Chefredakteure zahnmedizinischer Fachpublikationen weltweit sind Männer. Dass sich diese fehlende Vielfalt auf Führungsebene negativ auf die Inhalte auswirkt, belegt eine neue Studie.

Sie denken, Sie haben mit Redaktionen nichts zu tun? Irrtum! Die Redaktionen, genauer: die Chefredakteure, bestimmen, was Sie lesen. Denn jene lenken auch den Inhalt zahnärztlicher Zeitschriften, ernennen das Redaktionsteam und spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des wissenschaftlichen und klinischen Bereichs.

Was aber ist, wenn die Redaktionsleiter eine sehr homogene Gruppe sind? Welche Folgen hätte das für die Vielfalt und Qualität der Inhalte? Diese Frage haben sich australische Wissenschaftler aus Queensland in einer Studie gestellt, die jetzt im British Dental Journal veröffentlicht wurde.

Dazu wurden alle Chefredakteure der 91 zahnmedizinischen Fachzeitschriften weltweit kontaktiert, die im Journal Citation Report 2021 aufgeführt sind. Sie wurden befragt zu Anzahl, Alter und Geschlecht der dort beschäftigten Chefredakteure, anderer Redakteure und Mitglieder des Redaktionsbeirats. Blieb die Antwort aus, wurden  öffentlich verfügbare Informationen zusammengetragen. Diese Informationen wurden auch für 45 in PubMed indizierte Zeitschriften eingeholt, die nicht im Zitationsbericht gelistet sind, sowie für drei neue Online-Zeitschriften.

Von den 159 Chefredakteuren sind 131 Männer

Bei den insgesmt 124 Zeitschriften, ansässig in 36 Ländern, waren 159 Chefredakteure beschäftigt. In 80 Prozent der Redaktionen hatte eine Person diese Position inne, in 17 Prozent waren es zwei, in 2 Prozent drei und eine (Online-) Zeitschrift hatte neun Chefredakteure.

Von den 159 Chefredakteuren waren 82 Prozent Männer. Dagegen gab es nur 28 weibliche Chefredakteure, und zwar in 22 Zeitschriften. Das heißt, ihr Anteil lag bei unter 20 Prozent. In der einen Online-Zeitschrift mit neun Chefredakteuren waren sechs davon Frauen. Die Angaben zum Alter waren begrenzt, da nur 13 Zeitschriften diese Informationen lieferten: Demzufolge waren 85 Prozent der Chefredakteure älter als 40 Jahre.

Der Frauenanteil liegt bei unter 20 Prozent

"Die Ergebnisse sind besorgniserregend, und obwohl sie nicht so krass ausfallen, ist ein ähnlicher Mangel an Vielfalt in den allgemeinen Gesundheitszeitschriften zu beobachten", schreiben die Autoren. Allerdings sei über die Jahre hinweg eine Steigerung der Frauenquote in den Chefetagen zu beobachten.

So stieg bei zehn hochrangigen Fachzeitschriften für Allgemeinchirurgie der Anteil der Frauen in den leitenden Gremien von 1997 bis 2017 von 5 auf 19 Prozent. Im gleichen Zeitraum kletterte die Quote der Frauen in den leitenden Gremien von neun Fachzeitschriften für klinische HNO-Heilkunde von 7 auf 18 Prozent und die Zahl der Mitherausgeberinnen von 9  auf 21 Prozent.

Jüngste Untersuchungen, die sich auf zahnmedizinische Fachzeitschriften konzentrierten, ergaben indes, dass es in 91 Zeitschriften 100 Chefredakteure gab, wovon nur 15 Frauen waren. Zum Vergleich: In 91 medizinischen Fachzeitschriften arbeiteten 103 Chefredakteure und davon waren 41 Frauen. 

FEhlende Vielfalt heißt enges Themenspektrum

In der International Association for Dental Research, der weltweit größten Organisation für zahnmedizinische Forschung, sind der Studie zufolge 44 Prozent der Mitglieder Frauen. "Dies spiegelt sich eindeutig nicht in den Redaktionen zahnmedizinischer Fachzeitschriften wider", kritisieren die Autoren.

Die Forscher sehen "einen dringenden Bedarf an positiven Maßnahmen", um diesen "erheblichen Mangel an Vielfalt in den Redaktionsteams" zu beheben. Erforderlich seien "transparente und öffentlich sichtbare Auswahlkriterien", um die Ernennung und den Aufstieg von Frauen zu erleichtern. Die Verleger müssten regelmäßig über die Zusammensetzung der Redaktionsteams in allen zahnmedizinischen Fachzeitschriften, öffentlich berichten.

Männer, die den Status dieser Rollen genossen haben, profitierten zudem auch von einer besseren Ausgangsposition bei Bewerbungen, Beförderungen, der Mitgliedschaft in Förderungsgremien, Einladungen zu Konferenzen und dem allgemeinen Ansehen im Beruf und in der Gemeinschaft.

es geht um die Qualität der Forschung und ihre Verbreitung

Im Jahr 2022 könnten sich Frauen und auch ethnische Minderheiten aus vielen Teilen der Welt nicht in leitender Funktion bei einer zahnmedizinischen Fachzeitschrift sehen, bilanzieren die Autoren. "Vielfältige Redaktionsteams könnten jedoch dazu führen, dass klinisch bedeutsame Forschungsergebnisse aus einer Vielzahl von Bereichen veröffentlicht und Klinikern weltweit bekannt gemacht werden, um letztlich die Mundgesundheit der Weltbevölkerung zu verbessern."

Alle großen Verlage hätten diesen Bias als ein wichtiges Problem erkannt, das angegangen werden muss. "Die Verleger und die Leitung der zahnmedizinischen Fachzeitschriften müssen diesen Mangel in ihren Redaktionsteams beheben", fordern die Autoren.

Lalloo R. 'You can't be what you can't see': equity, diversity and inclusivity of editorial teams of dental journals. Br Dent J. 2022 Oct 13. doi: 10.1038/s41415-022-5078-9. Epub ahead of print. PMID: 36229512.

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