Wie man die Lebensqualität mithilfe der Prothetik steigert
DGAZ-Präsidentin Prof. Dr. Ina Nitschke, MPH, (Leipzig) begrüßte die rund 200 Kongressteilnehmer und leitete den ersten Vortrag ein: Prof. Dr. Torsten Mundt (Greifswald) erklärte, dass Alter an sich sei kein Risikofaktor für Implantate sei. Sein Vortrag „Implantatgestützter Zahnersatz für fitte Senioren geplant und von gebrechlichen Senioren getragen" stellte die Notwendigkeit heraus, Periimplantitis und Implantatverluste besonders bei Pflegebedürftigen zu vermeiden, was angesichts der Pflegesituation in Deutschland erschwert werde.
Aus prothetischer Sicht könne die tägliche Pflege der Rekonstruktionen erleichtert werden, wenn im Sinne einer strategischen Implantatvermehrung (etwa mit einer ausreichenden Anzahl Single-Implantaten und einer gerüstverstärkten Prothese), chirurgischen Anpassungen (zum Beispiel keine Planierung des Kiefers oder Augmentation) und einer einfachen Umbaubarkeit der Rekonstruktion (wie die semi-definitive Zementierung) versorgt und regelmäßig im Recall nachgesorgt werde.
Die richtige Materialwahl für den ZE
Die richtige Wahl des Materials für den Zahnersatz stand im Mittelpunkt des Referats „So einfach und effektiv wie möglich: Modellguss, Peer oder Polyamid? Versorgung von Gebrechlichen und Pflegebedürftigen mit Teilprothetik im geriatrischen Workflow" von PD Dr. Oliver Schierz (Leipzig).
Er lieferte eine übersichtliche Darstellung der verfügbaren Materialien und Techniken, um Pflegebedürftige mit einfachem, zweckmäßigem und sicher gestaltetem Zahnersatz zu versorgen.
Besonders bei der älteren Patientengruppe sollte man eine einfache Reinigung und Reparaturfähigkeit im Auge behalten, um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Wer begründet von einer klassischen Versorgung abweichen muss, greife am besten auf NEM-Klammern und einen mit den „neuen" Materialien geübten Zahntechniker zurück - erstere seien weiterhin graziler und anpassbarer als andere Lösungen und letzterer ein wesentlicher Schlüsselfaktor für den prothetischen Erfolg.
Wie kommuniziert man mit dementen Patienten?
Gute Hinweise für „Die Kommunikation des Praxisteams mit Patienten mit Demenz in unterschiedlichen Stadien" lieferten die Ausführungen von Melanie Feige (Hamburg), die als Dozentin für Gerontopsychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf lehrt.
Eine ruhige, einfache und eindeutige Kommunikation - und das grundsätzlich mit einem Lächeln auf den Lippen - sei für die Kontaktgestaltung durch das Praxisteam Grundvoraussetzung. Die Behandlung sollte am besten ohne Mund- und Haarschutz oder die Lupenbrille vorgenommen werden. Der Austausch über einige wenige private biografische Kenntnisse der Betreuten, zum Beispiel über die Kinder, den früheren Beruf oder Ähnliches, schaffe Vertrauen und lasse eine Beziehung entstehen. Und gerade diese sei im Kontakt mit Menschen mit Demenz von zentraler Bedeutung.
„Totalprothetik – digital: Welche Systeme stehen heute zur Verfügung und wie können sie uns bei der Versorgung von Betagten helfen?" Die Digitalisierung der Totalprothetik könne den klassischen Workflow von fünf Sitzungen zur Herstellung einer Totalprothese auf nur zwei beim digitalen Workflow reduzieren, erläuterte Prof. Dr. Peter Pospiech (Berlin) anhand zweier marktreifer Systeme.
Ob die digitale Prothetik bei der Versorgung von Betagten hilfreich sei, werde sich bei verstärkter zukünftiger Anwendung zeigen.
Und wenn es doch nicht hält?
„Und wenn es doch nicht hält?“ Unter dieser Fragestellung beleuchtete Dr. Felix Blankenstein (Berlin) das Thema Haftcreme, Prothesenreinigung und Verschlucken von Prothesen. Er empfahl, Prothesen und Prothesenlager wenigstens einmal täglich mechanisch und chemisch zu reinigen, um den Prothesenhalt zu optimieren.
Die aktuellen Veränderungen der zahnärztlichen Versorgungsstruktur präsentierte anhand des Barmer Zahn-Reports Prof. Dr. Christoph Benz, DGAZ-Vizepräsident und BZÄK-Vizepräsident (München), und leitete daraus die Forderung nach weiteren neuen BEMA-Positionen speziell für Menschen mit besonderem Versorgungsbedarf ab.
Der "politische Pflegefall Mundhygiene"
Sein Vortrag zum „Politischen Pflegefall Mundhygiene“ mündete in eine kurze Diskussionsrunde mit Dr. Eric Banthien, Vorstand der KZV Hamburg, und Dr. Thomas Einfeldt, Vorstandsmitglied der ZÄK Hamburg und Landesbeauftragter der DGAZ für Hamburg. Sie berichteten vom Rückgang der Versorgungsmöglichkeiten in Allgemeinanästhesie für Menschen mit Behinderungen und wiesen darauf hin, dass bei der Schaffung der Altersmedizinischen Zentren in Hamburg die Zahnheilkunde vergessen wurde.
Gemeinsam mit Martin Sielaff, Geschäftsführer der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V., stellte Einfeldt das gemeinsame Projekt „Zahnmedizin und Pflege“ vor. Die Hamburgische Pflegegesellschaft repräsentiert 96 Prozent der insgesamt 560 Pflegebetriebe in Hamburg, das heißt, man erreicht fast alle Pflegekräfte, um sie zu sensibilisieren, also auch die noch zu Hause lebenden Patienten, sofern sie vom Pflegedienst versorgt werden.
Für alle Hamburger Pflegeeinrichtungen gibt es jetzt das „Handbuch der Mundhygiene“ und das Thema Mund- und Zahngesundheit wurde in den Landespflegeausschuss eingebracht. Die nächsten Schritte in diesem Projekt werden weitere Angebote an Pflegeschulen zur Unterrichtsstärkung durch Fachdozenten sein.
Funktion geht vor Ästhetik
Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch und Dr. Kerstin Houché (beide Hamburg) stellten zum Abschluss ihr „Konzept zur Versorgung von komplexen multimorbiden Patienten" vor. Die Strategie bei der Vorgehensweise besteht darin, dass Angehörige, Pflegekräfte und idealerweise der Patient selbst in der Lage sein sollten, die intraorale Situation für die kommenden Jahre zu beherrschen. Sie sollten nach dem jeweiligen Eingriff eine intraorale Situation vorfinden, die gut zu pflegen, gut zu tragen und zu erhalten ist. Planung und Therapie sind bei diesem Konzept so ausgerichtet, dass Funktion vor Ästhetik geht und dass in den folgenden Jahren keine weiteren Interventionen in Narkose notwendig werden sollten.
Auf der DGAZ-Mitgliederversammlung wurde beschlossen, die Beiträge für jüngere Assistenzzahnärzte zu senken, um jüngere Kolleginnen und Kollegen für das Fach zu gewinnen. Darüber hinaus engagiert sich die DGAZ jetzt auch bei Facebook und Instagram. Außerdem wurden Ideen gesammelt, wie die Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität für Pflegebedürftige, auf einem breiten und festen Fundament weiterentwickelt werden könne. Die kommende Jahrestagung vom 15. Bis 17. Mai 2020 wird als interne Klausurtagung für alle DGAZ-Mitglieder in Königstein im Taunus stattfinden.