Studie aus Berlin und Dortmund

Wie SARS-CoV-2 die Immunabwehr blockiert und was das für die Therapie bedeutet

ck/pm
Gesellschaft
Deutsche Forscher haben untersucht, wie Coronaviren die körpereigene Abwehr blockieren, und dabei drei mögliche Angriffspunkte für die antivirale Therapie entdeckt.

Aus Sicht der Forschung ist sehr wichtig, das Virus und die Mechanismen, mit denen es Zellen infiziert, eigene Eiweißmoleküle herstellt und schließlich neue Viruspartikel produziert, besser zu verstehen. Denn so lassen sich mögliche Angriffspunkte für die gezielte Therapie einer Infektion mit SARS-CoV-2 finden.

Ein Team am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) hat mit Kollegen des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften in Dortmund herausgefunden, wie das Virus die Proteinfabrik der Zelle für sich einnimmt – um virale Proteine zu synthetisieren, gleichzeitig die Produktion von körpereigenen Eiweißstoffen zu blockieren und so die Immunantwort der Wirtszelle auszuhebeln.

NSP1 unterdrückt die Proteinproduktion in der Zelle

Schon länger hatten sie in diesem Zusammenhang ein virales Protein namens NSP1 im Visier. Es ist das erste Virusprotein, das nach der Infektion der Wirtszelle entsteht. „NSP1 unterdrückt die Proteinproduktion der Zelle, ohne dabei die Synthese viraler Proteine zu beeinträchtigen“, sagt Mitautorin Marina Chekulaeva. „Darüber, wie das gelingt, gab es bislang sehr widersprüchliche Hypothesen. Wir haben beschlossen, diesen Mechanismus zu erforschen."

Bekannt war, dass sich das NSP1-Protein an die Ribosomen heftet, die der Zelle als Proteinfabriken dienen, und diese blockiert. Zelluläre mRNAs gelangen dann nicht mehr in die Proteinfabrik, die Synthese wichtiger zellulärer Eiweißmoleküle der Zelle kann nicht stattfinden. Das betrifft letztlich auch die Immunantwort, die auf diese Weise unterdrückt wird.

Die Haarnadelstruktur dient als Passierschein

Allerdings benötigen auch virale mRNAs Zugang zu den Proteinfabriken, damit am Ende neue Viruspartikel entstehen können. Wie aber umgehen sie diese Blockade, die das Virus verursacht hat? Die Forscher stellten fest, dass dabei bestimmte Nukleotide in einer speziellen Struktur der viralen mRNA, der sogenannten Haarnadel oder Stammschleife, eine Rolle spielen. Diese Haarnadel scheint als eine Art Passierschein zu dienen: Sie interagiert mit NSP1, das dadurch den Weg in das Ribosom freigibt. Das virale Protein kann synthetisiert werden.

drei mögliche Angriffspunkte für die antivirale Therapie

Die Wissenschaftlre entdeckten damit drei mögliche Angriffspunkte für die antivirale Therapie: Eine Möglichkeit wäre, das NSP1-Protein selbst anzugreifen, so dass es nicht mit dem Ribosom interagieren kann. Alternativ könnte die Interaktion zwischen dem NSP1-Protein und der viralen mRNA unterbunden werden. Außerdem könnte man die Stelle blockieren, an der NSP1 mit der Haarnadelstruktur interagiert. Denkbar wäre auch, gezielt virale mRNA zu beseitigen.

Zumindest im Experiment in der Kulturschale sind alle drei Möglichkeiten denkbar. Welche davon sich letztlich für die Therapie eignet, werden künftige Untersuchungen zeigen.

Lucija Bujanic et al (2022): “The key features of SARS-CoV-2 leader and NSP1 required for viral escape of NSP1-mediated repression“, in: RNA, DOI: 10.1261/rna.079086.121

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