Wiedereröffnung der Schulen in Großbritannien birgt Gefahr einer zweiten Welle
„Unser Modell sagt voraus, dass die Wiedereröffnung von Schulen entweder in Vollzeit oder in einem Teilzeit-Rotationssystem ab dem 1. September 2020 zusammen mit der Lockerung anderer Maßnahmen zur sozialen Distanzierung eine zweite COVID-19-Welle auslösen wird, sofern kein erweitertes Testprogramm durchgeführt wird“, schreiben die Studienautoren um Jasmina Panovska-Griffiths.
„Diese zweite Welle würde im Dezember 2020 ihren Höhepunkt erreichen, wenn die Schulen im September in Vollzeit geöffnet würden, und im Februar 2021, wenn ein Teilzeit-Rotationssystem eingeführt würde. In beiden Fällen wäre die zweite Welle 2 bis 2,3 Mal so groß wie die erste COVID-19-Welle im Vereinigten Königreich.“ In beiden Fällen würde die zweite Welle dazu führen, dass der R-Wert über 1 ansteigt.
Höhepunkt einer zweiten Welle im Dezember?
Mit einem erhöhten Testniveau – je nach Szenario zwischen 59 und 87 Prozent der symptomatischen Personen, die zu einem beliebigen Zeitpunkt während einer aktiven SARS-CoV-2-Infektion getestet wurden – und einer wirksamen Kontaktverfolgung und Isolierung könnte ein Wiederaufflammen der Pandemie verhindert werden.
Die Studienautoren schreiben: „Unter der Annahme, dass 68 Prozent der Kontakte zurückverfolgt werden könnten, schätzen wir, dass 75 Prozent der Personen mit symptomatischer Infektion getestet und positive Fälle isoliert werden müssten, wenn die Schulen im September wieder Vollzeitunterricht haben, oder 65 Prozent, wenn ein Teilzeit-Rotationssystem angewendet würde."
"Wenn nur 40 Prozent der Kontakte zurückverfolgt werden könnten", schreiben die Autoren weiter, "würden sich diese Zahlen auf 87 bzw. 75 Prozent erhöhen. Ohne dieses Niveau der Tests und der Rückverfolgung von Kontakten dürfte die Wiedereröffnung von Schulen zusammen mit einer allmählichen Lockerung der Sperrmaßnahmen jedoch eine zweite Welle auslösen.“
Groß angelegte Tests symptomatischer Personen wichtig
Um eine zweite COVID-19-Welle in Großbritannien zu verhindern, muss aus Sicht der Lancet-Autoren die „Lockerung der physischen Distanzierung, einschließlich der Wiedereröffnung von Schulen mit groß angelegten, bevölkerungsweiten Tests symptomatischer Personen und einer wirksamen Rückverfolgung ihrer Kontakte“ einhergehen. In der Folge müssten diagnostizierte Personen „isoliert“ werden.
Die britische Regierung hatte am 23. März 2020 strenge Maßnahmen zur physischen Distanzierung verhängt. Schulen für Kinder und Jugendliche zwischen vier und 18 Jahren blieben nur für die Kinder von Mitarbeitern in Schlüsselberufen geöffnet. Rund zwei Prozent aller Schulkinder besuchten während des Lockdown den Unterricht.
Mahnung vor Schäden, falls Schulen geschlossen bleiben
Die Studienautoren halten fest, dass eine Schulschließung zwar die Anzahl der Kontakte innerhalb der Bevölkerung reduziere, gleichzeitig aber auch erhebliche Schäden verursachen könne: „Zu diesen Schäden gehören unter anderem eine verringerte wirtschaftliche Produktivität und Schäden an Bildung, Entwicklung sowie körperlicher und geistiger Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, die auf soziale Isolation, verringerte soziale Unterstützung und möglicherweise eine erhöhte Gewaltexposition zu Hause zurückzuführen sind. Die Wiedereröffnung der Schulen stellt den ersten Schritt zur Wiedereröffnung der Gesellschaft dar, indem sie den Eltern die Rückkehr zur Arbeit und damit eine stärkere Durchmischung der Gemeinschaft ermöglicht.“
Jasmina Panovska-Griffiths et al., Determining the optimal strategy for reopening schools, the impact of test and trace interventions, and the risk of occurrence of a second COVID-19 epidemic wave in the UK: a modelling study, „The Lancet“, Published: August 3, 2020, DOI:https://doi.org/10.1016/S2352-4642(20)30250-9