Würden Grundschüler weniger Süßes kaufen, wenn es teurer wäre?
Für die Studie wurde ein sogenanntes „anreizkompatibles Kaufexperiment“ mit Grundschulkindern im Alter von 7 bis 10 Jahren durchgeführt. Dabei wurden drei verschiedene Lebensmittelattribute berücksichtigt: Snacks, die sich in ihrer Gesundheit, ihrer Marke und ihrem Preis unterscheiden. In die endgültige Analyse wurden 123 Kinder einbezogen.
Zunächst sollten die jungen Teilnehmenden einige Fragen beantworten, etwa zu ihren Lieblingssnacks und ihrem Wissen über Ernährung. Danach absolvierten sie einen einfachen Test zu ihrem Verständnis von Mengen. Beispielfrage: Wenn 50 Kinder auf einem Kindergeburtstag sind, ist das viel oder wenig? „Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse darauf zu, wie gut Kinder Zahlen einschätzen können“, erklärt Stefanie Landwehr, Promovendin am Lehrstuhl für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Universität Bonn und Erstautorin der Studie. „Wer diesbezüglich über wenig Kompetenzen verfügt, kann vermutlich auch Preise schlechter beurteilen.“
Schoko-Keks oder Apfelscheibe?
Nach diesem kognitiven Test zur Messung des kontextbezogenen Mengenverständnisses bekamen die Mädchen und Jungen zur Belohnung drei Euro. Damit konnten sie im Rahmen eines einfachen Experiments einen Snack kaufen. Das Sortiment umfasste einen Schoko-Keks (die ungesündeste Alternative), eine Quetschpackung mit Obstpüree (etwas gesünder) und Apfelscheiben (die gesündeste Wahl). Die Produkte wurden in drei unterschiedlichen Preisstufen angeboten – 60 Cent, 1 Euro oder 1,40 Euro. Zudem gab es jeden Snack in zwei Varianten: eine von McDonald’s, einer bei Kindern sehr bekannten Marke, und eine zweite von einem unbekannten Hersteller.
Nun wurden den Kindern Fotos von zwei verschiedenen Produkten zu unterschiedlichen Preisen gezeigt, etwa einem No-Name-Schoko-Keks für 1 Euro und Apfelscheiben von McDonald‘s für 1,40 Euro. Die Mädchen und Jungen konnten angeben, welches Produkt sie kaufen würden, hatten aber auch die Option, keines der beiden zu nehmen. Die Wahl wurde auf einer Antwortkarte vermerkt. Insgesamt wurde dieses Experiment zehnmal mit unterschiedlichen Snack- und Preiskombinationen wiederholt. „Wir hatten also am Ende für jedes Kind zehn Antwortkarten“, erklärt Prof. Monika Hartmann, Lehrstuhlinhaberin für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Universität Bonn. Diese wurden nun umgedreht und gemischt, und das jeweilige Kind durfte eine Karte ziehen. Die darauf angekreuzte Wahl wurde dann umgesetzt: Wurde beispielsweise die Karte gezogen, bei der sich das Kind für einen No-Name-Schoko-Keks zum Preis von 1 Euro entschieden hatte, so bezahlte es und erhielt den Keks.
Jedes siebte Kind in Deutschland gilt als übergewichtig
Ergebnisse der zweiten Welle der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS Welle 2, 2014-2017) zeigen, dass 9,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren übergewichtig und 5,9 Prozent adipös sind. In der Folge können verschiedene Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Gelenkprobleme oder Depressionen auftreten. In der Kindheit entwickeltes Übergewicht wird oft ein Leben lang beibehalten.
Keks-Fans schauen nicht auf den Preis
Die Auswertung der Daten zeigt, dass die Grundschülerinnen und -schüler bei ihren Konsumentscheidungen sehr unterschiedlich vorgingen. Generell ließen sie sich in drei Gruppen einteilen:
Gruppe 1: Die Cookie-Fans, die sich vom Kauf ihres Lieblingssnacks auch dann nicht abbringen ließen, wenn dieser teurer war.
Gruppe 2: Die Preisbewussten, die ihre Entscheidung vor allem vom Kaufpreis abhängig machten.
Gruppe 3: Diejenigen, die noch kein klares Verständnis von günstig oder teuer hatten – das waren meist die Jüngeren. Sie tendierten oft dazu, das Fruchtpüree zu wählen; der Preis spielte für sie dabei keine größere Rolle.
Ein weiteres, aus Sicht der Forschenden überraschendes Ergebnis der Untersuchung: Die Snacks von McDonald‘s waren bei den Kindern keineswegs beliebter. Im Gegenteil: Im Schnitt waren sie sogar weniger bereit, für diese zu zahlen, als für Snacks unbekannter Hersteller. „Möglicherweise liegt das daran, dass McDonald‘s eher für seine Burger und Pommes bekannt ist und weniger für Apfelschnitten oder Schoko-Keks“, spekuliert Landwehr. Es sei durchaus möglich, dass andere Marken sehr wohl einen Effekt auf die Konsumentscheidungen von Kindern hätten.
Warnung an die Politik: „Kinder sind nicht alle gleich“
Insgesamt zeige die Studie, dass jüngere Kinder eine sehr heterogene Zielgruppe sind: Maßnahmen, die darauf abzielen, ihr Konsumverhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken, wirken nicht für alle gleichermaßen. „So spielt das Alter und das Verständnis für ‚günstig‘ oder ‚teuer‘ eine wesentliche Rolle für die Auswirkungen von Preissignalen“, erklärt Landwehr. „Es gibt allerdings Kinder, die ein solches Verständnis haben, sich durch höhere Preise aber dennoch kaum beeinflussen lassen. Es ist daher sinnvoll, im Kampf gegen Übergewicht auf eine Vielzahl von Strategien zu setzen, um möglichst viele Mädchen und Jungen zu erreichen.“
An der Studie war neben der Universität Bonn auch die Tufts University Boston (USA) beteiligt. Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Stefanie C. Landwehr, Monika Hartmann, Sean B. Cash, Ching-Hua Yeh: The kids are not all the same - Heterogeneity in children’s snack purchase behavior. Food Quality and Preference, DOI: https://doi.org/10.1016/j.foodqual.2023.104906