ZE: Zahnarzt- und Zahntechnikkosten im Vergleich
Material und Methoden
27 zahnärztlichen Behandlungsanlässe in 11 bis 15 Therapieschritten
Für den länderübergreifenden Vergleich des zahnmedizinischen Leistungsrahmens wurden ausgewählte zahnmedizinische Behandlungsanlässe über detaillierte konsentierte Therapieschrittlisten definiert und den Gebührenpositionen der nationalen Honorarverzeichnisse zugeordnet. Abgebildet wurde der aktuelle Leistungsinhalt von insgesamt 27 zahnärztlichen Behandlungsanlässen in Form von 11 bis 15 Therapieschritten.
5 konkrete gängige Versorgungen aus der Zahnprothetik
Als Preis einer standardisierten zahnärztlichen Leistung wurde die Summe aus zahnärztlichem Honorar und zahntechnischen Material- und Laborkosten definiert. Ausgangspunkt des Preisvergleichs waren fünf konkrete gängige Versorgungen aus dem Bereich der Zahnprothetik:
Verblendete Krone auf Zahn 21 (Werkstoff für das Gerüst: Gold; Werkstoff für die Verblendung: Keramik);
Implantatsetzung regio 11 (enossales pfostenförmiges Schraubenimplantat; Werkstoff: Titan; Spätimplantation, zweiphasig einheilend);
Vollverblendete Brücke von Zahn 45 bis Zahn 47 (zum Ersatz des Zahns 46) (Werkstoff für das Gerüst: Gold; Werkstoff für die Verblendung: Keramik);
Modellgussprothese (Ersatz der Zähne 36, 32, 31, 41, 42, 44, 45 und 46);
Totalprothetische Versorgung im Ober- und Unterkiefer.
Bezugspunkt: ein GKV-Patient mit durchschnittlichem Befund
Bezugspunkt der beschriebenen zahnmedizinischen Behandlungsanlässe war jeweils ein gesetzlich versicherter erwachsener Patient mit durchschnittlichem oralen Befund, das heißt, es wurde davon ausgegangen, dass bei der Leistungserbringung keine erschwerten Bedingungen vorliegen.
5 Länder im Vergleich: Dänemark, Deutschland, Niederlande, Schweiz und Ungarn
Für den Preisvergleich werden Preisangaben zu den obigen zahnprothetischen Versorgungen aus Dänemark (DK), Deutschland (DE), Niederlande (NL), Schweiz (CH) und Ungarn (HU) zugrunde gelegt. Preisinformationen aus weiteren europäischen Nachbarländern wie Frankreich und Großbritannien, die keine Differenzierung zwischen zahnärztlicher und zahntechnischer Leistung ermöglichen, blieben unberücksichtigt. Beispielsweise werden zahnärztliche Leistungen in England nur über drei Komplexpauschalen, - sogenannten UDAs (Units of Dental Activity) - abgerechnet, die aus Patientensicht kaum für Preistransparenz sorgen.
Mit der Auswahl werden auch unterschiedliche Gesundheitssysteme berücksichtigt: das sozialversicherungsdominierte und beitragsfinanzierte Bismarck-System (Deutschland und die Niederlande), das staatlich ausgerichtete und steuerfinanzierte Beveridge-System (Dänemark) und mit Ungarn zudem ein ehemals sozialistisch geprägtes Gesundheitssystem (Semashko-Modell). Die Schweiz gilt als Beispiel für eine weitestgehend privatzahnärztliche Versorgung.
Die Datenerhebung erfolgte 2013 anhand länderspezifischer Fragebögen und anschließender vertiefender persönlicher Interviews von zahnmedizinischen Experten, die in der Regel von den jeweiligen nationalen zahnärztlichen Standesorganisationen benannt worden waren.
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Ergebnisse
Wie der indexierte Preisvergleich (Deutschland =100) zeigt, nimmt Deutschland bei den Gesamtkosten der fünf zahnmedizinischen Behandlungsanlässe preislich jeweils einen mittleren Rang ein (Tabelle 2a): Zweimal jeweils hinter der Schweiz die zweitteuerste Versorgung, also Rang 2 (vollverblendete Brücke und totalprothetische Versorgung), zweimal Rang 3 (verblendete Krone und Implantatsetzung) sowie einmal Rang 4 (Modellgussprothese).
Unterscheidet man nun jeweils nach zahnärztlicher und zahntechnischer Leistung (Material- und Laborkosten), besetzt Deutschland beim zahnärztlichen Honorar (Tabelle 2b) zweimal Rang 2 Implantatsetzung und Totalprothese), zweimal Rang 4 (verblendete Krone und vollverblendete Brücke) und einmal den letzten Rang (Modellgussprothese). Bei den zahntechnischen Material- und Laborkosten (Tabelle 2c) liegt Deutschland zweimal auf Rang 1 (verblendete Krone und vollverblendete Brücke), zweimal auf Rang 2 nach der Schweiz (Modellgussprothese und Totalprothese) und einmal auf Rang 3 (Implantatsetzung).
Zur besseren Veranschaulichung lassen sich die jeweiligen Indizes der fünf zahnmedizinischen Behandlungsanlässe zu einem Gesamtindex für prothetische Leistungen aggregieren, desgleichen die Einzelindizes für die zahnärztliche und zahntechnische Leistung (Tabelle 3).
Gesamtpreise für prothetische Leistungen: Deutschland liegt im Mittelfeld
Demnach bewegt sich Deutschland bei den Gesamtpreisen für prothetische Leistungen im Mittelfeld. In der Schweiz liegen die durchschnittlichen Preise zahnprothetischer Versorgungen deutlich höher, in Ungarn hingegen merklich geringer. Beim zahnärztlichen Honorar nimmt Deutschland im Schnitt den 4. Platz ein, bei den zahntechnischen Material- und Laborkosten hingegen den 2. Platz. Der Gesamtindex für prothetische Leistungen schwankt länderübergreifend um den Faktor 2,83, der für das zahnärztliche Honorar um den Faktor 3,29 und der für zahntechnische Material- und Laborkosten um den Faktor 2,66.
Ein Drittel der Zahnarztpraxen hat ein eigenes zahntechnisches Labor
In der zahnärztlichen Wertschöpfungskette spielen zahntechnische Leistungen eine wichtige Rolle. Aktuell entfallen in Deutschland 35,7 Prozent des Praxisumsatzes auf zahntechnische Leistungen (KZBV 2016). Sie werden traditionell entweder in praxiseigenen Labors oder von externen Dentallaboren ("Fremdlaboren") erbracht (Volksbanken Raiffeisenbanken 2013). Der Anteil der Zahnarztpraxen mit einem eigenen zahntechnischen Labor ist seit 1977 praktisch konstant geblieben: 1977 waren es 31 Prozent und 2014 (in den alten Bundesländern) 33,5 Prozent (KZBV 1985, KZBV 2016).
Soweit die zahntechnischen Material- und Laborleistungen aus einem Fremdlabor stammen, stellt dieser Umsatzanteil (im Jahr 2013: 25,7 Prozent; KZBV 2016) für den Zahnarzt lediglich einen „durchlaufenden Posten“ dar, der ohne Preisaufschlag an den Patienten weiterzugeben ist. Eine deutsche Besonderheit ist, dass aufgrund gesetzlicher Vorgaben (§ 88 Abs. 3 SGB V) die Preise zahntechnischer Leistungen aus Praxislaboren die Preise aus gewerblichen Laboren um mindestens 5 Prozent unterschreiten müssen.
Der Anteil der Material- und Laborkosten liegt zwischen 43,6 (Dänemark) und 61,3 Prozent (Deutschland)
Der durchschnittliche Anteil der Material- und Laborkosten an den Gesamtpreisen beträgt in Deutschland 61,3 Prozent, in Dänemark hingegen nur 43,6 Prozent. Die anderen drei Vergleichsländer bewegen sich zwischen diesen beiden Extremen. Die ausgeprägte Spannweite in Deutschland liegt am vergleichsweise geringen Anteil der Material- und Laborkosten im Beispiel der Implantatsetzung (Anteilswert von 33,1 Prozent). Der durchschnittliche Anteilswert der anderen vier Behandlungsanlässe liegt deutlich höher, nämlich bei 68,4 Prozent (Abbildung 2).
Diskussion
Der Markt ist reguliert
Die Analyse zeigt, dass der Markt für zahnprothetische Versorgungen in der Regel nicht frei im Rahmen eines freien Wettbewerbes aushandelbar sind, sondern sich nach gesetzlichen Vorgaben bestimmen, mit denen die Preisgestaltung im Gesundheitsbereich reguliert wird. Der Regulierungsrahmen kann national relativ strikt sein (Gebühren- oder Honorarverordnungen) oder aber gewisse Freiheitsgrade bei der Preisgestaltung (Honorarverzeichnisse und -tabellen) zulassen (Tabelle 4).
Eine Rolle spielt auch, inwieweit die Kosten zahnprothetischer Versorgungen durch einen Kostenträger (gesetzliche und/oder private Krankenversicherung, Staat) abgedeckt werden oder durch den Patienten teilweise oder vollständig gezahlt werden müssen. Tabelle 5 verdeutlicht, dass die Versorgung mit Zahnersatz in der Regel vollständig vom Patienten getragen werden muss. Nur in Deutschland wird Zahnersatz von den gesetzlichen Krankenkassen je nach Befund auf Basis der Festzuschüsse bezuschusst.
Ausnahmeregelungen gibt es beispielsweise im Hinblick auf bestimmte Indikationen oder mittellose Personenkreise (Totalprothese in NL; Nichterwerbstätige in HU; Sozialhilfebezieher in DE). Die Ergebnisse sind insofern unter Beachtung der jeweiligen nationalen Systembesonderheiten und unterschiedlichen Regulierungsniveaus zu interpretieren.
Deutschland: Regulierungsdichte und hohe Kassenleistungen
Deutschland sticht somit sowohl hinsichtlich der Regulierungsdichte durch Honorar- und Leistungsverordnungen als auch hinsichtlich der vergleichsweise hohen Kassenleistungen zu zahnprothetischen Versorgungen im Ländervergleich hervor.
Der empirische Befund zu den vergleichsweise hohen Anteilswerten für Material- und Laborkosten in Deutschland bestätigt die Ergebnisse einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 1999, derzufolge durchschnittlich 59 Prozent auf die zahntechnischen Material- und Laborkosten entfielen, während es in den europäischen Nachbarstaaten im Schnitt lediglich 43 Prozent waren.
Auch die Einführung des Festzuschussmodells Anfang 2005, seinerzeit vom Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) heftig kritisiert, hat an dem strukturellen Muster ganz offensichtlich nichts geändert. Im Rahmen einer Nachauswertung von 3.668 Versorgungsdokumentationen zur zahnprothetischen Behandlung aus dem 4. Quartal 2005 lag der Anteil der Material- und Laborkosten im Schnitt ebenfalls bei knapp 59 Prozent über alle Zahnersatzversorgungen hinweg. Beschränkt man sich auf die ausgewählten fünf zahnmedizinischen Behandlungsanlässe, beträgt der Anteilswert hingegen 61,1 Prozent.
Deutschland mit höchster Zahnarzt- und Zahntechnikerdichte
Bezogen auf das Versorgungsangebot zeigt der Ländervergleich (Tabelle 6), dass Deutschland die höchste Zahnarztdichte (Zahnärzte je 1.000 Einwohner) und auch die höchste Anzahl an Zahnarztbesuchen hat. Die Zahnarztdichte in Dänemark ist ähnlich hoch (1999 versorgte ein dänischer Zahnarzt noch 1.161 Einwohner); bei den Zahnarztkonsultationen ist die Kontaktfrequenz in den Niederlanden ähnlich wie in Deutschland.
Auch die Zahntechnikerdichte ist in Deutschland höher als in den Nachbarstaaten, wobei hier die Unterschiede deutlich markanter ausfallen. So ist die Zahntechnikerdichte in Deutschland viermal so hoch wie in Dänemark.
Die Zusammenhänge zwischen der Zahntechnikerdichte und dem Anteil der Material- und Laborkosten sind bislang noch nicht ausreichend erforscht. Jedenfalls sind hier in der empirischen Zusammenschau eher Zusammenhänge zu erkennen als bei der Zahnarztdichte (Abbildung 4). So trifft in Dänemark die im Ländervergleich zweithöchste Zahnarztdichte auf die niedrigste Zahntechnikerdichte; der durchschnittliche Material- und Laborkostenanteil liegt zugleich deutlich unter den Werten der vier Nachbarländer.
Vergleicht man die oralepidemiologische Situation in den fünf Ländern, haben die Erwachsenen in Deutschland mittlerweile die niedrigste Karieslast, während Dänemark bei den Senioren den geringsten Anteil an völlig Zahnlosen aufweist. Das Beispiel Ungarn zeigt, dass der deutlich geringere volkswirtschaftliche Input (Pro-Kopf-Ausgaben, Anteil am BIP) mit einer entsprechend niedrigeren Versorgungsleistung einhergeht.
Schlussfolgerungen
Der vergleichsweise hohe Material- und Laborkostenanteil ebenso wie die vierfach höhere Zahntechnikerdichte in Deutschland können als strukturelles Überbleibsel aus der Zeit der kurativen Versorgung der „Prothetikergeneration“ gesehen werden. Die „dynamische“ Entwicklung des deutschen Zahntechnikerhandwerks im Zeitraum zwischen 1963 und 1998 hat zur Herausbildung eines stark fragmentierten Marktes geführt.
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Ein strukturelles Überbleibsel aus der Zeit der "Prothetikergeneration"
Eine Problemanalyse zur Entwicklung des Zahntechnikerhandwerks kommt zu dem Ergebnis, dass „sich auf Seiten der Zahntechnik ein Überangebot kleiner und kleinster Betriebe mit schwachen wirtschaftlichen Grundlagen und geringen Entwicklungsmöglichkeiten aufgebaut hat“, der Beschäftigungsrückgang seit 1998 insofern in erster Linie Folge einer strukturellen Krise des Zahntechnikerhandwerks ist.
Der Strukturwandel im deutschen Zahntechnikerhandwerk wird anhalten (müssen)
Der Strukturwandel im deutschen Zahntechnikerhandwerk wird insofern auch anhalten (müssen). Laut einer IDZ-Trendanalyse von 2012 gehen lediglich vom zahnerhaltenden Leistungsbereich auch künftig Wachstums- und Beschäftigungsimpulse aus (prognostizierte Umsatzsteigerung um 26 Prozent bis 2030), während die Umsätze im zahnersetzenden Leistungsbereich bis 2030 um 8 Prozent schrumpfen könnten.
Die relative Bedeutung der zahnersetzenden Leistungen wird weiter abnehmen
Die relative Bedeutung der zahnersetzenden Leistungen für den gesamten zahnärztlichen Leistungsbereich wird bis 2030 von einem Umsatzanteil von 20,7 Prozent (in 2010) innerhalb von nur zwei Jahrzehnten voraussichtlich um fast ein Viertel zurückgehen (2030: Umsatzanteil in Höhe von 15,8 Prozent).
Die im Vergleich sehr hohe Zahntechnikerdichte in Deutschland hat sich in den vergangenen 50 Jahren erst nach und nach aufgebaut, nämlich von einer Verhältniszahl von 0,35 (1963) auf einen Wert von 1,24 (1997). Der Rückgang auf die aktuelle Zahntechnikerdichte (2011: 0,84) ist insofern eine strukturelle Anpassung des Zahntechnikerhandwerks - ein Schritt auf dem Weg in die (europäische) „Normalität“.
Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich der vergleichsweise hohe Material- und Laborkostenanteil in Deutschland unter geänderten strukturellen Rahmenbedingungen zukünftig ebenfalls verringern wird.
Dr. David Klingenberger, Zahnärztliche und zahntechnische Vergütung beim Zahnersatz - Ergebnisse aus einem europäischen Ländervergleich, in:IDZ-Information 2/17