KZV Baden-Württemberg schreibt an Minister Lucha

"Wir befürchten einen Staubsaugereffekt!"

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Seit 2015 wurden in Baden-Württemberg 80 zahnmedizinische Versorgungszentren (Z-MVZ) gegründet. KZV-Chefin Dr. Ute Maier hat deshalb jetzt einen Brief an Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) geschrieben.

Seit der Einführung arztgruppengleicher MVZ mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 wurden laut KZV 80 solcher Z-MVZ in Baden-Württemberg neu gegründet - vornehmlich in wirtschaftsstarken Ballungsräumen und einkommensstarken Regionen wie in Stuttgart, Karlsruhe und der Metropolregion Rhein-Neckar (Stand 1. Quartal 2018).

Großinverstoren erzielen mit MVZ Gewinne bis zu 20 Prozent

Wie die KZV in ihrem Schreiben vom 11. Juli ausführt, erzielen ausländische Groß- und Finanzinverstoren mit der zahnmedizinischen Versorgung Gewinne bis zu 20 Prozent. Zu beobachten sei ein Trend zur Bildung von Verbundstrukturen: Die Hälfte aller zugelassenen Z-MVZ ist demnach Teil einer Kettenstruktur.

2015 hat der Gesetzgeber mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz die rechtlichen Möglichkeiten zur Gründung von arztgruppengleichen MVZ geschaffen. Ziel der Maßnahme war, die medizinische Unterversorgung in ländlichen Räumen zu beseitigen. Doch das GEgenteil trat ein: Wie andere KZVen verzeichnet auch die KZV Baden-Württemberg starke regionale Konzentrationsprozesse der Z-MVZ in bereits gut bis sehr gut versorgten Gebieten.

Insbesondere zwei negative Entwicklungen werden laut KZV durch das Gesetz verstärkt:

1. Zum einen beschleunigen die Z-MVZ den Trend, dass sich junge Zahnärzte in noch stärkerem Maße ein Anstellungsverhältnis in den Ballungsräumen suchen, anstatt sich mit einer eigenen Praxis in ländlicheren Räumen niederzulassen.

In den vergangenen vier Jahren stieg die Zahl der angestellten Vertragszahnärzte in Baden-Württemberg laut KZV-Statistik um 47 Prozent von 1.164 auf 1.709. Waren 2014 nur 15 Prozent angestellt, sind das 2018 bereits 21 Prozent.

In der Altersgruppe bis 35 Jahre entschieden sich demzufolge von 1.030 zugelassenen Vertragszahnärzten nur 317 (gut 30 Prozent) für die Niederlassung in eigener Praxis. Aktuell sind ein Drittel der Zahnärztinnen in Anstellung - deutlich mehr als die männlichen Kollegen. Bei den unter 35-Jährigen sind es 78 Prozent der weiblichen und 56 Prozent der männlichen Zahnärzte.

"Ein massiver Trend weg von der sofortigen Niederlassung in der eigenen Praxis nach der Assistenzzeit ist unübersehbar", heißt es in dem Brief der KZBV.

Aus Sicht der KZV können Z-MVZ als größere Einheiten im ländlichen Raum aufgrund der deutlich geringeren Bevölkerungsdichte nur in Ausnahmefällen einen solchen Patientenstamm generieren, um wirtschaftlich praktizieren zu können. Der ländliche Raum werde daher auch in Zukunft überwiegend von der klassischen Einzelpraxis versorgt werden müssen. Der jetzige Trend bleibe daher nicht ohne gravierende Folgen für die Versorgung in der Fläche.

2. Diese Entwicklung geht der KZV zufolge zulasten der Patienten: Gerade die ältere Bevölkerung wäre von einem Rückgang von Zahnarztpraxen in der Fläche überproportional betroffen.

Denn: Jüngere, berufstätige und Patienten suchen sich laut KZV vermehrt in Jobnähe, also meist in der Stadt, ihren Zahnarzt. Eine Praxis im ländlichen Raum sei somit wirtschaftlich deutlich schwerer zu betreiben, was wiederum Folgen für die Niederlassungsbereitschaft des zahnärztlichen Nachwuchses habe.

Aus dem Brief der KZV Baden-Württemberg an Sozialminister Manfred Lucha

"Sehr geehrter Herr Minister Lucha, wir bitten Sie als zuständiger Ressortminister sowie die Landesregierung von Baden-Württemberg, Ihr bundespolitisches Gewicht auch über den Bundesrat in die Waagschale werfen, um Schaden für die Versorgungssituation im (zahn-)medizinischen Bereich abzuwenden.

Es wäre für die Versorgung der Bevölkerung in Baden-Württemberg abträglich, wenn Investoren durch das Land ziehen und eine „Zahnarzt-Fabrik“ nach der anderen in den wirtschaftsstarken Ballungsräumen eröffnen und die Versorgungssituation in eher strukturschwachen Gebieten verschärfen. Diese ungebremste Entwicklung bringt ein gut austariertes System, das seit Jahrzehnten eine exzellente Versorgung sicherstellt, ins Wanken.

Wir bitten Sie eindringlich um die Unterstützung der Landesregierung mit einer eindeutigen Positionierung zu diesem Thema und um die Initiierung einer Bundesratsinitiative, die folgendes enthält:

1. § 95 Abs. 1 SGB V ist dahingehend zu ändern, dass MVZ, in denen Zahnärzte tätig werden, ausschließlich fachgruppenübergreifend auszugestalten sind.

Durch geeignete Maßnahmen soll der Zutritt von Fremdinvestoren und Fremdkapitalgebern bei der Gründung und beim Aufkauf von MVZ-Ketten im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung verhindert werden. Dazu muss der Gründerkreis auf Zahnärztinnen und Zahnärzte beschränkt werden, deren fachliches Leistungsspektrum in dem MVZ auch allein erbracht wird. Ohne eine solche gesetzliche Regelung wird der Vergewerblichung der medizinischen Versorgung und der Heilberufe ungehindert Vorschub geleistet.

Zahnmedizinische Versorgungszentren (Z-MVZ) werden verpflichtet, im Rechtsverkehr sowie bei der Außendarstellung des MVZ die Gesellschafter sowie die Rechtsform der Trägergesellschaft zu benennen."

Auszug aus dem Brief vom 11. Juli von Baden-Württembergs KZV-Chefin Dr. Ute Maier an Sozialminister Manfred Lucha (Grüne)

"Gerade die ältere Bevölkerung, deren Behandlungsnotwendigkeit in der zahnmedizinischen Versorgung seit Jahren steigt und die oftmals nicht so mobil ist, ist aber auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen", heißt es in dem Brief.

MVZ bringen keinen versorgungsrelevanten Mehrwert

"Arztgruppengleiche MVZ wirken aufgrund dieser Sogwirkung wie ein Katalysator für eine Unterversorgung in ländlichen Gebieten und bringen keinen versorgungsrelevanten Mehrwert", bilanziert die KZV.

Die großen rein zahnmedizinischen, großen Versorgungszentren nehmen in Baden-Württemberg rasant zu", sagt KZV-Vorsitzende Maier. "Wir befürchten, dass diese einen Staubsaugereffekt auslösen und sich somit ein beträchtlicher Teil der Versorgung weg vom ländlichen Raum in die großen Städte verlagern wird."

Maier: "Niemand kann in der Zahnmedizin eine Entwicklung wollen, wie wir sie in anderen gesellschaftlichen Bereichen erleben, wie zum Beispiel beim Bäckereihandwerk, wo die großen Ketten mit ihren Filialen den lokalen Anbietern die Existenzgrundlage nehmen. Die gute Versorgung – gerade auch im ländlichen Raum – wird nicht mit Zahn-Fabriken sichergestellt werden können.“

Das Praxisschild: Für MVZ gelten geringere Anforderungen

Während die Berufsordnung für Zahnärzte und Berufsausübungsgemeinschaften den Inhalt des Praxisschildes regelt, gibt es für MVZ eine solche Regelung nicht, weil die Berufsordnung für das vertragsrechtliche Institut des MVZ nicht anwendbar ist. Dabei besteht auch bei den Patienten ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wer als Gesellschafter für den Betrieb des MVZ insgesamt verantwortlich ist, moniert die KZV.

"Es ist nicht nachvollziehbar, warum für MVZ geringere Anforderungen an die Transparenz bei der Außendarstellung gestellt werden", heißt es in dem Brief. "Gerade vor dem Hintergrund, dass ein erkennbarer Wille des Gesetzgebers besteht, die ärztliche Versorgung im MVZ vor einer Beeinflussung durch Kapitalinteressen zu bewahren besteht hier Handlungsbedarf. Eine Konkretisierung dieser Pflichten wäre etwa durch Rechtsverordnung (Zahnärzte-ZV) oder Delegation an die Bundesmantelvertragspartner möglich."

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