Dr. Wolfgang Eßer vor der Vertreterversammlung

"Wir werden nicht kapitulieren!"

Wolfgang Eßer
KZBV-Chef Dr. Wolfgang Eßer richtete klare Worte an die Delegierten der Vertreterversammlung und betonte ausdrücklich die Relevanz von Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung für das Gesundheitssystem.

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir befinden uns mitten in einem stürmischen Herbst – und das nicht nur, was die politische Landschaft betrifft, was die Zukunft der Bundesregierung betrifft, sondern auch, was die Zukunft der Freiberuflichkeit und der Selbstverwaltung betrifft.

'Die verantwortliche autonome Selbstverwaltung der Leistungsträger unseres Gesundheitswesens darf nicht eingeengt, sondern muss gefördert werden. […] In einem freiheitlichen Gesundheitswesen findet die Selbstbestimmung des Bürgers ihre notwendige Entsprechung in der Selbstbestimmung der Heilberufe. Deshalb sind unverzichtbare Elemente unseres Gesundheitswesens: der Grundsatz der verantwortlichen und eigenständigen Selbstverwaltung in den Selbstverwaltungsgremien der gesetzlichen Krankenversicherung, in den Kammern der Heilberufe, in den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Ein staatliches Gesundheitswesen kann niemals die Leistungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit erreichen, die unsere pluralistische Struktur gewährleistet. […] Die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung ist auch in Zukunft vorrangig durch niedergelassene Ärzte und Zahnärzte in freier und unabhängiger Berufsausübung sicherzustellen. Nur auf diesem Weg wird eines der Grundprinzipien unseres Gesundheitswesens, die freie Arzt- und Zahnarztwahl, verwirklicht.'

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Ausführungen ist in ihrer Klarheit und Deutlichkeit nichts hinzuzufügen. Sie könnten einem Positionspapier der KZBV entnommen sein. Doch tatsächlich sind es Zitate aus dem gesundheitspolitischen Programm der CDU. Das ist, wie ich meine, eine beruhigende Erkenntnis, eine stabile Basis für unsere Arbeit!

"Die Kultur des gemeinsamen Gestaltens und des gegenseitigen Vertrauens wird zunehmend ersetzt durch ein einseitiges Verwalten und ein grundlegendes Misstrauen"

Ich muss mich korrigieren: das wäre eine beruhigende Erkenntnis und eine stabile Basis für unsere Arbeit, wenn es denn Zitate aus dem aktuellen Parteiprogramm wären. Tatsächlich stammen die vorgetragenen Zitate jedoch – bedauerlicherweise muss man sagen – aus dem Jahr 1978.

Heute schreibt die CDU zu Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung in ihr Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2017: 'Unser Gesundheitswesen hat sich mit der freiberuflichen Ärzteschaft, seiner Selbstverwaltung und mit seinen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen bewährt.'

Ein einziger lapidarer Satz auf 76 Seiten Regierungsprogramm – ohne Herzblut, ohne Leidenschaft. Kein Wort der Wertschätzung, kein Versprechen des Schutzes oder gar der zukünftigen Förderung. Das klingt nüchtern, fast beiläufig. Nichts, was Hoffnung für die Zukunft machen könnte! Dieses Beispiel legt die Vermutung nahe, dass die Politik nicht nur jedwede Wertschätzung für die Freiberuflichkeit und die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen verloren hat. Der Wandel in der Programmatik ist vielmehr beispielgebend für das Klima, dem wir Freiberufler und Selbstverwalter nicht erst seit kurzem ausgesetzt sind.

Die Kultur des gemeinsamen Gestaltens und des gegenseitigen Vertrauens wird zunehmend ersetzt durch ein einseitiges Verwalten und ein grundlegendes Misstrauen. Sanktionen sind zum probaten Mittel der Kujonierung der Selbstverwaltung geworden und ersetzen den Dialog mit denen, die die Menschen in unserem Land heilen.

Nach Selbstverwaltungs'stärkungs'gesetz kommen weitere Hürden

Wir sind zu Beginn der neuen Legislaturperiode des Bundestages angetreten mit einem klaren Kompass: Wir werden uns dafür einsetzen, die Selbstverwaltungsrechte wiederherzustellen, die man uns durch das GKV-Selbstverwaltungs'stärkungs'gesetz genommen hat.

Und wir haben uns hier in Frankfurt fast auf den Tag genau vor einem Jahr verpflichtet, mit ganzer Kraft dafür zu arbeiten, Angriffe auf die Freiberuflichkeit und die Selbstverwaltung nicht nur abzuwehren, sondern sie zu ihrer alten Stärke zurückzuführen. Heute, ein Jahr später, stellt uns die Politik mit dem Kabinettsbeschluss des Terminservice- und Versorgungsgesetzes, kurz TSVG, neue Hürden auf. Es drängt sich mir insofern die Frage auf, ob wir auf Seiten der Selbstverwaltung etwas grundlegend falsch machen, was dann möglicherweise zu Recht den Unmut der Politik und entsprechende gesetzliche Reaktionen provozieren würde?

Oder sind nicht wir, sondern ist die Politik auf einem – aus unserer Sicht falschen – programmatischen Weg, auf dem kein Platz mehr ist für Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung und diese folgerichtig abgeschafft werden müssen? Die beiden uns vom Gesetzgeber übertragenen Kernaufgaben bestehen darin, die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung wohnortnah, flächendeckend und qualitätsgesichert zu gewährleisten sowie die Interessen der Zahnärzteschaft und der Patientinnen und Patienten unter anderem gegenüber den Kostenträgern und der Politik zu vertreten.

Gemeinsam mit den KZVen erfüllt die KZBV nun mehr als 60 Jahre lang zuverlässig den Sicherstellungsauftrag und gewährleistet trotz begrenzter wirtschaftlicher Mittel eine zahnmedizinische Versorgung, die weltweit höchste Anerkennung findet: Bei der Mundgesundheit sind wir auch im internationalen Vergleich die Nummer 1! Wir schaffen so viel Gesundheitsverbesserung wie in keinem anderen Versorgungsbereich und bewirken gleichzeitig ständig sinkende anteilige Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen.

Wir entwickeln und realisieren bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Versorgungskonzepte und sorgen dafür, dass die Menschen in unserem Land am wissenschaftlichen Fortschritt in der Zahnmedizin teilhaben. Das alles erkennen zumindest die Menschen in Deutschland an, die mit der zahnärztlichen Versorgung, mit ihren Zahnärztinnen und Zahnärzten, in höchstem Maße zufrieden sind und ihnen darüber hinaus auch die besten Noten in puncto Freundlichkeit, Beratungs-und Servicequalität geben.

Ich möchte jetzt auch gar nicht näher auf die Erfolge unserer Arbeit in den vergangenen Jahren eingehen. Diese sind hier hinlänglich bekannt. Ihren Blick möchte ich aber wenigstens schlaglichtartig auf unsere Arbeit in diesen kurzen 1 ½ Jahren der aktuellen Vorstands-Legislatur lenken:

- Frühkindliche Karies vermeiden: Wir haben mit den Regelungen zu den neuen Früherkennungsuntersuchungen unser Konzept „Frühkindliche Karies vermeiden“ gesetzlich verankern können.

- § 22a: Das AuB-Versorgungskonzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ ist von der Politik aufgegriffen, von uns umfassend umgesetzt und in die Versorgung integriert worden. Die flächendeckende Implementierung von heute nahezu 4.000 Kooperationsverträgen mit Pflegeeinrichtungen und die seit 1. Juli dieses Jahres geltende Richtlinie des G-BA zu § 22a SGB V sind Meilensteine in der Verbesserung der zahnmedizinischen Versorgung von älteren Menschen, Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung.

- PpSG: Krankenfahrten: Im Gesetzgebungsverfahren zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, dem PpSG, ist es uns gelungen, unsere Forderung nach einer Freistellung der Krankenfahrten von einem Genehmigungserfordernis durchzusetzen. Auch wenn das fälschlicherweise als Bagatelle angesehen werden kann, wissen wir, welch hohen und völlig unsinnigen bürokratischen Aufwand die Beantragung einer Krankenfahrt für alle Betroffenen, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen ebenso wie für uns Zahnärztinnen und Zahnärzte, verursacht hat und welch große Hürde damit in der Versorgung dieser hilfsbedürftigen Menschen beseitigt werden wird. Diese Hürde wird es in Zukunft nicht mehr geben, wenn das PpSG in diesen Tagen vom Bundestag beschlossen wird.

Unser Vorschlag, der auf die aufsuchende Versorgung in unserem Versorgungsbereich abstellte, ist offenbar als so zielführend und erforderlich angesehen worden, dass er nun sogar für den gesamten ambulanten Bereich umgesetzt werden soll. Darüber freue ich mich und bin ausgesprochen dankbar, weil damit die Teilhabe der pflegebedürftigen Menschen wesentlich erleichtert wird.

TSVG: Degression, Festzuschüsse, KFO, Gutachterverfahren

Auch im TSVG finden sich für unsere Patientinnen und Patienten zahlreiche Versorgungsverbesserungen, die wir in unzähligen Terminen und politischen Gesprächen anstoßen und von denen wir unsere Gesprächspartner überzeugen konnten:

- Dass wir ziemlich genau 25 Jahre nach ihrer gesetzlichen Verankerung die Abschaffung der Degression ohne Wenn und Aber erreichen können, wird dabei helfen, ein unseliges Hemmnis für die Niederlassung auf dem Land endlich zu beseitigen. Dafür haben wir lang und zäh gekämpft. Jedoch wissen wir alle, dass der GKV-SV alles daransetzt, im laufenden Gesetzgebungsverfahren das Rad wieder zurückzudrehen.

- Die Erhöhung der Festzuschüsse wird die Menschen finanziell entlasten.

- Die Schaffung einer Mehrkostenregelung im kieferorthopädischen Bereich wird die Patientenautonomie stärken und die Transparenz in der kieferorthopädischen Versorgung deutlich verbessern. Versicherte behalten zukünftig ihren GKV-Leistungsanspruch, auch wenn Sie z.B. aus Gründen der Ästhetik oder des höheren Tragekomforts bestimmte, vom GKV-Leistungskatalog nicht abgedeckte Mehrleistungen in Anspruch nehmen werden. Mit besonderem Blick auf unsere kieferorthopädischen Kolleginnen und Kollegen sei gesagt, dass wir an der vorgesehenen gesetzlichen Regelung noch mit dem Ziel arbeiten, diese stärker an der KFO-Vereinbarung zwischen KZBV, BDK und DGZMK aus dem Jahr 2016 auszurichten.

- Zur Stärkung des bundesmantelvertraglichen Gutachterverfahrens haben wir uns im Gesetzgebungsverfahren zum TSVG für die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für das bundesmantelvertraglich vereinbarte Gutachterverfahren eingesetzt, um dieses patientenfreundliche und erfolgreiche Modell auch in Zukunft zu erhalten und so die fragwürdige Rechtsprechung der jüngsten Vergangenheit zu korrigieren.

Digitalisierung: "Der Selbstverwaltung muss es möglich sein, Standards und Formate sowohl für die vertragszahnärztliche als auch für die sektorenübergreifende Versorgung verpflichtend vorzugeben"

Neben unserer Gemeinwohlverpflichtung in der Sicherstellung der Versorgung stellen wir die Weichen, um den Berufsstand für die Aufgaben der Zukunft zu wappnen. Eines der großen Zukunftsthemen wird die Digitalisierung sein. Dazu haben wir im vergangenen Jahr hier in Frankfurt unser „Zehn-Punkte-Programm“ zur Digitalisierung des Gesundheitswesens verabschiedet. Gemeinsam haben wir verabredet: „Wir wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen!“

Georg Pochhammer arbeitet unermüdlich daran, die Rahmenbedingungen für die Implementierung der Infrastruktur so mitzugestalten, dass unsere Kolleginnen und Kollegen diese Strukturen mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand nutzen und Sanktionen seitens des Gesetzgebers vermieden werden können. Auch gilt es, sichere Kommunikationsstrukturen innerhalb der Heilberufe zu schaffen und grundlegende Rechte und Zuständigkeiten für den Berufsstand durchzusetzen, wenn es z.B. darum geht zu definieren, wer demnächst Content und Formate zukünftiger Datenbereitstellungen für eGAs und ePAs festlegen wird.

Der Selbstverwaltung muss es möglich sein, Standards und Formate sowohl für die vertrags(zahn)ärztliche als auch für die sektorenübergreifende Versorgung verpflichtend vorzugeben. Dazu gehört für uns, dass die Richtlinienkompetenz für die Aufbereitung zahnmedizinischer Inhalte und Formate für die elektronischen Patientenakten bei der KZBV liegt. [...]

Ein aktuelles Beispiel für Anwendungsbereiche der Digitalisierung in unserem Bereich möchte ich [...] geben: Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum PpSG haben wir deutlich gemacht, dass Videosprechstunden bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten in Pflegeheimen oder in der häuslichen Pflege einen Mehrwert darstellen können. Diese Möglichkeit dürfen wir nicht außer Acht lassen, wenn wir die aufsuchende Betreuung von immer mehr pflegebedürftigen Menschen in Deutschland als Berufsstand meistern wollen. Insofern bin ich froh, dass auf unsere Initiative hin nun zukünftig Videosprechstundenleistungen im BEMA vorgesehen werden können.

"Wir leben unser Motto: Gestalten statt Verwalten!"

Auf unserer Klausurtagung zur Digitalisierung haben wir Voraussetzungen definiert, die erfüllt sein müssen, damit die Digitalisierung im zahnärztlichen Bereich Nutzen stiften kann. Danach müssen digitale Anwendungen:

1. uns Zahnärztinnen und Zahnärzten eine Fokussierung auf unsere Kernkompetenz, die Versorgung unserer Patienten, ermöglichen,

2. uns helfen, Bürokratielasten zu bewältigen und Versorgung gezielt zu verbessern,

3. und schlussendlich müssen sie auch sichere Kommunikationswege gewährleisten.

Auf dieser Basis haben wir uns auch stark gemacht für eine Rechtsgrundlage für das elektronische Antrags- und Genehmigungsverfahren, wie sie nun auch im Gesetzentwurf zum TSVG enthalten ist. Damit machen wir auf dem Weg zur papierlosen Praxis einen guten Schritt nach vorne und werden erhebliche Bürokratielasten abbauen. Selbstverständlich legen wir auf die datenschutzrechtliche Absicherung bei der Übermittlung und Verarbeitung der Antragsdaten allergrößten Wert. Dass wir hier in so kurzer Zeit so gut vorangekommen sind, verdanken wir dem unermüdlichen Einsatz von Martin Hedges [...].

Liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Conclusio können wir aus dieser Rückschau ziehen?

Sie zeigt in meinen Augen klar und eindeutig, dass wir auf dem richtigen Weg sind und unsere Aufgaben zuverlässig erfüllen. Wir leben unser Motto: Gestalten statt Verwalten! Und ich versichere Ihnen: Wir werden diesen Weg unbeirrt weitergehen, obwohl die Handlungs- und Gestaltungsspielräume zunehmend enger werden.

"Als erhebliche Bedrohung für die Sicherstellung der Versorgung sehen wir, dass versorgungsfremde Groß- und Finanzinvestoren massiv in den deutschen zahnärztlichen Markt drängen"

[...] Wenn wir auf dem richtigen Weg sind, wenn wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, warum müssen wir uns dann Sorgen um die Sicherstellung einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitätsgesicherten Versorgung machen? Und warum müssen wir uns weiter Sorgen darum machen, dass unsere Freiberuflichkeit zunehmend in Gefahr gerät?

Als erhebliche Bedrohung für die Sicherstellung der Versorgung sehen wir, dass versorgungsfremde Groß- und Finanzinvestoren massiv in den deutschen zahnärztlichen Markt drängen. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurden die reinen Zahnarzt-MVZ und damit die Kettenbildung, die es vorher nicht gab, ermöglicht. Diese Ketten haben den zahnmedizinischen Sektor für Groß- und Finanzinvestoren, wie international agierende Private Equity Fonds, interessant gemacht.

Bereits auf unserer damaligen VV habe ich davor gewarnt, dass die Dynamik der Kettenbildung im Bereich der arztgruppengleichen Zahnarzt-MVZ ein Alarmsignal für die schleichende Kommerzialisierung unserer Versorgung ist. Bei den Ärzten sind schon ganze Leistungsbereiche in der Hand von Kapitalgesellschaften und Konzernen. Da war es ja nur eine Frage der Zeit bis auch unser zahnärztlicher Bereich als zukünftiges Eldorado in den Hochglanzprospekten der Fondsgesellschaften angepriesen wird.

Weltweit agierende Beratungsgesellschaften, wie McKinsey und die Boston Consulting Group, empfehlen den zahnmedizinischen Gesundheitsmarkt als renditeträchtige Kapitalanlage. Mit vermeintlichen zweistelligen Renditen bei extrem geringem Risiko, die die Finanzexperten prophezeien, soll das Investment belohnt werden. Angesichts des Niedrigzinsumfelds löst das bei Investoren auf der ganzen Welt einen regelrechten Run aus. Das führt dazu, dass bekanntermaßen inzwischen auch Scheichs und Kaffeeröster ihre Millionen in MVZs am Tegernsee anlegen.

Rechtlich ist der Zugang in die zahnärztliche Versorgung für die Investoren in der Regel über den Erwerb oder die Gründung eines MVZ-Trägers eröffnet. Unsere Recherchen und Marktanalysen haben gezeigt, dass der Weg verschachtelt und nicht auf den ersten Blick zu durchschauen ist: In unserem Sektor übernehmen die Finanzinvestoren Krankenhäuser, die berechtigt sind, MVZ zu gründen und nutzen diese für den Aufbau ihrer Dentalketten.

"Ein Hedgefonds aus Bahrain oder ein Kaffeeröster haben trotz aller gegenteiligen Bekundungen keine nachhaltigen Versorgungsziele"

Ziel der Finanzinvestoren ist es, eine möglichst hohe Marktdurchdringung in möglichst kurzer Zeit zu erreichen, um danach das aufgebaute Netzwerk bzw. die Kette auf Renditeoptimierung zu trimmen. Im Rahmen dieser „buy and build Strategie“ wird das Investment regelmäßig nach einer gewissen Haltezeit mit möglichst hoher Gewinnmarge weiterverkauft. Zu diesem Businessplan gehört, dass sich die Investoren auf möglichst gewinnbringende Leistungsbereiche, wie beispielsweise die Implantologie, konzentrieren.

In diesem Haifischbecken schwimmen Investoren aus Schweden, Bahrain, Jersey und den USA, um nur einige Herkunftsländer der Spekulanten mit weltweitem Operationsmodus, zu nennen. Meine Damen und Herren, in aller Deutlichkeit: ein Hedgefonds aus Bahrain oder auch ein Kaffeeröster haben trotz aller gegenteiligen Bekundungen keine nachhaltigen Versorgungsziele!

Was alleine zählt, ist der Return of Investment und die Realisierung einer möglichst hohen Rendite!

Unsere Daten zeigen, dass sich investorenbetriebene MVZ:

- ganz überwiegend im städtischen Raum ansiedeln,

- fast ausschließlich in Regionen mit einem hohen Medianeinkommen ansiedeln,

- ganz überwiegend in optimal und überversorgten Gebieten ansiedeln!

So verursachen diese, von versorgungsfremden Investoren betriebenen MVZ Konzentrationsprozesse in Großstädten, Ballungsgebieten und einkommensstarken Gebieten und verschärfen die Problematik der Praxisnachfolge im ländlichen Raum. In Kombination mit dem demografischen Wandel des Berufsstandes entstehen somit Engpässe in ländlichen und strukturschwachen Gebieten. Gleichzeitig verstärken und bewirken sie Über- und Fehlversorgung in solchen Lebensräumen, in denen ohnehin ausreichend Zahnärzte in der Versorgung tätig sind.

Die seinerzeit von der Politik propagierte Vision, mit arztgruppengleichen MVZ würde die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Gebieten verbessert, ist jedenfalls krachend gescheitert. Nun werden uns in unseren Diskussionen mit den zuständigen Politikern im Wesentlichen immer zwei Argumente entgegengehalten: Zum einen würden diese Strukturen dem Wunsch der jungen Generation entsprechen, ihren Beruf in größeren Gemeinschaften ausüben zu können und dies auch langfristig als Angestellte ohne das Risiko einer Niederlassung tun zu können.

"Um den Wünschen der jungen Generation Rechnung zu tragen, braucht es keine von versorgungsfremden Kapitalgebern betriebenen Großversorgungsstrukturen"

Liebe Kolleginnen und Kollegen, richtig ist, dass seit der Schaffung neuer Möglichkeiten der zahnärztlichen Berufsausübung durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz im Jahr 2007 die Zahl der bei uns Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzten angestellten Zahnärzte kontinuierlich gestiegen ist. Mitte 2017 lag die Zahl der angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte bei 11.028.

Diese Zahl und die Gründe für ihren Anstieg sind differenziert zu betrachten. Hier liefert uns die IDZ-Studie „Generation Y – Berufsbild angehender und junger Zahnärzte“ wichtige Daten und Hintergründe. Eine Kernaussage der Studie ist: Die Niederlassung ist nach wie vor die beliebteste Tätigkeitsform! Jedoch planen die wenigsten jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte diese direkt im Anschluss an ihre Assistenzzeit, sondern eher mittelfristig. Viele der junge Leute wollen nach ihrem Studium erst einmal weitere berufliche Erfahrungen sammeln oder sich um die Familie kümmern.

Um eines aber ganz deutlich zu machen: Um diesen Wünschen der jungen Generation Rechnung zu tragen, braucht es keine von versorgungsfremden Kapitalgebern betriebenen Großversorgungsstrukturen. Diesen Wünschen können wir auch in unseren bewährten Praxisformen entsprechen, wenn wir die uns im Rahmen der Selbstverwaltung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aktiv nutzen, um die Rahmenbedingungen für unsere jungen Kolleginnen und Kollegen zu verbessern. Welche Instrumente wir hierfür nachschärfen müssen, darauf komme ich später noch einmal zurück.

An dieser Stelle ist es mir wichtig, besonders zu betonen, wie wichtig die nachwachsende Generation von Zahnärztinnen und Zahnärzten nicht nur für die zukünftige zahnmedizinische Versorgung der Menschen in unserem Land ist. Deren Bereitschaft sich zu engagieren ist in ganz besonderem Maße die Voraussetzung dafür, dass Selbstverwaltung auch in Zukunft ihren Platz in unserer Gesellschaft haben kann.

Nur wenn auch in Zukunft junge Menschen bereit sind, in unseren Gremien mitzuarbeiten, Verantwortung für den Berufsstand zu übernehmen, wird Selbstverwaltung ihren Zweck in unserer Gesellschaft erfüllen können. Aber hier reicht es nicht aus, einfach nur Appelle an die junge Generation zu richten. Wir sind verantwortlich und müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, indem wir passende Rahmenbedingungen bereitstellen, die den jungen Menschen ein solches Engagement überhaupt erst ermöglichen. Gerade im Hinblick darauf, dass unser Beruf schon fast zur Hälfte von Frauen ausgeübt wird, bedarf es besonderer Anstrengungen, diesen auch eine qualifizierte Teilnahme an unserer Selbstverwaltung zu ermöglichen. Die KZBV und die KZVen sind hier vielfältig aktiv, aber ich möchte uns und Sie alle motivieren, gerade vor der Tatsache des demografischen Wandels in unserem Berufsstand dieser Aufgabe ein besonderes Augenmerk zu widmen.

"Nach wie vor gehen fast 95 Prozent der Absolventen in die vertragszahnärztliche Versorgung"

So viel zum ersten Argument der Politik. Jetzt komme ich wieder zurück zu den Finanzinvestoren: Das zweite Argument der Politik heißt, dass Groß- und Finanzinvestoren im Gesundheitswesen, beispielsweise im Krankenhausbereich und in der Pflege, von essentieller Bedeutung wären, da ansonsten die Versorgung gar nicht mehr sichergestellt werden könnte. Dieses Argument wird von einzelnen Politikern auch für bestimmte Fachbereiche in der ambulant ärztlichen Versorgung, wie z.B. in der Strahlentherapie und der Radiologie, angeführt.

Da ich weder für den Krankenhausbereich noch in der Pflege oder im ärztlichen Bereich über entsprechende Expertise verfüge, will ich mich zu der Frage einer zwingenden Notwendigkeit von solchen Investments gar nicht äußern, obwohl ich es schon für ausgesprochen diskussionswürdig halte, wieso mit den Versichertenbeiträgen der Beitragszahler in Deutschland die Renditeerwartungen ausländischer Kapitalgesellschaften bedient werden müssen.

Allerdings ist mir bis heute noch keine Kollegin oder kein Kollege begegnet, der sich niederlassen wollte und die notwendige Finanzierungen nicht über seine Bank bewerkstelligen konnte. Auch ist es keineswegs so, dass im Bereich der niedergelassenen Zahnärzte ausgesprochen viele Geschäftsinsolvenzen zu beobachten wären. Eher ist hiervon so gut wie gar keine Rede. Und im Übrigen gibt es ausreichend viele Zahnärztinnen und Zahnärzte, um die flächendeckende Versorgung nicht nur heute, sondern auch in Zukunft zu gewährleisten.

Nach wie vor entscheiden sich nicht nur ausreichend viele junge Menschen für das Studium der Zahnheilkunde und beenden dieses erfolgreich, sondern gehen danach auch zu fast 95 Prozent in die vertragszahnärztliche Versorgung. Langfristig kommen nur 0,4 Prozent aller approbierten Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht in der zahnärztlichen Versorgung an.

Das unterscheidet unseren Sektor entscheidend vom ärztlichen Bereich, wo ja bekanntermaßen etwas weniger als die Hälfte der Hochschulabsolventen eben nicht die Versorgung, sondern andere Wirtschaftszweige als berufliches Betätigungsfeld wählen oder ins Ausland gehen. Ein wichtiger Grund, weshalb wir auf Planungsbereichsebene heute noch in keinem Bereich eine Unterversorgung verzeichnen müssen. Im Planungsbereich Sonneberg in Thüringen gibt die letzte verbliebene Kieferorthopädin aus Altersgründen ihre Tätigkeit auf, sodass wir ab Januar im Bereich Kieferorthopädie nur in einem einzigen Planungsbereich Unterversorgung haben werden. Also wozu in Herrgottsnamen brauchen wir Kapitalgesellschaften und Private Equity Fonds in der zahnmedizinischen Versorgung?

Warum wird ein Versorgungssystem, das seit über sechzig Jahren zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten, der Patientinnen und Patienten, der Kostenträger, der Politik und auch der Zahnärztinnen und Zahnärzte, funktioniert, auf einmal ins Risiko gestellt? Ist es nicht geradezu vorprogrammiert, dass es unter den prospektierten, angeblichen Renditeerwartungen und vor dem Hintergrund, dass durch versorgungsfremde Investoren betriebene MVZ sich weit überwiegend in überversorgten Bereichen ansiedeln, zu einer erheblichen Über- und Fehlversorgung kommen wird?

Warum bitte siedeln sich diese Strukturen nahezu ausschließlich in Ballungsgebieten, wie München und Frankfurt, und einkommensstarken ländlichen Gebieten, wie am Tegernsee, an und nicht beispielsweise im Saarland oder im Hinterland von Mecklenburg-Vorpommern? Warum werden die Berichte von Zahnärztinnen und Zahnärzten nicht ernstgenommen, die in solchen Strukturen tätig sind oder waren und die von den dort herrschenden Einschränkungen bei der Therapieentscheidung und dem erheblichen kommerziellen Druck sprechen? Was soll in diesen Zahnarztfabriken denn besser gemacht werden, als in bewährten inhabergeführten freiberuflichen Praxen?

Verehrte Damen und Herren, diese Liste von Fragen könnte ich noch beliebig fortsetzen, aber die Antworten werden immer dieselben sein: Bei Kapitalgesellschaften und Private Equity Fonds steht, anders als bei freiberuflichen Zahnärztinnen und Zahnärzten, die Rendite und nicht das Gemeinwohl, die bedarfsorientierte Versorgung, im Fokus.

Der Gesundheitsmarkt ein Markt wie jeder andere? "Dem widerspreche ich auf das Entschiedenste."

Ich kann auch nicht nachvollziehen, wenn mir in Diskussionen immer vorgehalten wird, dass man ausländische Kapitalgesellschaften nicht aufhalten könne oder wolle, weil der Gesundheitsmarkt nun eben auch ein Markt wie jeder andere wäre. Dem widerspreche ich auf das Entschiedenste. Die Gesundheit der Menschen in unserer Gesellschaft ist ein besonders schützenswertes Gut und der Gesundheitsbereich ein besonders schützenswerter Bereich.

Der Gesetzgeber hat schon 2012 mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz erkannt, dass der deregulierte Zutritt von Kapitalgesellschaften in den Gesundheitsmarkt beschränkt werden muss. Das hat er in der Folge auch im Referentenentwurf zum TSVG mit der Einschränkung der Gründungsberechtigung nichtärztlicher Dialyseanbieter getan und auch der Minister hat seine Bedenken für den Bereich der Pflege im Hinblick auf renditegetragene Investments öffentlich zum Ausdruck gebracht.

Wir verlangen, dass den Besonderheiten in der zahnmedizinischen Versorgung endlich Rechnung getragen wird, und dass keine Regelungen, die möglicherweise für den Krankenhausbereich und die Pflege sinnvoll erscheinen mögen, mit womöglich katastrophalen Folgen auf den zahnärztlichen Sektor übertragen werden. Unser Lösungsvorschlag, den wir auch in der Stellungnahme zum Referentenentwurf des TSVG bereits unterbreitet und inzwischen im ganzen Land bekannt gemacht haben lautet daher: Die Gründungsberechtigungen von Krankenhäusern für MVZ werden auf räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge beschränkt.

Lösungsvorschlag: "Die Gründungsberechtigungen von Krankenhäusern für MVZ werden auf räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge beschränkt"

Dieser Lösungsvorschlag, der auf belastbaren Daten und Marktanalysen fußt, würde zu einer deutlichen Reduzierung der Probleme in unserem zahnärztlichen Versorgungsbereich führen, ohne Möglichkeiten für Ärzte und Krankenhäuser grundlegend einzuschränken. In der Frage, ob versorgungsfremde Kapitalinvestoren ungehinderten Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland haben sollen, erwarte ich ein klares Bekenntnis der Politik zu uns freiberuflich tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzten.

Die Politik muss in den kommenden Wochen und Monaten unmissverständlich unter Beweis stellen, welchen Weg sie einschlagen will: Wird sie die gemeinwohlorientierte zahnmedizinische Versorgung mit freier Zahnarztwahl für unsere Patientinnen und Patienten schützen? Wird sie die Therapiefreiheit und die freiberufliche und unabhängige Berufsausübung des zahnärztlichen Berufsstandes bewahren und fördern? Oder wird sie den versorgungsfremden Finanzinvestoren auch weiterhin den ungehinderten Zutritt in den zahnärztlichen Sektor ermöglichen?

Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch! Das Gesundheitsministerium und die Bundesregierung haben unseren Vorschlag zur Verhinderung der fortschreitenden Industrialisierung und der Eindämmung der Konzentration der Versorgung in Ballungsräumen bislang nicht aufgegriffen. Als nächstes wird der Bundesrat unter Beweis stellen müssen, wie er sich positioniert. Dann geht es darum, einen Änderungsantrag zum TSVG durch die Regierungsfraktionen zu erreichen.

Ich bin nach wie vor zuversichtlich, dass es uns mit vereinten Kräften gelingen wird, die Verantwortlichen von der Notwendigkeit unserer Regelungsvorschläge zu überzeugen. Aber die Herausforderungen sind enorm. Denn es steht bereits ein Heer von Anwälten bereit, das in Reaktion auf unsere politischen Aktivitäten in diesen Tagen den Bundestag, die Länder und das BMG im Auftrag der Finanzinvestoren mit Anrufen und Terminanfragen bombardiert – mit dem Ziel unsere Positionen und Forderungen zu konterkarieren. Es wird darauf ankommen, diesen Akteuren nicht das Feld zu überlassen. [...]

Ich möchte noch einmal klarstellen, dass meine Bedenken gegenüber reinen Z-MVZ im Wesentlichen darauf gründen, dass diese regelmäßig in Form einer juristischen Personengesellschaft geführt werden. Dies hat unter anderem erhebliche Konsequenzen im Bereich der Haftung, aber auch im Hinblick auf die fehlende Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung. Anders als im MVZ haften wir freiberuflichen Zahnärztinnen und Zahnärzte für die von uns und unseren angestellten zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen erbrachten Leistungen vollumfänglich und persönlich. Das MVZ unterliegt in Form einer juristischen Personengesellschaft nicht der berufsrechtlichen Kontrolle der Zahnärztekammern. Und MVZ können anders als freiberuflich geführte Einzel- und Mehrbehandlerpraxen beliebig viele angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte beschäftigen. [...]

"Ich erwarte, dass sich die Bundesregierung auf die Stärken unseres Systems besinnt und unser Miteinander von gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Kooperation geprägt ist"

Unsere Vorschläge zur Gestaltung der Rahmenbedingungen, die es braucht, um auch in 5, 10 und 15 Jahren die vertragszahnärztliche Versorgung und den Sicherstellungsauftrag weiterhin auf hohem Niveau gewährleisten zu können, liegen auf dem Tisch. Zu diesem Konzept gehört auch, dass wir im Rahmen des Gesetzentwurfs des TSVG den Vorschlag machen, dass die KZVen die Option erhalten sollten, im Falle einer Unterversorgung, einer drohenden Unterversorgung oder eines lokalen Versorgungsbedarfs von Instrumenten, wie dem Strukturfonds oder Eigeneinrichtungen oder auch Sicherstellungszuschlägen, Gebrauch machen zu können. Anders als im ärztlichen Bereich wollen wir dabei keine pflichtweise Anwendung dieser Instrumente, sondern geben ihre Anwendung in die Verantwortung der KZVen.

Daher bitte ich Sie, sich der Anwendung solcher Instrumente im vertragszahnärztlichen Bereich nicht voreilig zu verschließen. Denn gerade in den Eigeneinrichtungen sehen wir das große Potential, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Durch die Übernahme von ansonsten ausscheidenden Bestandspraxen oder die Gründung neuer Praxen durch KZVen in Gegenden, in denen ein konkreter Versorgungsbedarf besteht, könnte nicht nur die flächendeckende wohnortnahe Versorgung sichergestellt, sondern auch dem Wunsch junger Zahnärztinnen und Zahnärzte nach einer vorläufigen Tätigkeit im Anstellungsverhältnis nachgekommen werden, die nicht mit den sonst üblichen Investitionsrisiken einhergeht und darüber hinaus eine Option auf eine spätere Übernahme der Eigeneinrichtung und somit auf die perspektivisch angestrebte Selbstständigkeit beinhaltet.

Wenn wir junge Zahnärztinnen und Zahnärzte dadurch wieder motivieren können, sich auf dem Land niederzulassen, dass wir sie seitens der Selbstverwaltung bei der Existenzgründung unterstützen und bei der Praxisführung ein Stück weit an die Hand nehmen, dann ist das eine Option, die man meines Erachtens nicht leichtfertig abtun sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich greife meine bereits gestellte Frage noch einmal auf: Wer ist auf dem richtigen Weg und wer auf dem falschen? Was können wir tun, um die Selbstverwaltung und die Freiberuflichkeit zu alter Stärke zurückzuführen? Die Antwort kann doch nur sein: Wir werden unseren Gestaltungsanspruch für eine flächendeckende, wohnortnahe und qualitätsgesicherte Patientenversorgung weiter aufrechterhalten. Und das unbeirrt und auch dann – und erst recht dann –, wenn uns die Politik weiter Knüppel zwischen die Beine wirft.

Ich erwarte, dass sich die Bundesregierung auf die Stärken unseres Systems besinnt und unser Miteinander von gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Kooperation geprägt ist. Wir werden uns bis zum Äußersten dafür einsetzen, die Politik mit unseren Argumenten zu überzeugen. Dazu gehört, dass wir unseren MVZ-Regelungsvorschlag weiter vehement nach vorne tragen. [...]

Ich möchte, dass wir alles dafür tun, dass jede Zahnärztin und jeder Zahnarzt in diesem Land den Ernst der Lage begreift und die Chance wahrnimmt, sich für seine Zukunft und die Zukunft unseres Berufsstandes und des Gesundheitswesens einzusetzen. Das Gesetzgebungsverfahren zum TSVG wird sich voraussichtlich noch bis März nächsten Jahres hinziehen, voraussichtlich im Januar wird die Anhörung stattfinden. Die Herausforderung wird sein, unser Anliegen im Bewusstsein der verantwortlichen Politiker und in der Öffentlichkeit präsent zu halten.

Und über die Einheit unseres Berufsstandes hinaus benötigen wir auch eine Einheit der Heilberufe, um die Angriffe auf die Selbstverwaltung und die Freiberuflichkeit mit der Aussicht auf Erfolg abzuwehren. Deshalb sind wir im engen und kontinuierlichen Austausch mit der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und streben auch hier den Schulterschluss an. Die KBV hat sich beim Thema MVZ in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des TSVG bereits an unsere Seite gestellt. Wir nutzen weiter jede Gelegenheit, für unsere Positionen und Forderungen zu werben, so erst Ende Oktober bei einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht. Auch werden wir weiterhin die Öffentlichkeit suchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend ein paar Worte zum Thema Vorstandsdienstverträge verlieren. Die Regelungen zu den Vorstandsvergütungen, die der Kabinettsentwurf des TSVG vorsieht, greifen einen zentralen Baustein der körperschaftlichen Selbstverwaltung an, nämlich die Höhe der Vorstandvergütungen selbst festzulegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte dazu klarstellen: Es geht hier nicht nur um die konkreten Regelungen in den jeweiligen Vorstandsdienstverträgen. Es geht vielmehr um die Autonomie der VV, diese Regelungen selbst zu treffen. Die vorgesehenen Regelungen zu den Vorstandsdienstverträgen stellen einen weiteren schwerwiegenden, anlasslosen und durch nichts zu rechtfertigenden Eingriff in die zahnärztliche Selbstverwaltungsautonomie dar. Wird doch damit unterstellt, dass die Selbstverwaltungsgremien nicht in der Lage gewesen seien, dem Gebot der wirtschaftlichen Mittelverwendung entsprechend Verträge mit ihren Vorständen zu vereinbaren, weshalb jetzt die Selbstverwaltung entmachtet werden müsse.

Ergänzend sei angefügt, dass die Regelungen in Bezug auf die bestehenden und vom BMG genehmigten Verträge auch gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen – insbesondere gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes. Darüber hinaus verletzen sie verfassungsrechtlich die grundrechtlich geschützte Berufs- und Eigentumsfreiheit. Aber spielen wir die Regelungen des TSVG und ihre Konsequenzen für die Selbstverwaltung doch einmal beispielhaft durch: Die Absenkungsbefugnis der Aufsicht für die Vergütung einer neuen Amtsinhaberin oder eines neuen Amtsinhabers sowie die fehlende Möglichkeit, besondere Qualifikationen vergütungstechnisch anzuerkennen, diskreditiert einen neuen Vorstand noch vor Amtsantritt.

"Schlimmer kann es nicht mehr werden, die Talsohle ist erreicht! Mit den Regelungen im TSVG zu den Vorstandsdienstverträgen öffnet die Politik ein neues Kapitel"

Es ist vorprogrammiert, dass die Gehälter, die für einen neuen Vorstandsvertrag zugrunde gelegt werden, mangels vergleichbarer Erfahrung im Amt mit dem Amtsvorgänger deutlich abgesenkt werden. In der Folge greift die 10-jährige Gehaltsdeckelung, und selbst danach kann eine Erhöhung nur noch alle sechs Jahre zum Amtsperiodenwechsel und dann lediglich in Höhe der Teuerungsrate erfolgen. Das heißt dann im Ergebnis, eine risikoäquivalente Vergütung wird in Zukunft nicht mehr genehmigt werden. Die momentanen Vergütungen werden faktisch über 10 Jahre ohne Anpassung um geschätzte 25 Prozent und mehr abgesenkt und zukünftige Vergütungsverträge werden nur noch auf abgesenkter Basis ohne Entwicklungsmöglichkeiten genehmigt.

In Konsequenz dieser Maßnahmen werden wir der finanziellen Freiräume für die Gewinnung von geeigneten und qualifizierten Vorständen endgültig beraubt! Dass eine solche Regelung nicht nur perfide und zynisch ist, muss nicht extra betont werden. Dass mit einer solchen Regelungen neidbasierte Vorurteile in der Öffentlichkeit bedient werden sollen, gegen die man sich kaum zur Wehr setzen kann, ist auch klar.

Wenn es zuletzt schon kaum noch möglich war, entsprechend qualifizierte Kolleginnen und Kollegen aus der aktiv betriebenen Praxis für ein solches Amt zu gewinnen, dann wird dies in Zukunft schlichtweg nicht mehr möglich sein. Das führt dazu, dass hier am Ende nur noch Leute sitzen, die Dienst nach Vorschrift machen anstatt versorgungsrelevante Entscheidungen mit Fachkompetenz zu treffen! Dann steht nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiel als die Stärke unseres deutschen Gesundheitswesens, auf das wir heute zu Recht stolz sind. Die Regelungen sind umso unverständlicher, als dass das BMG mit dem Genehmigungsvorbehalt die Vorstandsdienstverträge und insbesondere die Vergütungsregelungen doch längst einer peniblen aufsichtsrechtlichen Kontrolle und, wie der Name schon sagt, einer Genehmigung unterstellt hat. Deshalb ist es schlicht und einfach falsch, wenn das BMG in seiner Begründung zum TSVG schreibt, dass sich die Vergütungen kontinuierlich gesteigert hätten, ohne dass dies aufsichtsbehördlich wirksam hätte verhindert werden können.

Ich möchte noch einmal folgendes ausdrücklich betonen: Jeder aktuelle Vorstandsdienstvertrag ist vom BMG einer detaillierten Prüfung und umfangreichen Änderungen unterzogen worden. Am Ende dieser Prozedur erfolgte die Genehmigung der Verträge. Womit auch festgestellt worden ist, dass die Vorgaben zur wirtschaftlichen Mittelverwendung durch die Körperschaft in vollem Umfang erfüllt worden sind.

Damit dürfte die Widersinnigkeit des Vorhabens doch mehr als deutlich werden! Ich mache es kurz: Sollten diese Regelungen mit dem TSVG in Kraft treten, werden diese die Blaupause für die Landesaufsichtsbehörden sein, mit der Folge, dass sie 1 zu 1 auf die Vorstandsdienstverträge der Landeskörperschaften übertragen werden. Deshalb wird die KZBV den Rechtsweg bis in die letzte Instanz beschreiten, um eine höchstrichterliche Feststellung darüber zu erhalten, ob derartig schwerwiegende Eingriffe in die Selbstverwaltungsautonomie zulässig und rechtmäßig sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle kennen mich und meine beiden Kollegen als überzeugte und engagierte Verantwortungsträger in der zahnärztlichen Selbstverwaltung. In den inzwischen doch schon vielen Jahren unserer jeweiligen Vorstandstätigkeit haben wir schon manches Mal gedacht: Schlimmer kann es nicht mehr werden, die Talsohle ist erreicht! Mit den Regelungen im TSVG zu den Vorstandsdienstverträgen öffnet die Politik ein neues Kapitel.

Eigentlich sollten wir alle gemeinsam die Brocken hinschmeißen. Aber wie aus meinen Ausführungen vielleicht schon deutlich geworden ist: Resignation wäre das falsche Signal. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es gerade jetzt wichtig, richtig und notwendig ist, dass wir alle in der Selbstverwaltung nicht aufgeben, dass wir uns nicht willkürlichen Maßnahmen beugen, sondern dass wir alle dem entschlossen entgegentreten.

Wir werden deshalb nicht kapitulieren, sondern uns mit unserer ganzen Kraft und all unserer Expertise argumentativ und, wenn nötig, auch konfliktiv in die politische Ausgestaltung der Zukunftsfragen unseres Gesundheitswesens für unsere Patientinnen und Patienten und für unsere Zahnärztinnen und Zahnärzte einsetzen und einbringen!

Dabei sind und werden wir auch weiterhin seriöser und zuverlässiger Partner all derjenigen sein, die wie wir das Wohl der Menschen in unserer Gesellschaft zum Ziel haben. Ich weiß Sie und Euch dabei immer an unserer Seite!"

Rede des KZBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer vor der Vertreterversammlung am 7. November 2018 in Frankfurt/Main

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