Leitartikel

Augenmaß bewahren

Wolfgang Eßer
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

bekommt die Selbstverwaltung jetzt neue Regeln? Vor Kurzem wurden Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium bekannt, dass Minister Hermann Gröhe die Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen stärker überwachen will. Es werde daran gearbeitet, die Rechtsaufsicht zu verschärfen, heißt es.

Nun, die Rechtsaufsicht des BMG über die Selbstverwaltung existiert ja bereits. Soll das also bedeuten, dass jetzt die Fachaufsicht eingeführt wirdl? Außer einer Absichtserklärung aus der Politik ist noch nicht so viel nach draußen gedrungen. Im Visier seien die Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen zum Haushalt und zum Vermögen der Selbstverwaltung.

Anlass waren die in jüngster Zeit bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei der KBV. Dazu gehörten Wertpapiergeschäfte, bei denen Spekulationen zu Verlusten von über einer Million Euro geführt hatten. Hinzu kamen Immobiliengeschäfte, die ins Zwielicht gerieten – mit den entsprechenden Vorwürfen, ob die KBV bei ihrem Handeln den Verpflichtungen und Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nachgekommen ist. Nicht zuletzt ging es auch um Gehaltszahlungen und um einen Verdacht der Untreue.

Jetzt lässt sich trefflich spekulieren: Inwieweit gehen die Pläne über den Rahmen hinaus, der dem Ministerium jetzt schon aufsichtsrechtlich möglich ist? Fachaufsicht würde zum Beispiel bedeuten, dass das Ministerium befugt wird, in der Selbstverwaltung auch über Zweckmäßigkeiten zu entscheiden. Das würde zum Beispiel auch fachliche Formulierungen und rechtlich völlig unbeanstandete vertragliche Regelungen betreffen.

Die Krux: Von einer solchen Regelung wären alle Gremien der Selbstverwaltung, also neben der KBV auch der GKV-Spitzenverband, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und die KZBV betroffen.

Nun hatte sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zwar klar zur Selbstverwaltung bekannt. Dennoch hält er mehr Aufsicht für nötig. Gesetzlich ist das BMG nämlich verpflichtet, die Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der KBV alle fünf Jahre zu kontrollieren. Dies ist laut Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage von Bündnis 90/Die Grünen nicht erfolgt. Vor Kurzem hakte der Grünen-Abgeordnete Harald Terpe in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung nochmals kritisch nach. Er wollte wissen, ob in Sachen KBV nicht vielmehr Versäumnisse beim BMG vorliegen könnten. Er wollte ferner erfahren, warum das BMG die regelmäßige Prüfung der KBV zwischen 1996 und 2010 nicht durchgeführt hat. Die Antwort wird in Kürze erwartet – und dürfte weitere Bewegung in die laufenden Diskussionen bringen.

Die Grünen fragen auch nach, wann das BMG bei der KZBV eine Prüfung durchgeführt hat. Fest steht: Die Arbeit der KZBV hat in den vergangenen 20 Jahren keinen Anlass zu aufsichtsrechtlichen Beratungen durch das BMG gegeben. In diesem Zeitraum haben drei Prüfungen bei der KZBV stattgefunden, zwei davon verliefen seitens des Ministeriums im Sande, die letzte wurde mit einem positiven Bericht abgeschlossen. Insgesamt wurde bei der KZBV eine transparente Datenlage vorgefunden.

Aus Sicht der KZBV kann es nicht sinnvoll sein, bei Problemfeldern in einer einzigen Körperschaft gleich die ganze Selbstverwaltung einem neuen Regelkanon zu unterziehen. Die bestehenden Möglichkeiten der Prüfung und Genehmigung von Angelegenheiten der Selbstverwaltung sind umfassend und völlig ausreichend. Wir raten dringend dazu, genügend Augenmaß zu bewahren, damit die Selbstverwaltung mit ihren ureigenen Aufgaben nicht ad absurdum geführt wird.

Das wäre ein weiterer Schritt hin zu einem immer mehr staatlich gelenkten Gesundheitswesen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang EßerVorstandsvorsitzender der KZBV

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