Die Entwicklung des Zahnarztberufs (10)

Etablierung der zahnärztlichen Fachpresse

Ein wesentlicher Indikator für den Professionalisierungsgrad eines Berufsstands ist die Ausprägung seiner Fachpresse. Gerade Umfang und Güte der Publizistik lassen deutliche Rückschlüsse auf die wissenschaftliche Entwicklung und den Stand der Spezialisierung zu. Vor diesem Hintergrund erscheint es lohnend, bei der Frage nach der Entwicklung des Zahnärztestands auch auf Anfänge und Ausdifferenzierung des zahnärztlichen Zeitschriftenwesens zurückzublicken.

Schon in der Gründungsnotiz des Central-Vereins der deutschen Zahnärzte (CVdZ) findet sich der Hinweis, dass man drei Maßnahmen durchführen wollte, um eine „Hebung des zahnärztlichen Standes“ herbeizuführen: die Organisation von Jahrestagungen, die Gründung von Lokalvereinen und die Herausgabe einer vereinseigenen Fachzeitschrift [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1875].

Der Vorsitzende des CVdZ, Moritz Heider, sah in der Etablierung einer Fachzeitschrift ein ebenso wichtiges wie aufwendiges Projekt: „[...] wir müssen uns ein großes, gemeinsames Organ schaffen, welches dem Einzelnen das Lesen der vielen Zeitschriften in fremden Sprachen erspart.

Die Gründung einer solchen Zeitschrift ist ein Gegenstand, der [...] die volle Aufopferung und den ganzen Patriotismus der Berufsgenossen in Anspruch nehmen wird“ [Hosch, 1990]. Tatsächlich gelang es dem CVdZ im Jahr 1861 mit der „Deutschen Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde“ ein offizielles Fachorgan zu etablieren. Zuvor waren 1860 übergangsweise sogenannte „Mittheilungen“ des Central-Vereins erschienen.

Alles begann 1846 – „Der Zahnarzt“ erscheint

Allerdings stellte die Vierteljahrsschrift nicht das erste Periodikum der deutschen Zahnärzte dar. Bereits 1846 wurde die Fachzeitschrift „Der Zahnarzt“ gegründet. Sie wurde seitdem monatlich herausgegeben und stand unter der Redaktion von Carl Wilhelm Schmedicke, der das Blatt in Eigenregie – sprich, ohne eine Fachgesellschaft im Hintergrund – herausgab. Das wissenschaftliche Niveau der Zeitschrift galt jedoch von Anfang an als niedrig [Nordheim, 1957]. Zudem war das Verhältnis von Schmedicke und Heider ausgesprochen angespannt. So lobte Heider die Vierteljahrsschrift in Anspielung auf den „Zahnarzt“ als Zeitschrift, die „wenigstens [...] keine Vergangenheit“ habe, „an welche sich eine den deutschen Namen kompromittierende Erinnerung knüpft“ [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1862].

Die Erwartungshaltung an das neue Organ war sehr hoch. Man sah in seiner Gründung einen Gegenstand, der „sehr ernste und eindringende Berathungen erfordert“ [Mittheilungen des Central-Vereines deutscher Zahnärzte, 1860]. Doch die Mühen schienen sich zu lohnen: Während „Der Zahnarzt“ bereits 1872 eingestellt wurde, gewann die Vierteljahrsschrift rasch an Bedeutung. Nach Heiders Tod 1866 wurde sie bis 1870 von dem Nürnberger Zahnarzt Adolf zur Nedden redigiert. Unter zur Neddens Schriftleitung nahm die Zeitschrift einen deutlichen Aufschwung. Zur Nedden nutzte seine Fremdsprachenkenntnisse, um den Zahnärzten  Übersetzungen fremdsprachiger Fachbeiträge zu bieten. Im Gegensatz zu Schmedicke bemühte er sich dabei jedoch stets um kritische Kommentierungen. 1871 übernahm der Österreicher Edmund Mühlreiter interimistisch die Redaktion. 1874 ernannte man Robert Baume zum Schriftleiter. Während Baumes Tätigkeit rückten berufspolitische Fragen stärker in den Vordergrund. Im Mittelpunkt stand vor allem die Auseinandersetzung mit den nichtapprobierten Zahnbehandlern.

Was die Auflagenzahlen anbelangt, so verzeichnete die Vierteljahrsschrift im Verlaufe der 1870er-Jahre einen deutlichen Aufwärtstrend: 1871 hatten 458 Zahnärzte ein Abo. Zu Beginn der 1880er-Jahre belief sich die Auflagenhöhe Nordheim zufolge auf 800 [Nordheim, 1957]. Dennoch: Nur wenige Zahnärzte reichten eigene Beiträge ein, so dass der „Pool“ der tatsächlichen Autoren klein blieb [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1873]. Im Ausland erfuhr die Vierteljahrsschrift dennoch zunehmend Anerkennung. Das Komitee für zahnärztliche Literatur in New York würdigte die wissenschaftliche Richtung und betonte, dass eine Fachzeitschrift, die ausschließlich von Zahnärzten herausgegeben werde und als Vereinsorgan erscheine, die Interessen der Berufsgruppe am besten vertrete und niveaulose Blätter am zuverlässigsten ausschalte [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1874].

1882 entschloss sich der CVdZ angesichts der wachsenden Bedeutung wissenschaftlicher und interessenpolitischer Fragen zur Herausgabe einer „Monatsschrift“. Demgemäß erschienen ab 1883 jährlich statt bisher vier fortan zwölf Ausgaben des Vereinsorgans. Da die Leser der Monatsschrift zudem eine stärkere Berücksichtigung von „Standesangelegenheiten“ wünschten, entschloss sich der Central-Verein, ab 1887 zusätzlich zur Monatsschrift ein „Beiblatt“ herauszubringen, das ausschließlich berufspolitische Fragen behandeln sollte. Nachdem 1891 mit dem „Vereinsbund Deutscher Zahnärzte“ (VbDZ) eine Organisation gegründet worden war, die sich ganz berufspolitischen Fragen widmen wollte, wurde das Beiblatt 1894 kurzerhand zum „Organ des Vereinsbundes“ erklärt. Es erschien nun getrennt von der Monatsschrift. Doch noch im gleichen Jahr wurde sein Erscheinen eingestellt, da sich der VbDZ letztlich zur Herausgabe einer eigenen Zeitschrift entschloss. Sie sollte eine neue Ära einleiten [Nordheim, 1957].

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Vereinsunabhängige Zeitschriften am Markt

Neben den genannten Fachorganen des CVdZ waren seit den 1870er-Jahren etliche weitere Fachblätter auf den Markt gekommen: So existierte seit Oktober 1871 das „Korrespondenz-Blatt für Zahnärzte“. Herausgegeben wurde es von der deutschen Niederlassung einer englischen Dental-Firma. Aus verkaufsstrategischen Gründen richtete sich das Organ sowohl an approbierte als auch an nichtapprobierte Zahnbehandler. Die Zahnärzte begegneten dem Unternehmen mit Skepsis, was vor allem darauf zurückzuführen war, dass sich das Blatt auch an die nichtapprobierte Konkurrenz richtete. In wissenschaftlicher Hinsicht blieb das Blatt, das bis 1944 erschien, erkennbar hinter den Ansprüchen der Vierteljahrs- beziehungsweise Monatsschrift zurück.

1877 wurde ein „Zahnärztlicher Almanach“ veröffentlicht. Herausgeber des Jahrbuchs, das bis 1908 Bestand hatte, war der Zahnarzt Adolf Petermann. Der Kalender listete auch alle praktizierenden Zahnärzte auf.

Die meisten vereinsunabhängigen Periodika konnten sich jedoch auf dem Markt nur kurzzeitig behaupten: Zwischen 1879 und 1881 gab der Potsdamer Zahnarzt Gustav Adolf Seiffert eine Zeitschrift heraus mit dem Titel „Der zahnärztliche Bote“. Der Umstand, dass keine Exemplare der Zeitschrift nachzuweisen sind, lässt auf eine sehr geringe Verbreitung schließen. Ebenso wenig Bedeutung erlangten die „Monatsschrift für Zahnpflege“ (sie erschien lediglich 1879) sowie das „Centralblatt für Zahnheilkunde“, das von 1883 bis 1884 monatlich unter der Redaktion von Dr. W. M. Goltstein erstellt wurde. Änhliches gilt für den wahrscheinlich 1885 herausgegebenen „Central-Anzeiger für Zahnheilkunde“, der von dem Berliner Paul Buss verlegt wurde und bis 1894 existierte.

1886 wurde zudem das „Journal für Zahnheilkunde“ gegründet. Jene Zeitschrift trat als „Organ der Deutschen Vereinigung in Amerika graduierter Doktoren der Zahnheilkunde“ auf. Das von Erich Richter redigierte Blatt diente vor allem den Interessen derjenigen Zahnbehandler, die ihre Doktortitel im Ausland erlangt (beziehungsweise teils käuflich erworben) hatten. Es war primär gegen die Angriffe des Central-Vereins gerichtet, der sich in dieser Zeit entschieden gegen den Erwerb und das Führen ausländischer Doktordiplome wandte. Zahllose Polemiken verliehen dem „Journal für Zahnheilkunde“ den Charakter eines „Revolverblattes“. Es war maßgeblich durch seinen Herausgeber geprägt. Als Richter 1913 erkrankte, stellte das Blatt sein Erscheinen ein.

Ebenfalls 1886 erschien erstmals die „Deutsche Zahnheilkunde in Vorträgen“ – eine Sammlung wissenschaftlicher Beiträge. Herausgegeben wurde das durchaus niveauvolle Blatt von den Professoren Julius Witzel und Otto Walkhoff. Als das Journal 1908 in den Thieme-Verlag überging, wurde vonseiten des Vereinsbunds darauf hingewiesen, dass jeder Kollege die Zeitschrift abonnieren solle, um den Erhalt des Blattes sicherzustellen. 1915 wurde der Name des Blattes auf „Deutsche Zahnheilkunde“ verkürzt. 1934, knapp 50 Jahre nach Gründung, wurde sein Erscheinen eingestellt – insofern gehörte es zu den „langlebigeren“.

Geo Poulsons „Vierteljährlicher Bericht über Neuheiten und praktische Erfindungen auf dem Gebiet der Zahnheilkunde und Zahntechnik“ wurde 1886 herausgegeben. Poulson war Namensgeber einer 1867 in Hannover gegründeten Dentalfabrik. Das zahntechnisch orientierte Blatt wurde 1914 wieder aufgegeben.

1887 erschien das „Zahnärztliche Wochenblatt“ – redigiert vom Hamburger Zahnarzt Andreae. Das Blatt erschien bis 1907 und machte durch seine Polemiken gegenüber allen nicht beziehungsweise nicht im Deutschen Reich approbierten Zahnbehandlern von sich reden. Daher kann es nicht verwundern, dass sich gerade das Wochenblatt und das „Journal für Zahnheilkunde“ heftig befehdeten. Zahllose Angriffe gegen die Zahnkünstler bestimmten letztlich auch das (geringe) Niveau.

1892 wurde erneut eine Fachzeitschrift mit dem Titel „Der Zahnarzt“ gegründet. Die Zeitschrift trat auf als „Gratis-Offerten- Blatt für alle Zahnärzte und Zahnkünstler Deutschlands, Oesterreich-Ungarns und der Schweiz“. Die Qualität der Beiträge fiel auch hier dürftig aus. Da sich das Blatt auch an nichtapprobierte Zahnbehandler richtete, wurden berufspolitisch heikle Fragen von vornherein ausgespart. Den Zahnkünstlern stand die Zeitschrift zweifellos wohlwollend gegenüber. Rasch änderte die Zeitschrift ihren Namen in „Zahnärztliche Rundschau“. Verleger und Herausgeber des Blattes wurde nun der Berliner Zahnarzt Max Bejach. Die Rundschau erschien jeden Donnerstag als „Organ für die gemeinsamen Interessen aller Praktiker auf den Gebieten zahnärztlicher und zahntechnischer Berufstäthigkeit“. Allein aus diesen Worten wird ersichtlich, dass sich das Blatt in Fragen der Berufspolitik neutral gab. Von den Vorständen der zahnärztlichen Vereine wurde das Blatt stark kritisiert, weil es sich auch an nichtapprobierte Zahnbehandler richtete. Der Verlag entschied 1897, dass die Zeitschrift in zwei verschiedenen Ausgaben erscheinen werde: Für die deutschen Zahnärzte sollte der Name „Zahnärztliche Rundschau“ beibehalten werden – sie hatte bis 1968 Bestand. Für die Zahnbehandler wurde künftig eine „Zahntechnische Rundschau“ herausgegeben.

1896 wurde mit den „Odontologischen Blättern“ eine weitere Gratis-Zeitschrift gegründet. Dem Untertitel zufolge verstand sich das Journal als „Umschau über den Fortschritt in der Zahnheilkunde“. Berufspolitische Themen kamen hier lediglich am Rande zur Darstellung. Das Inseratenblatt wandte sich bis 1908 an Zahnbehandler in „Central-, Nord- und Ost-Europa“.

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Der Vereinsbund und das erste „Standesorgan”

Die Tatsache, dass sich einige auflagenstarke Fachblätter gleichermaßen an Zahnärzte und an Nichtapprobierte richteten, war dem 1891 gegründeten Vereinsbund Deutscher Zahnärzte ein Dorn im Auge. Dieser Missstand führte dazu, dass der Vereinsbund 1895 mit Unterstützung des Central-Vereins ein eigenes Presseorgan ins Leben rief: Das „Zahnärztliche Vereinsblatt“ erschien zweimal monatlich und diente im Unterschied zum Monatsblatt des Central-Vereins ausdrücklich der Besprechung von „Standesfragen“. Im Untertitel wurde die Zeitschrift als „Organ des Vereinsbundes Deutscher Zahnärzte für dessen  Vereinsangelegenheiten, sowie für die zahnärztlichen Standesangelegenheiten und Personalien“ charakterisiert.

Die wissenschaftlich ausgerichteten Beiträge sollten nach wie vor dem Organ des CVdZ vorbehalten bleiben. Redakteur war Hofzahnarzt Friedrich Schneider. Den Ärger der Vertreter des Vereinsbundes über die bestehende Zeitschriftenlandschaft verriet ein Kommentar des VbDZ-Vorsitzenden Georg Kirchner 1897 im Vereinsblatt: „[...] Wochenschriften, welche gratis in das Haus der Zahnärzte als auch der Zahntechniker, respektive Barbiere wandern, sind geradezu [...] ein Krebsschaden für den zahnärztlichen Stand“ [Zahnärztliches Vereinsblatt, 1897]. Das Vereinsblatt erwies sich schon bald als finanziell untragbar. Zudem brachte es aufgrund des vierzehntäglichen Erscheinungsturnus „wichtige Mitteilungen meistens verspätet“ [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1898]. Streitigkeiten mit der Verlagsleitung trugen dazu bei, dass der Vereinsbund über Veränderungen nachdachte. 1897 wandte sich Vereinsblatt-Redakteur Georg Kirchner, mit einem Aufruf an die Leser, in dem es hieß: „Die Unterzeichneten sind zunächst davon durchdrungen, daß das Vereinsblatt entschieden weiter bestehen muß als ein ungemein wichtiger Faktor des Vereinsbundes Deutscher Zahnärzte, zumal zu einer Zeit, wo die zahnärztliche Fachpresse sehr darniederliegt, und es dringend erforderlich ist, ein Organ zu erhalten, was ausschließlich für Zahnärzte bestimmt ist. Ein solches Organ kann aber nur dann existenzfähig sein, wenn es alle acht Tage erscheint und nicht nur Standesangelegenheiten behandelt, sondern auch wissenschaftliche Arbeiten bringt [Zahnärztliches Vereinsblatt, 1897]“.

Daher sollte das „Zahnärztliche Vereinsblatt“ in ein Wochenblatt mit dem neuen Titel „Deutsche zahnärztliche Wochenschrift“ (DZW) umgewandelt werden. Verbunden mit der Neugründung wurde ein Garantie fond errichtet. Freiwillige Zuwendungen von Zahnärzten sollten nun helfen, dem neuen Organ eine finanzielle Basis zu sichern. Als die Deutsche zahnärztliche Wochenschrift im April 1898 erschien, hatten schon 200 Zahnärzte ein Abo.

Ebenso wie zuvor das Zahnärztliche Vereinsblatt legte auch die Wochenschrift ihren Schwerpunkt auf Fragen der Berufspolitik. Da alle Mitglieder des Vereinsbundes verpflichtet wurden das Blatt zu abonnieren, erreichte die Wochenschrift 1898 bereits zwei Drittel aller Zahnärzte. Schon in der ersten Ausgabe hieß es, die Wochenschrift wolle „das geistige Band aller deutschen Zahnärzte im engeren und aller Zahnärzte deutscher Zunge im weiteren Sinne bilden“ [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1898]. Der hohe Stellenwert des Journals ergab sich auch aus dem Beschluss des VbDZ, wonach Mitteilungen über Standesfragen stets zuerst in der Wochenschrift zu publizieren seien. Andere Fachblätter sollten nur eine Nachdruckerlaubnis erhalten, und Nichtapprobierten sollte der Zugang versperrt bleiben. Daher war es zunächst nur über den Vereinsbund erhältlich. Finanzielle Probleme veranlassten die Delegierten des Vereinsbundes 1901 für einen Postbezug zu votieren. Man gestand die Notwendigkeit ein, „mit der chinesischen Mauer zu brechen. Es ist lächerlich, wenn jemand glaubt, man könne Jemandem das Blatt vorenthalten. Wir können das Abonnement nur heben, wenn wir durch Post und Buchhandel die Wochenschrift erscheinen lassen“ [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1901]. Als Folge konnte der Fond 1906 zurückbezahlt werden.

Die wissenschaftliche und schriftstellerische Mitarbeit der deutschen Zahnärzte entwickelte sich positiv, so dass die Redaktion weitaus weniger auf Beiträge aus der eigenen Feder angewiesen war. Umstritten war dagegen der Einfluss des Vereinsbundes auf den Inhalt der Wochenschrift. Zweifelhafte Artikel musste die Redaktion dem Vorstand des VbDZ vorlegen. Angesichts derartiger Zensurbestrebungen sahen sich drei Berliner Vereine vorübergehend zum Austritt aus dem Vereinsbund veranlasst. Noch im gleichen Jahr wurde der „Berliner Verband Zahnärztlicher Vereine“ ins Leben gerufen, der ab 1907 die „Berliner zahnärztliche Halbmonatsschrift“ herausbrachte. Eine scharfe Auseinandersetzung mit der Wochenschrift wurde vermieden. Ab Januar 1910 erschien das Berliner Blatt unter dem Titel „Zeitschrift für Zahnheilkunde“. Hintergrund waren die Auflösung des Berliner Verbandes Ende 1909 und der Wiedereintritt jener Verbände in den Vereinsbund. Den Erfolg der Wochenschrift konnte die Berliner Konkurrenz nicht parieren – sie stellte ihre Zeitschrift bereits 1919 wieder ein.

Die Aufwärtsentwicklung der Deutschen zahnärztlichen Wochenschrift wurde 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs gestoppt. Die Einbuße einiger Redakteure, der Rückgang der Abonnenten und Inserentenzahlen, Zensur und Papiermangel waren ursächlichlich für den zeitweiligen Niveauverlust des Blattes. 1919 war die Krise überwunden. Die Wochenschrift wurde zum „Offiziellen Organ der Zahnärztekammern in Baden und Preussen“ bestimmt. Zur selben Zeit charakterisierte der Redakteur, R. Parreidt, die Zeitschrift als „Sprachrohr für alle, die zur Besserung der sozialen Lage des Standes beitragen wollten. Die D.Z.W. hat sich jederzeit voll in den Dienst des Standes gestellt und so erreicht, dass sie sich immer mehr entwickeln konnte, was Inhalt, Umfang und Abnehmerzahl betrifft [...] Möge die zukünftige Entwicklung unseres so schwer geschädigten Vaterlandes den Zahnärzten weiteren Fortschritt und eine würdige Stellung in der Gesellschaft ermöglichen. Soweit es in den Kräften der D.Z.W. steht, wird sie es an ihrer Mitarbeit beim Neuaufbau des Standes nicht fehlen lassen. In diesem Sinne beginnt das Bundesorgan sein zweites Vierteljahrhundert“ [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1919].

Seit 1910 gab der 1909 gegründete „Wirtschaftliche Verband deutscher Zahnärzte (WVdZ)“ mit den „Zahnärztlichen Mitteilungen“ (zm) ein Presseorgan heraus. Der WVdZ sollte die wirtschaftlichen Belange der Zahnärzte – insbesondere in der Frage der Kassenzulassung („Kassenfrage“) – vertreten und ermöglichte im Unterschied zum Vereinsbund, der als Zusammenschluss der zahnärztlichen Vereine auftrat, persönliche Mitgliedschaften. Bereits ab Juli 1912 erschienen die Zahnärztlichen Mitteilungen zweimal im Monat. Die zm wurden zum auflagenstärksten zahnärztlichen Fachjournal und zu einem wichtigen berufspolitischen Sprachrohr, gerade für den Bereich der zahnärztlichen Kassenbehandlung.

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Vereinsunabhängige zahnärztliche Zeitschriften

Neben den drei sehr einflussreichen Organen des CVdZ, des VbDZ und des WVdZ existierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine zunehmende Zahl vereinsunabhängiger Zeitschriften, die aber in ihrer Bedeutung hinter den drei betreffenden Vereinsorganen zurückblieben: So erschien 1900 bis 1914 mit dem „Archiv für Zahnheilkunde“ eine Zeitschrift, die von den in Amerika graduierten Doktoren der Zahnheilkunde lanciert wurde. Sie gehörte damit per se zu jenen Organen, die von der DZW kontinuierlich „bekämpft“ wurden.

Bedeutungslos blieb die 1901 in Leipzig gegründete Monatsschrift „Zahnheilkunde“, gedacht als „Zentralblatt und Nachschlagewerk in Monatsheften für die gesamte Literatur“. Das vom Berliner Zahnarzt Abraham redigierte Organ existierte nur bis 1902.

Größeren Einfluss erlangte die „Deutsche Zahnärztliche Zeitung“. Sie wurde 1901 gegründet und erschien bis 1925. Herausgeber war Zahnarzt Philipp Reissenbach. Als Anzeigenblatt zeichnete sie sich durch einen ausnehmend niedrigen Bezugspreis aus. Die ersten drei Nummern wurden kostenlos an 6.300 Empfänger gesandt. 1902 verfügte sie über die beachtliche Auflage von 8.000 Exemplaren und richtete sich nicht nur an Zahnärzte, sondern an alle Zahnbehandler. Im Untertitel wurde betont, die Deutsche Zahnärztliche Zeitung werde „Unter Mitwirkung hervorragender Fachleute des In- und Auslandes redigirt“. Obgleich die Zeitschrift keine rein zahnärztlichen Interessen vertrat, kam ihr aufgrund der Auflagenhöhe eine gewisse Bedeutung zu. Vom Vereinsbund wurde dieses Organ dementsprechend als „Gratispresse“ heftig angegriffen. Auch der Presseausschuss des Wirtschaftlichen Verbandes betrachtet sie kritisch.

1902 veröffentlichte die Firma S. S. White in Berlin ein Dental-Magazin mit dem Titel „Neuheiten und Verbesserungen auf zahnärztlichem und zahntechnischem Gebiet“; ab 1909 erschien das Organ dann unter dem Namen „Journal für Zahnheilkunde und Zahntechnik“ und vertrat die Interessen der Dentalindustrie; „Standesfragen“ wurden dementsprechend nicht erörtert.

1907 erschien die erste Ausgabe des „Zahnärztlichen Zentralblatts“ in Liegnitz. Das Blatt, das vollmundig als „Organ zur Wahrung berechtigter Standesinteressen der Deutschen Zahnärzte“ auftrat, existierte jedoch lediglich bis 1909.

1909 wurden in Pössneck erstmals die „Odontologischen Nachrichten“ herausgegeben. Die „Zeitschrift für Zahnheilkunde und Zahntechnik“, so der Untertitel, hielt sich auch nur bis 1914. Der VbDZ griff auch dieses Blatt in der kurzen Zeit seines Bestehens als „Anzeigenpresse“ heftig an.

In Berlin wurde 1909 erstmals der „Zahnärztliche Kalender für das Deutsche Reich“ veröffentlicht – auch er wurde 1915 bereits wieder eingestellt.

1910 wurde in München mit den „Ergebnissen der gesamten Zahnheilkunde“ noch ein Fachblatt begründet und existierte bis 1924. Es berücksichtigte in der Hauptsache wissenschaftliche Beiträge, ohne jedoch als ernsthafte Konkurrenz für die „Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde“ gelten zu können. Im gleichen Jahr wurde das „Internationale Archiv für öffentliche Mundhygiene“ ins Leben gerufen, das 1914 sein Erscheinen einstellte.

1910 erschien im Berliner Verlag Meusser erstmals die „Schulzahnpflege“. Sie trat als Zeitschrift des „Deutschen Zentralkomitees für Zahnpflege in den Schulen“ in Erscheinung. Herausgeber waren die Zahnärzte Cohn, Dieck und Ritter. Bis Juli 1914 erschien sie unregelmäßig. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg stellte auch sie zeitweilig ihr Erscheinen ein. Ab 1923 lag sie monatlich den Zahnärztlichen Mitteilungen bei.

Vor Beginn des Ersten Weltkriegs kam noch eine weitere, in ihrer Zielsetzung neuartige Zeitschrift auf den Markt: „Die Gesundheit der Zähne: Mundhöhle, Verdauungsorgane“. Vierzehntäglich erscheinend wollte sie sich sozialmedizinischen Themen widmen und die Bevölkerung auf die grundsätzliche Bedeutung der Zahngesundheit aufmerksam machen. Das Organ existierte lediglich, wie viele der vorgenannten Blätter nur wenige Jahre, namentlich von 1911 bis 1914.

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Fachspezifische Ausdifferenzierungen

Die zunehmende Ausdifferenzierung der Zahnheilkunde in die Teildisziplinen spiegelte sich nun in der Zeitschriftenliteratur wider: So war 1907 unter der Redaktion von Karl Herber die erste Fachzeitschrift für Kieferorthopädie unter dem Titel „Zeitschrift für zahnärztliche Orthopädie“ auf den Markt gebracht worden. Sie hielt sich bis 1937. Erklärtes Ziel der Schriftleitung war die Besprechung orthodontischer Probleme. Seit Januar 1913 erschien das Blatt unter der Bezeichnung „Zahnärztliche Orthopädie und Prothese“.

Ebenfalls 1911 wurde die „Zeitschrift für Mund- und Kieferchirurgie einschließlich Zahnchirurgie und Grenzgebieten“ gegründet. Das in Wiesbaden erscheinende Blatt wurde jedoch bereits 1921 von der „Deutschen Vierteljahrsschrift für Zahnchirurgie“ abgelöst. Die kieferchirurgisch orientierte Zeitschrift enthielt ebenso wie die erwähnte Zeitschrift für zahnärztliche Orthopädie und das 1925 gegründete Blatt „Die Prothese“ wissenschaftliche Beiträge zu den Fachgebieten Kieferorthopädie beziehungsweise Prothetik.

Der Zahnarzt Max Müller hielt 1911 im Rahmen einer Sitzung des „Zahnärztlichen Vereins für Niedersachsen“ einen Vortrag „Über die Klassifikation zahnärztlicher Literatur und die Wichtigkeit der Fachzeitschriften“. Er betonte hierbei den Zusammenhang zwischen der Bedeutung eines Faches und dem Stellenwert seiner Publizistik [Müller, 1911].

Konsolidierung der zahnärztlichen Fachpresse

Aus heutiger Sicht ist Müller vollständig beizupflichten: Die Entwicklung der zahnärztlichen Fachpresse – angefangen von der 1849 in Einzelinitiative gegründeten Zeitschrift „Der Zahnarzt“ über die Etablierung von Vereinszeitschriften bis hin zur Herausgabe von auf Subdisziplinen spezialisierten Fachorganen – versinnbildlicht den Professionalisierungsprozess der deutschen Zahnärzteschaft. Zudem spiegelten sich in den Schwerpunktsetzungen der Fachpresse stets auch die virulenten Probleme des Berufsstandes – insbesondere der Dualismus der zahnbehandelnden Gruppen und die „Kassenfrage“.

Die fundiertere wissenschaftliche Information – aber auch die wirksamere zahnärztliche Interessenvertretung – fand zweifellos in den Organen der zahnärztlichen Verbände statt, wobei die Monatsschrift des Central-Vereins seit 1883 als Marktführer im Bereich der wissenschaftlichen Fachzeitschriften gelten konnte. Allerdings nahmen berufspolitische beziehungsweise wirtschaftliche Themen einen immer breiteren Raum ein. Hierfür standen wiederum mit der Deutschen zahnärztlichen Wochenschrift (ab 1898) beziehungsweise den Zahnärztlichen Mitteilungen (ab 1910) effektive Journale zur Verfügung. Zudem hatte der Wirtschaftliche Verband Deutscher Zahnärzte noch vor dem Zweiten Weltkrieg eine berufspolitisch sehr effektive Maßnahme ergriffen:

Er hatte einen „Presseausschuss“ gegründet, der bezeichnenderweise folgenden Antrag stellte: „Es soll den Mitgliedern der Bundesvereine jede Benutzung der Gratis-Presse verboten werden, das heißt 1. dieselbe darf nicht gehalten werden, 2. es darf in ihr nicht annonziert werden, 3. es darf keine Geistesarbeit in ihr veröffentlicht werden, und 4. es dürfen die in ihr annonzierenden Firmen keine Berücksichtigung finden“ [Zahnärztliche Rundschau, 1913].

Die Kehrseite derartiger Maßnahmen beschrieb der Remscheider Zahnarzt Victor von Donat: „[...] es gibt wohl kaum noch eine Fachpresse eines akademischen Standes, in der es eine solche Menge persönlicher Streitigkeiten und Gereiztheiten gibt, wie in der unsrigen [...] Wenn ich also eine Ansicht aussprechen dürfte, so würde ich mehr vornehme Sachlichkeit geschmackvoller finden [...] Wie gesagt, dies alles ist Takt- und Geschmacksfrage und sollte mehr als bisher in innigem Verhältnis zum Papierkorb der Redaktion stehen.“

Unbeschadet dieser „Gereiztheiten“ ist festzustellen, dass das zahnärztliche Zeitschriftenwesen spätestens am Vorabend des Ersten Weltkriegs weitgehend etabliert war: Die drei führenden zahnärztlichen Organisationen – der Central-Verein, der Vereinsbund und der Wirtschaftliche Verband – besaßen mit der Monatsschrift, der Wochenschrift und den Zahnärztlichen Mitteilungen bestens eingeführte Presseorgane.

###more### ###title### Veränderungen im 20. Jahrhundert ###title### ###more###

Veränderungen im 20. Jahrhundert

Von den drei vorgenannten Periodika haben allein die Zahnärztlichen Mitteilungen bis heute Bestand – allerdings treten die zm heutzutage bekanntlich als „Organ der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) – Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Zahnärztekammern e.V. und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV)“ in Erscheinung.

Beide Institutionen entstanden in der jungen Bundesrepublik: Während die BZÄK zunächst als „Bundesverband der Deutschen Zahnärzte“ (BDZ) gegründet wurde (1953), hatte sich die KZBV zuerst als „Arbeitsgemeinschaft der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen“ konstituiert (1954). Beide Organisationen konnten mit den Zahnärztlichen Mitteilungen auf ein bereits etabliertes gemeinsames Fachblatt zurückgreifen.

Auch der Central-Verein deutscher Zahnärzte und sein Publikationsorgan unterlagen im Verlauf des 20. Jahrhunderts wesentlichen Änderungen: Der CVdZ selbst wurde 1926 in „Deutsche Gesellschaft für Zahn- und Kieferheilkunde“ und 1933 in „Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ (DGZMK) umbenannt. Letztere hatte zunächst nur bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Bestand, konnte jedoch 1949 – wiederum als DGZMK – erfolgreich rekonstituiert werden. Zum neuen Vereinsorgan wurde die bereits 1946 im westlichen Deutschland begründete „Deutsche zahnärztliche Zeitschrift“ (DZZ) gemacht. Sie stellt auch heute noch das zentrale, wenngleich nicht das einzige Publikationsorgan der DGZMK dar [Groß/Schäfer, 2009].

Während in Westdeutschland, wie erwähnt, bereits 1949 die erneute Gründung der DGZMK als nationale wissenschaftliche Dachorganisation erfolgte, entstanden in der DDR zunächst nur regionale Gesellschaften. Erst 1964 erfolgte in Leipzig die Konstituierung der „Deutschen Gesellschaft für Stomatologie“ beziehungsweise „Gesellschaft für Stomatologie der DDR“. Die bereits 1951 in der DDR gegründete Fachzeitschrift „Deutsche Stomatologie“ wurde alsbald zum Organ der neuen Gesellschaft und prägte – von 1974 bis 1990 allerdings unter dem veränderten Titel „Stomatologie der DDR“ – das Bild der zahnärztlichen Fachpresse in Ostdeutschland. Mit Heft neun des Jahrgangs 1990 erhielt das Blatt wieder seinen  Ursprungsnamen „Deutsche Stomatologie“, wurde jedoch 1991 eingestellt.

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Auch die 1934 gegründete „Deutsche Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ hatte in der späteren DDR über viele Jahre Bestand. Sie verschwand ebenfalls bald nach der deutschen Wiedervereinigung (1992) aus dem Zeitschriftenangebot. Gleiches galt beispielsweise für die Zeitschrift „Zahntechnik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der wissenschaftlichen Zahntechnik“ – sie stellte bereits 1990 ihr Erscheinen ein [Künzel, 2010].

###more### ###title### Die heutige Situation ###title### ###more###

Die heutige Situation

Aktuell umfasst der deutschsprachige zahnärztliche Zeitschriftenmarkt knapp 50 Zeitschriften – darunter finden sich vereinsunabhängige Blätter, allgemeinzahnärztliche und spezialisierte Fachorgane von wissenschaftlichen Fachgesellschaften, aber auch Journale von Berufsverbänden wie dem „Freien Verband Deutscher Zahnärzte“ („Der Freie Zahnarzt“). Hinzu kommt eine zweistellige Zahl von Mitteilungsblättern der Landeszahnärztekammern.

Nie war die deutschsprachige zahnärztliche Publizistik so vielfältig und ausdifferenziert wie in der Gegenwart. Allerdings findet sich mittlerweile für den Bereich der wissen schaftlichen Original- und Übersichtsarbeiten – wie in allen Bereichen der Medizin – der Trend, bevorzugt bei englischsprachigen Fachzeitschriften einzureichen. Inwieweit diese Tendenz langfristig Bestand haben wird oder ob sie sich, wie so viele der oben angesprochenen Initiativen, letztlich als passager erweist, wird die Zukunft zeigen.

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß,Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der MedizinMedizinische Fakultät und Universitätsklinik der RWTH Aachen E-mail:

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