Praxiskrisen

Kein Plan, keine Patienten, kein Geld

Jahrelang ist alles gut gelaufen in der Praxis – doch plötzlich kommen immer weniger Patienten, der Umsatz bricht ein, der Gewinn wird immer geringer, die Verpflichtungen aber steigen stetig. Ein Praxisberater, wie man eine strategische oder wirtschaftliche Schieflage erkennt und wie man reagieren kann – inklusive eines Krisen-Checks für die eigene Praxis

Seit Jahren wächst das ambulante Gesundheitswesen dynamisch und gilt als Wachstumsmotor Nr. 1. Allerdings wird der Wettbewerb ständig härter und die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen machen das System immer komplexer, so dass die Anforderungen an Praxisinhaber ebenfalls stetig wachsen. Das hat Folgen – auch wirtschaftliche. Doch nicht jedem Zahnarzt gelingt es, auf alle Veränderungen zeitnah und adäquat zu reagieren. Anpassungen erfordern Know-how, Zeit und wirtschaftliche Ressourcen. Berufliches Scheitern in einer (eigentlich) krisensicheren und angesehenen Tätigkeit wird zur Eventualität. Eine Praxis, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, ist schon lange kein Einzelfall mehr.

Die meisten Liquiditätskrisen in Praxen ereignen sich nicht plötzlich „wie aus heiterem Himmel“, sondern entwickeln sich über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Vorboten und Hinweise können dabei ganz verschieden sein: Eine schlechte Arbeitsatmosphäre und eine hohe Fluktuation beim Personal können ebenso eine Krisenindikation sein wie die mangelnde Kenntnis etwa darüber, wer ihrer Kollegen Sie wie häufig empfiehlt oder wie sich die Patienten zahlen entwickeln, oder eine ungenügende Strategie- und Praxisplanung. So sollten Sie sich regelmäßig die Frage stellen – und auch beantworten können, wo Ihre Praxis in zehn Jahren stehen soll.

Im Nachhinein wird immer wieder deutlich: Es gab etliche Vorboten, sie wurden jedoch nicht als solche erkannt. Manch ein Praxisinhaber, der ins Schlingern geraten ist, hatte „ein ungutes Gefühl“, wusste aber nicht, wie damit umzugehen ist. Fest steht: Je länger Fehlentwicklungen unentdeckt und deren Ursachen unbehandelt bleiben, desto fataler die Entwicklung. Der zur Verfügung stehende Handlungsrahmen wird stets schmaler, die Zeit immer knapper. Am Ende kann sich ein immenser Schuldenberg aufgetürmt haben, bei dem offene Rechnungen nicht mehr beglichen werden können. Kurz, die wirtschaftliche Existenz der Praxis ist in Gefahr, nicht selten steht das Unternehmen Zahnarztpraxis vor dem Aus. Wie aber erklärt sich diese Diskrepanz einer über Jahre hinweg sich entwickelnden Krisensituation und der Wahrnehmung von betroffenen Praxisinhabern? Dazu lohnt es sich, die Entwicklung von Krisen in ihren verschiedenen Stadien genauer anzuschauen.

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Die Strategiekrise

Jede Praxisschieflage findet ihren Anfang in einer Strategiekrise. In diesem Stadium stellt die Liquidität (noch) kein Problem dar. Von einer Strategiekrise spricht man, wenn sich die Leistungsfähigkeit einer Zahnarztpraxis gegenüber dem Wettbewerb verschlechtert.

Beispielsweise konnte ein Zahnarzt noch vor zehn Jahren auf eine eigene Homepage verzichten. Wer sich heute niederlässt und seine Praxis nicht auch über eine Präsenz im Internet darstellt, wird es schwerer haben, neue Patienten zu gewinnen. Hier haben sich die Rahmenbedingungen und Erwartungen der Patienten verändert. Praxen, die diesen veränderten Anforderungen nicht nachkommen, sind nicht mehr marktgerecht aufgestellt und können daher leichter in eine strategische Krise geraten.

Die Ursachen können ganz unterschiedlich sein, gerade das macht es so schwierig, Krisenursachen als solche zu erkennen und adäquat zu (be-)handeln. Manchmal liegen die Faktoren innerhalb der Praxis und damit im Inhaber selbst begründet. „Gibt es eine Gesamtstrategie für Ihre Praxis, die die Ausrichtung des Unternehmens Zahnarztpraxis bestimmt?“ – dies könnte hier eine Frage sein, die vom Praxisinhaber beantwortet werden sollte. Anders formuliert: Gibt es eine konkrete Vorstellung, was Sie in der Praxis anbieten möchten, wo die behandlerischen Schwerpunkte sein sollen? Ist Ihre Praxis noch zeitgemäß aufgestellt?

Fest steht: Die Zahnarztpraxis regelmäßig auf Potenziale zu überprüfen, ist eine der sichersten Krisenprophylaxen. Hinweise auf ungenutzte Potenziale können etwa unter durchschnittlich ausfallende Fallzahlen geben.

Für den Bereich der Zahnmedizin gibt der medizinische Wirtschafts-Branchendienst Atlas Medicus 417 GKV und 145 PKV-Fälle je Quartal in den alten Bundesländern respektive 443 GKV- und 84 PKV-Fälle in den neuen Bundesländern als Vergleichskennzahl und Richtschnur an.

Manchmal sind es auch externe Faktoren, die in eine Krise führen. So können sich etwa die Erwartungen von Patienten dahingehend verändern, dass die Praxis deren Anforderungen immer weniger entspricht. Vielleicht gibt es aber auch Anpassungsbedarf aufgrund gesetzlicher Vorgaben, dem nicht genügend Rechnung getragen wird? So könnten beispielsweise aktuell die Neuerungen im Versorgungsstrukturgesetz dazu führen, dass im Einzugsgebiet einer zahnärztlichen Einzelpraxis ein großes zahnmedizinisches Versorgungszentrum entsteht und als Folge dieser veränderten Versorgungslage die Zahnarztpraxis eine strategische Neuausrichtung benötigt.

Endogene Krisenursachen können aber auch eine Krankheit, familiäre Schwierigkeiten oder Unerfahrenheit sein. Unternehmerische Führungsqualitäten, wie sie heute in einer Zahnarztpraxis benötigt werden, sind weder angeboren noch werden sie im Studium vermittelt. Sie müssen zusätzlich erworben und oft hart erarbeitet werden

###more### ###title### Die Erfolgskrise ###title### ###more###

Die Erfolgskrise

Von einer Erfolgskrise spricht man, wenn sich die Negativentwicklung in den Praxiszahlen niederschlägt. So können beispielsweise die Kostenquoten für Personal, Raum oder Fremdleistungen steigen, sich die Falltiefe verringern oder der Cashflow ist unterdurchschnittlich oder sinkt. Zur Erinnerung: Der Cashflow summiert sich aus Gewinn und Abschreibungen. Das bedeutet bei einem Praxisgewinn von beispielsweise 120.000 Euro und Abschreibungen in Höhe von 5.000 Euro im Ergebnis einen Cashflow von 125.000 Euro.

Im Praxisalltag bemerken Inhaber und Mitarbeiter in diesem Stadium der Erfolgskrise vielleicht, dass die Zahl der (Neu-)Patienten abnimmt. Bleibt die Kostenhöhe gleich, übersteigen als Folge die Kosten die Einnahmen. Konsequenz: Die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) weist Negativtendenzen aus, ohnehin ein Krisenindiz, das man nicht ignorieren sollte. Denn der finanzielle Druck wächst und kann zur Ausdehnung von Zahlungsfristen führen.

Wird die Praxiskrise im Stadium der Erfolgskrise wahrgenommen, verfügt der Praxisinhaber (noch) über vergleichsweise viel Zeit und einen relativ breiten Handlungsspielraum. Klug wäre es jetzt, professionelle Hilfe zu suchen. Grund: Mittel, die für eine jetzige Praxisneuausrichtung oder Kurskorrektur erforderlich sind, stehen in der Regel noch ausreichend zur Verfügung, respektive können unkompliziert verfügbar gemacht werden. Die Realität zeigt jedoch, dass viele Zahnärzte lieber abwarten und hoffen, es bessere sich wieder von alleine. Von der Idee getragen, es handele sich nur um einen vorübergehenden Engpass, werden stattdessen Zahlungen gestreckt, verzögert oder stille Liquiditätsreserven genutzt.

Die Liquiditätskrise

Bleibt der Investitionsstau bestehen, werden die Krisenursachen nicht oder nur unzureichend bekämpft, brauchen sich Liquiditätsreserven unaufhaltsam auf. Das Eigenkapital schwindet, Kreditrahmen werden überzogen oder es werden neue Kredite aufgenommen, um Kapitaldienste zu bedienen, Gehälter, Steuern oder Labor zu bezahlen. Spätestens jetzt wird deutlich, dass noch mehr vom Gleichen tun, nicht hilft, sondern die Krise nur immer weiter verschärft. Eine Praxiskrise, die den Inhabern erst in diesem Stadium bewusst wird, lässt nicht viel Spielraum: Die Zeit ist knapp, es muss schnell gehandelt werden. Manchmal bleibt am Ende nur noch der Weg in die Insolvenz, um die prekäre Lage zu überwinden. Häufig sind inzwischen drei bis fünf Jahre vergangen, bis sich die Krise zur akuten Liquiditätskrise ausgewachsen hat.

Wenn sich Schwierigkeiten aufstauen

In der Regel sind Praxiskrisen als Folge einer Vielzahl komplex ineinander verwobener Schwierigkeiten zu sehen. Verschiebungen, erste Hindernisse stauen sich, sofern sie nicht gelöst werden, auf. Eine häufig auftauchende Ursache für die Schwierigkeit, eine Krise in ihrer Tragweite zu erkennen, ist der fehlende Überblick. Manch Praxisinhaber weiß gar nicht so genau, wie es um seine Finanzen steht, wann Steuern fällig werden, wie viel seine Praxisstunde kostet oder in welchem Umfang die jeweiligen Leistungen erbracht werden. Um Krisen rechtzeitig zu erkennen, eignet sich neben einer Überprüfung der Praxisentwicklung durch externe Fachleute auch die eigene kritische Auseinandersetzung, etwa mihilfe von Checklisten.

Stephan Kock, Kock + Voeste Existenzsicherung für die Heilberufe GmbH

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