Elektronische Gesundheitskarte

Haushaltskürzung wird wahrscheinlicher!

Eigentlich sollten die Tests zur Erprobung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) schon laufen. Doch wichtige Komponenten fehlen noch immer, weil sie die Industrie nicht fristgerecht liefern kann. Ungeachtet dessen drängt Gesundheitsminister Hermann Gröhe unter Sanktionszwang darauf, dass Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser Pilotphasen zur Erprobung beginnen. Die vom Minister geplanten Sanktionen für die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) indes erschweren zudem, dass die KZBV eine verlässliche Haushaltsplanung für das kommende Jahr erstellen kann.

Zuletzt war es wieder eine Verschiebung: Ende September wurde bekannt, dass sich die Testphasen zur Einführung der eGK erneut verzögern: Die Hauptverantwortung für die Verschleppung trägt nach Ansicht der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) vor allem die Industrie: Sie setze die Liefertermine für neue Kartenlesegeräte und die Konnektoren, die in den Praxen für die sichere Verbindung zur Telematikinfrastruktur sorgen sollen, immer weiter nach hinten.

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Das 2015 in Kraft getretene E-Health- Gesetz, das die Einzelheiten der Einführung von Gesundheitskarte und der dazu notwendigen IT-Struktur festlegt, schreibt allerdings den Abschluss der Tests und damit den Beginn des Online-Rollouts der Telematikinfrastruktur und der Vernetzung der Leistungserbringer ab dem 1. Juli 2016 verbindlich vor. Der „Online-Rollout“ bezeichnet den Aufbau der Telematikinfrastruktur – einem Netz, über das perspektivisch alle Leistungserbringer und Krankenkassen sicher elektronische Daten übertragen können sollen und das es ermöglicht, die Versichertenstammdaten auf der Karte zu aktualisieren. Die Crux: Im Gesetz wurden auch Sanktionen für den GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die KZBV festgelegt, falls sie es nicht schaffen sollten, die vorgegebenen Fristen für den Aufbau der Telematikinfrastruktur und die Einführung bestimmter Anwendungen einzuhalten. Im Einzelnen heißt dies:

• Bis zum 30. Juni 2016 hat die gematik die erforderlichen Maßnahmen für einen flächendeckenden Rollout der Anwendung „Versichertenstammdaten-Management (VSDM)“ (Online-Prüfung der eGK) durchzuführen. Bei Fristüberschreitung wird der Haushalt der KZBV ab 2017 auf das Volumen von 2014 abzüglich 1 Prozent begrenzt, bis die Maßnahmen durchgeführt worden sind.

• Ab dem 1. Juli 2018 soll die Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen pauschal um 1 Prozent so lange gekürzt werden, bis sie die Online-Prüfung der eGK durchführen.

• Bis zum 31. Dezember 2017 hat die gematik die Maßnahmen zur Einführung des „Notfalldaten-Managements“ (Speicherung von Notfalldaten auf der eGK) durchzuführen. Andernfalls drohen der KZBV zusätzlich die oben genannten Haushaltssanktionen ab 2018.

Zwar will das BMG wegen der gegebenen Umstände die bisherige gesetzliche Frist (30. Juni 2016) auf 30. Juni 2017 verlegen. Doch wird diese Frist nicht eingehalten, bleibt der KZBV-Haushalt 2017 von einer Kürzung trotzdem bedroht. Grund: Mit Verstreichen der neuen Frist wäre nach Auffassung des BMG der laufende Haushalt 2017 „rückwirkend“ zu kürzen.

KZBV-Haushalt 2017 massiv bedroht

Gerade aber das Instrument der rückwirkenden Kürzung ist es, was die Handlungs- und Planungsfähigkeit der KZBV für den Haushalt 2017 erschwert. Konkret geht es um eine einrechenbare Kürzung des KZBV-Haushalts für 2017 um über 20 Prozent.

„Die KZBV und erst recht die Praxen haben auf die beteiligten Unternehmen und ihre Arbeitsabläufe nicht den geringsten Einfluss. Hier wird die Verantwortung einer möglichen Verzögerung an völlig falscher Stelle verortet“, moniert der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz. Doch das BMG hält an den Sanktionen fest. Dies ergaben letzte Gespräche Anfang Oktober zwischen KZBV und dem Ministerium. Diese massive, in ihrer Höhe willkürliche und unverhältnismäßige Maßnahme könne so nicht hingenommen werden, erläutert Buchholz.

Konkret arbeitet die gematik derzeit an der Umsetzung des sogenannten Online- Rollout Stufe 1 (ORS1). Diese Stufe beinhaltet in der ersten Phase die Anbindung der Arzt- und Zahnarztpraxen sowie der Krankenhäuser an die Telematikinfrastruktur. Hierbei soll über das Netz die Online-Prüfung der eGK und – sofern erforderlich – die Aktualisierung der Versichertenstammdaten auf der Karte erfolgen.

In der zweiten Phase des ORS1 sollen Infrastrukturelemente für die sichere elektronische Datenübertragung in den Praxen zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören beispielsweise die „qualifizierte elektronische Signatur“ (QES) und die Möglichkeit zur Verschlüsselung von Daten.

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Eine aktuelle Zeitplanung für diese zweite Stufe, die dann auch einen ersten Mehrwert für die Praxen bringen soll, wurde seitens der Auftragnehmer bisher nicht vorgelegt, so dass diese erst mal in weite Ferne zu rücken scheint.

Industrie in der Klemme

Mit der Erprobung dieser Anwendungen inklusive des dazu notwendigen Aufbaus der Telematikinfrastruktur sind in einem Vergabeverfahren von der gematik zwei Konsortien beauftragt worden, die in zwei definierten Testregionen die Infrastruktur und die Anwendungen in Arzt- und Zahnarztpraxen sowie einigen Krankenhäusern testen sollen:

• T-Systems (Konsortialführer) führt die Erprobung in den KV-/KZV-Bereichen Bayerns und Sachsen durch (Testregion „Südost“);

• das Konsortium SCK (StrategyCompugroupMedical und KoCoKonnektor) ist mit der Erprobung in den KV-/KZV-Bereichen Nordrhein, Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein beauftragt worden (Testregion „Nordwest“).

Allerdings haben die Konsortien die Komplexität des Projektes wohl gravierend unterschätzt. Insbesondere die Sicherheitsanforderungen der Komponenten, die für die Anbindung der Praxen an die Telematikinfrastruktur in den Praxen installiert werden müssen, sowie der Zeitbedarf für deren Sicherheitszertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wurden in der ursprünglichen Projektplanung offenbar völlig falsch bewertet. Resultat sind die bekannten Zeitverzögerungen in der Entwicklung der Komponenten.

Nach den aktuell von den Konsortien vorgelegten Zeitplänen soll die Erprobung in der Testregion Nordwest am 19. Dezember 2016 starten. Rund 500 Arzt- und Zahnarztpraxen sollen dann im Nordwesten Deutschlands mit Probeläufen zum Abgleich der Versichertenstammdaten (siehe Kasten) beginnen. Im Gebiet Nordwest plant CompuGroup die Installation der Komponenten bei den Zahnarztpraxen, die sich für eine Vor-Erprobung gemeldet haben (sogenannte „Friendly User“) am 18. und 19. November 2016.

Vor-Vor-Test angekündigt

Im Rahmen des Installationstermins wird nach Informationen von CGM das Praxispersonal geschult und mit den neuen Funktionen des Systems vertraut gemacht.

In der Testregion Südost wurde der Beginn inzwischen auf April 2017 verschoben. Ab dem 26. April 2017 würden dann hier 500 weitere Praxen in Bayern und Sachsen dazukommen. Für die Testregion Südost (Bayern/Sachsen) hat T-Systems für die Erprobung eine erneute Verschiebung bekannt gegeben und den 29. März 2017 als Planungsdatum für den Beginn der Ausstattung der Friendly User genannt. Die aktuellen Zeitpläne liegen seit September auch dem BMG vor.

Parallel hierzu sind die KZBV und der GKV-Spitzenverband in Gesprächen zum Ausgleich der Kosten der erforderlichen Ausstattung sowie der Kosten, die den Leistungserbringern im laufenden Betrieb der Telematikinfrastruktur entstehen.sg

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